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zu sehen, denn vor ihm liegt ein riesiger Berg aus Pommes Frites und Würstchen. Der ganze Tisch ist voll davon. Hunderte Pommes. Dutzende Würstchen. Und dazwischen zieren Kleckse von Mayonnaise und Ketchup das Chaos. Er schmatzt laut und kaut genüsslich, während er sich noch ein paar Pommes mit den Fingern in den Mund schiebt. Sein Kinn und die Wangen sind rot und weiß verschmiert

      „Was hast du gemacht?“, fragt Hannah. „Nüschhts“, kommt aus Leos Mund, als er einfach seelenruhig weitermampft.

      „Isch hatte sooo Hunger… Nopff gedrückt“, versteht Hannah noch. „Knopf?“, fragt sie Leo. „Schluck erst mal runter!“, fordert sie ihn auf. „Ich versteh‘ kein Wort, wenn du so schmatzt. Wo kommen die Pommes und Würstchen her?“ „Hmpf. Boaaa! Sind die lecker“, antwortet Leo, nachdem er die Pommes hinuntergeschluckt hat. „Ich hab‘ auch keine Ahnung, Hannah. Ich wollte einfach das Frühstück hier fotografieren und schwupps, waren die Würstchen da. Äh… und die Pommes. Cool, oder?“, fragt er Hannah. „Welchen Knopf hast du gedrückt?“, fragt sie und nimmt die Kamera. Leo stutzt. „Ich hab‘ ein Foto gemacht, Hannah. Ich habe also keinen Knopf gedrückt, ich habe den Auslöser benutzt!“ „Welchen von den fünf?“, fragt Hannah. Leo wischt sich mit dem Ärmel seines Pullovers Ketchup aus dem Gesicht und legt ein Würstchen weg, in das er gerade beißen wollte: „Fünf? Willst du mich veräppeln?“, fragt Leo. „Schau selbst“, antwortet Hannah. Sie hält ihm die Kamera hin. Tatsächlich. Wie hatte er das nur übersehen können. Auf der oberen Seite der Kamera befinden sich fünf Auslöser. Wo sich bei normalen Fotoapparaten der Auslöser befindet, sind drei Knöpfe vorhanden, die man mit der rechten Hand bedienen kann. Für die linke Hand sind zusätzlich zwei Knöpfe auf der Oberseite der Kamera angebracht. Dazwischen ein kleiner Blitz, der etwas aus der Kamera ragt. Jeder Auslöser hat eine andere Farbe und darunter ist jeweils ein kleines Bild aufgedruckt.

      „Also, welchen Knopf hast du für die Würstchen gedrückt?“, fragt Hanna. „Rot, gelb, schwarz, blau oder den bunten?“ Leo guckt verdutzt. „Ähm… Keine Ahnung. Ich hab‘ die Kamera genommen und gedrückt.“ Er nimmt den Apparat und hält ihn so, wie er ihn kurz vorher wohl auch in der Hand hatte. „Ich glaube den hier“, sagt er und zeigt auf den roten Knopf. Hannah nickt. „Könnte stimmen. Du bist ja Linkshänder und dieser Knopf befindet sich ganz links an der Kamera“, antwortet sie. „Aber warum die Würstchen? Hast du an irgendetwas gedacht, als du das Foto schießen wolltest?“, fragt Hannah weiter. „Ja klar. Als ich die Sachen da auf dem Tisch durch die Kamera gesehen hab‘, hab‘ ich mir gewünscht, dass ich irgendwann mal Pommes und Würstchen zum Frühstück essen kann. Und schon waren die leckeren Sachen da“, erklärt Leo. „Komisch, oder?“ „Ja, sehr seltsam“, antwortet Hannah. Sie nimmt die Kamera wieder in die Hand und schaut sich das Geschenk ihres Onkels nochmal genauer an. Vorne eine große Linse, das Objektiv schwarz. Die Front des Fotoapparates wirkt recht alt, aber schön und stilvoll. Auf der Rückseite dieses riesige, glatte Display. Und dann diese komischen Zeichen und Knöpfe dazu! „Wofür braucht eine Kamera fünf Auslöser?“, fragt sich Hannah.Sie ist sich sicher, dass sie das Bild von der Vase vor einigen Minuten mit dem äußersten Auslöser auf der rechten Seite gemacht hat. Dass sie ihren Zeigefinger wie bei einer ganz normalen Kamera benutzt hat. Vermutlich hat sie auf den regenbogenfarbenen Knopf gedrückt. Und dann war die Vase wieder heil. Unter dem Regenbogenknopf erkennt Hannah eine Sanduhr. Unter dem roten Auslöser, den Leo verwendet hat, ist ein Herz gemalt. Daneben ist ein gelber, unter dem ein Schlüsselloch-Symbol zu sehen ist. In der Mitte ein schwarzer Knopf, darunter ein Pinsel. Und dann ist da noch ein blauer Auslöser, der sich zwischen dem schwarzen und dem regenbogenfarbenen Knopf befindet. Darunter ist eine Art Kompass gezeichnet. Hannah grübelt und drückt auf den Wiedergabe-Knopf auf der Rückseite der Kamera. Auf dem Display erscheint wieder ein zweigeteiltes Foto. Auf der einen Seite sieht man den Frühstückstisch, wie ihn Hannahs Mutter angerichtet hat. Schokocornflakes. Orangen. Brötchen. Gekochte Eier. Auf der anderen Seite ist derselbe Tisch mit Pommes und Würstchen zu sehen.

