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der Eingeborenen, malerisch in ihrer Einfachheit und geboren aus der Urgewalt der Wildnis, wunderbar in ihrer Harmonie mit dem Tropenurwald im Hintergrund, und in grellem Gegensatz zu den abstoßend-häßlichen Bauwerken der weißen Kolonisten!

      Der Junge beugte sich über die Reling. Seine Blicke schweiften weit hinweg über die kleine Ansiedlung, dieses nur von Menschenhand hervorgestampfte Machwerk, weit hinaus in die Dschungel, die Gott gebaut. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn in diesem Augenblick, ein leichter Schauer rann ihm den Rücken hinab ... und dann sah er – ganz ohne daß er es gewollt hätte – auf einmal die liebenden Augen seiner Mutter vor sich ... und das strenge Antlitz seines Vaters, das aber trotz einer gewissen männlichen Härte und Geschlossenheit keine geringere Liebe widerspiegelte. Er fühlte, wie er selbst mit einem Male schwankend und unschlüssig wurde ...

      Nicht weit von ihm stand ein Schiffsoffizier und rief mit dröhnender Stimme der nahenden Bootsflottille allerhand Befehle zu; denn die Eingeborenen kamen, um den für diesen kleinen Hafen bestimmten Teil der Schiffsladung zu löschen. Wann legt der nächste Dampfer nach England hier an? fragte der Junge.

      Der »Emanuel« muß bald vorbeikommen. Ich nahm eigentlich an. wir würden ihm hier begegnen, gab der Offizier zur Antwort und fuhr sogleich fort, das wüste Durcheinander, das auf den Fluten immer näher an den Dampfer heranschaukelte, zu entwirren und richtig zu dirigieren.

      Es war eine äußerst schwierige Aufgabe, die Großmutter des Jungen von Bord des Dampfers in ein bereitliegendes Boot hinabzubefördern. Der Junge hielt sich an Bord ständig an ihrer Seite und ließ sich von niemandem helfen. Erst als sie schließlich unten im Boot, das sie an Land bringen sollte, sicher geborgen war, kletterte der Enkel gewandt wie eine Katze zu ihr hinab. So sehr hatte er sich bemüht, ihr alle Unbequemlichkeiten zu erleichtern, daß er nicht einmal auf das kleine Paket achtgab, das schon etwas aus seiner Tasche herausgerutscht war, während er mit zugriff, um die alte Dame auf einem mit Seilen verknüpften Sitz über die Reling ins Boot hinabzulassen. Er merkte es auch nicht, als das Päckchen ganz herausglitt und ins Wasser fiel.

      Kaum war das Boot mit dem Jungen und der alten Dame nach dem Strande unterwegs, als Condon sich auf der anderen Seite des Schiffes einen Eingeborenen mit seinem Kanu heranrief. Nachdem er sich mit dem Manne über den Preis geeinigt, ließ er sein Gepäck hinab und folgte selber.

      Einmal an Land, beobachtete er aus einiger Entfernung den häßlichen zweistöckigen Bau, der sich mit der hochtrabenden Bezeichnung »Hotel« geschmückt hatte, um arglose Reisende auf seine zahllosen Unbequemlichkeiten usw. hereinfallen zu lassen. Erst als es bereits völlig dunkel war, wagte er hineinzugehen und sich seine Unterkunft zu sichern.

      In einem nach rückwärts gelegenen Zimmer im zweiten Stock erklärte der Junge seiner »Großmutter« – allerdings nicht ohne beträchtliche Schwierigkeiten –, daß er sich entschlossen habe, mit dem nächsten Dampfer nach England zurückzukehren. Er gab sich dabei die größte Mühe, um der alten Dame begreiflich zu machen, daß sie in Afrika bleiben könne, sofern sie dies wünsche. Ihn für seine Person zwinge jedenfalls sein Gewissen, sich zu Vater und Mutter zurückzubegeben; denn beide Eltern grämten sich, zweifellos jetzt bitterlich, weil er ihnen durchgegangen sei ..., woraus zu entnehmen ist, daß seine Eltern nicht in die Pläne eingeweiht waren, die ihn und die alte Dame zu ihrer abenteuerlichen Reise in die afrikanische Wildnis geführt hatten.

      Schließlich waren die beiden doch einig geworden; dem Jungen war es gleich ganz anders zu Mute, und die quälenden Gedanken wichen, die ihn manche schlaflose Nacht wie böse Geister gepeinigt hatten. Und als sich seine Augen heute zum Schlummer schlossen, träumte er von einem glücklichen Wiedersehen mit den Seinen daheim. Doch während ihm diese Träume ihre trügerischen Bilder vorgaukelten, nahte auf dem dunklen Korridor des schmutzigen »Hotels«, in dem er schlief, heimlich und auf leisen Sohlen, grausam und unerbittlich das Verhängnis, das Verhängnis in Gestalt des amerikanischen Hochstaplers Condon.