      „Leo, ich hab zwar keine Ahnung, was dieses Ding hier alles kann, aber ich glaube, wir sollten es herausfinden“, sagt Hannah, schaut durch die Kamera auf den Frühstückstisch und macht ein Foto. BLITZ!

      „Hey, wo sind meine Pommes hin?“, schreit Leo. Er reibt sich die Augen. Der Blitz der Kamera hatte den Raum für eine Sekunde grell erleuchtet. „Wie hast du das gemacht?“, fragt Leo. „Ich hab‘ ein Foto vom Tisch gemacht. Mit dem roten Auslöser. Und mir einfach gewünscht, dass hier wieder Ordnung herrscht“, antwortet Hannah. Sie schaut selbst verblüfft. „Hat funktioniert“, sagt sie und grinst.

      Ollopa2 Sie schwenkt die Kamera herum, während sie ihr offenes Auge am Sucher hat. „Was machst du?“ fragt Leo. „Ich will die anderen Knöpfe ausprobieren“, sagt sie, stoppt abrupt ihre Drehbewegung und zoomt mit der Kamera auf eines der Frühstückseier, die in den Eierbechern auf dem Tisch stehen und wahrscheinlich schon ganz kalt sind. BLITZ!

      Plötzlich gackert es. Ein Huhn steht neben Leos Orangensaftglas und blickt ihn verdutzt an. Leo schreit laut und fällt fast von seinem Stuhl, als er vor Schreck ein Stück nach hinten rutscht. Die Henne flattert mit den Flügeln, springt vom Tisch und versteckt sich darunter. Hannah lacht laut. „Du müsstest mal dein Gesicht sehen!“, ruft sie. „Das Ding ist ja megawitzig! Schau, ich hab das Ei fotografiert, den Regenbogenauslöser gedrückt und mir vorgestellt, wie das in ein paar Wochen aussehen könnte!“, erklärt Hannah. Leo schaut ungläubig. „Und das heißt jetzt?“, fragt er. „Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, mit der Kamera kann man irgendwie Wünsche erfüllen“, sagt sie. „Und ich glaube, dass es davon abhängt, was man gerade fotografiert und dabei denkt“, meint Hannah. „Schau, dein Ei ist weg. Dafür ist ein Huhn da. Witzig, oder? Ich habe nur den Regenbogenknopf gedrückt.“ Tatsächlich. Leos Ei steht nicht mehr im Eierbecher. Dafür hören beide ein aufgeregtes Gackern. Hannah geht in die Hocke und kriecht mit dem Fotoapparat auf allen Vieren unter den Tisch. BLITZ!

      Hannah streckt Leo ein Ei entgegen. „Das gehört dir, oder?“, scherzt sie und lacht. Leo nimmt das Ei, schaut es mit großen Augen an und stellt es wieder in den Becher. „Ich glaube, ich ess‘ nie wieder Eier!“, sagt er etwas angewidert. „Jetzt bist du dran, Leo! Fotografiere etwas und stelle dir etwas Witziges dabei vor!“, fordert Hannah ihn auf. Leo schaut sich in der Küche um. „Ich hab’s“, ruft er und hält sich die Kamera vors Auge. Er steht auf, dreht sich um und nimmt das kunterbunte Gemälde, das hinter ihm an der Wand hängt, in den Fokus. BLITZ!

      Das Bild ist weg. „Hä?“, kommt es aus seinem Mund. „Was hab ich jetzt gemacht?“, fragt er Hannah. „Das weiß ich doch nicht. Was hast du dir gewünscht?“ fragt ihn Hannah. „Na, dass dieses komische Bild da auf dem Kopf steht. Deine Mutter hat immer gesagt, das sei moderne Kunst. Seitdem ich es das erste Mal gesehen habe, dachte ich mir, dass die bunten Farbkleckse eigentlich verkehrt herum hängen. Jetzt wollte ich es umdrehen“, erklärt er. „Tja, jetzt ist es weg. Bist du dir sicher, dass du dir das gewünscht hast, und nicht, dass es verschwinden soll, weil es dir nicht gefällt?“, fragt Hannah. „Nein. Ich hab‘ mir genau vorgestellt, wie toll es anders herum aussehen würde und dass es doch bitte umgedreht da hängen soll“, sagt Leo zickig. „Dann versuche ich es eben noch einmal.“ Er dreht sich mit der Kamera um und fotografiert die Lampe, die über dem Küchentisch hängt. BLITZ!

      Vom Licht geblendet reibt sich Hannah die Augen. „Hä, warum hast du dir das Gemälde an die Lampe gewünscht?“, fragt sie. An der Küchenleuchte baumelt das Bild, das vor wenigen Augenblicken noch an der Wand hing, hin und her. „Ähm… das hab‘ ich doch gar nicht! Ich hab‘ mir statt dieser modernen Leuchte einen echten Kronleuchter mit Kerzen gewünscht“, erklärt Leo. „Irgendwie funktioniert deine Theorie nicht, Hannah“, sagt er sichtlich enttäuscht und schiebt die Kamera wieder zu Hannah, die mittlerweile auf dem Stuhl neben Leo kniet und sich am Kopf kratzt. „Welchen Auslöser hast du gedrückt?“, fragt sie Leo. „Vielleicht funktionieren ja nicht alle Auslöser gleich“, vermutet sie und schaut sich auf dem Display erneut ein zweigeteiltes Foto an. Auf der linken Seite ist das Gemälde an der Wand zu sehen. In der Mitte ein weißer

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