      Behutsam schlich sich der Mann an die Zimmertür, preßte sich mit dem Ohr dicht heran und horchte so lange, bis ihn die tiefen regelmäßigen Atemzüge drinnen davon überzeugten, daß die beiden fest schliefen. Ruhig steckte er dann einen schmalen Schlüssel in das Schlüsselloch, drehte ihn mit außerordentlicher Fingerfertigkeit im Schloß herum und drückte gleichzeitig die Klinke nieder. Jeder hätte ohne weiteres gesehen, daß Condon solch heimliche »Bearbeitung« von Schloß und Riegel, hinter denen sich Hab und Gut seiner Mitmenschen sicherte, lange gewohnt war. Ein leichter Druck gegen die Tür und sie glitt langsam in den Angeln nach innen. Der Mann trat ein und schloß die Tür hinter sich. Draußen schien der Mond, doch war er von Zeit zu Zeit von schweren schwarzen Wolken verhüllt. So auch jetzt: Im Zimmer herrschte nahezu völlige Dunkelheit. Condon tastete sich nach dem Bett hin, indessen sich in einer entfernten Ecke des Zimmers etwas anderes bewegte, ganz leise und noch viel vorsichtiger, als es dem gewerbsmäßigen Einbrecher trotz aller seiner Routine gelang. Condon hörte nichts davon. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das Bett, in dem er den jungen Engländer und dessen hilflose, gebrechliche Großmutter vermutete.

      Der Amerikaner wollte auch nur das Bündel Banknoten. Konnte er es an sich reißen, ohne daß man erst auf ihn aufmerksam wurde, sollte es ihm recht sein. Wenn der Junge Widerstand leistete, auch gut. Er hatte sich auf alles gerüstet. Anzug und Unterkleidung des Jungen lagen auf einem Stuhl neben dem Bett. Der Amerikaner wühlte die Sachen rasch durch: In den Taschen war nichts von einem Bündel neuer Banknoten oder dergleichen zu entdecken. Der Junge hatte es zweifellos unter dem Kopfkissen versteckt, und so trat er näher an den ahnungslos Schlafenden. Eine Hand hatte sich schon halb unter das Kopfkissen geschoben, als die große schwarze Wolke, die sich vor den Mond gelagert hatte, beiseite glitt: Helles Licht flutete in das Zimmer. Der Junge schlug im gleichen Moment seine Augen auf und blickte Condon gerade ins Gesicht. Der Mann erkannte sofort, daß der Junge allein in dem Bett lag und krallte seine Finger um den Hals seines Opfers. Der Junge richtete sich indessen in die Höhe, um sich zu wehren. Condon hörte in seinem Rücken ein dumpfes Brummen, dann riß ihn der Junge an den Handgelenken herum und bewies ihm damit deutlich, daß sich unter seinen schmalen blassen Fingern Muskeln von Stahl verbargen.

      Und noch ein paar Hände grapschten nach ihm, rauhe, behaarte Hände. Über seine Schultern kamen sie von hinten heran und langten nach seinem Halse. Condon warf einen entsetzten Blick rückwärts, die Haare standen ihm zu Berge, wie er ein riesiges menschenähnliches Affenungetüm im Angriff dicht hinter sich gewahrte. Die weitgeöffneten Fänge des Menschenaffen mußten im nächsten Augenblick seine Kehle umschnüren, der Junge hielt ihn an den Händen wie mit eisernen Klammern gefesselt, keiner von beiden gab einen Ton von sich. Wo war denn die Großmutter? Mit einem einzigen Blick suchte er das Zimmer bis in alle seine Winkel ab, und seine Augen traten ihm vor Entsetzen fast aus den Höhlen, wie ihm in jenem verzweifelten Moment ein Licht über die wahren Zusammenhänge aufging. Was waren das für furchtbare, unheimliche Wesen, in deren Gewalt er sich ahnungslos gestürzt hatte! Wie ein Rasender wehrte er sich jetzt. Es galt erst einmal den verdammten Jungen abzuschütteln, damit er dann mit voller Wucht auf das schreckliche Tier hinter seinem Rücken losgehen könne. Eine Hand hatte er schon frei, ein heftiger Schlag traf den Jungen ins Gesicht. Doch damit hatte er seine Lage nur verschlimmert: Es schien, als sei das struppige Ungetüm mit einem Male von tausend Teufeln besessen. Wütend würgte es ihn am Halse, Condon hörte noch ein tiefes wildes Brummen ... und das war auch das Letzte, was er in seinem Leben hörte. Er wurde nach rückwärts auf den Boden herabgezerrt, ein schwerer Körper wälzte sich auf ihn nieder, mächtige Zähne bohrten sich in seine Schlagader ... und seine Seele wirbelte hinüber in die schwarze Nacht am Rande der Ewigkeit. Im nächsten Augenblick erhob sich der Affe. Langhingestreckt lag sein Opfer vor ihm ... doch Condon wußte nichts mehr davon, er war tot.

      Der Junge sprang entsetzt aus dem Bett und beugte sich über den Körper des Fremdlings. Er wußte wohl, daß Akut damals Michael Sabrov in der Notwehr getötet hatte; doch was würde man hier mit ihm und seinem getreuen Affen machen, wenn man dies erfuhr? Hier im wilden Afrika, weit weg von daheim und von den Freunden? Der Junge wußte, daß auf Mord die Todesstrafe stand, er wußte auch, daß mit dem Täter der Helfershelfer dem gleichen Schicksal verfallen war. Wer sollte hier Zeuge sein, wer sollte sie beide verteidigen? Alles, alles würde gegen sie sprechen. Die Leute hier waren kaum mehr als halbzivilisiert zu nennen, es war nichts anderes

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