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Im Schatten der Lady Cumberland. Nina Hutzfeldt
Читать онлайн.Название Im Schatten der Lady Cumberland
Год выпуска 0
isbn 9783847692942
Автор произведения Nina Hutzfeldt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ja, entschuldige.« Lara krabbelte über den Teppich und hob den Brief auf. »Er ist wirklich sehr nett geschrieben.«
»Nett?« Er setzte sich vor sie. »Ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Ich habe einfach geschrieben, was mein Herz mir sagte. Charlene hat mir geholfen.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
»Ich liebe dich wirklich und hoffe, dass du mich auch gern hast.« Er nahm ihre Hand.
»Du bist wirklich sehr nett und ich mag dich, aber ich kenne dich überhaupt nicht.«
»Aber du kannst mich kennenlernen. Wenn du willst, werde ich dir die Sterne vom Himmel holen.«
»Natürlich können wir uns kennenlernen. Aber ich möchte dich nicht lieben lernen, nur weil du Geld hast oder weil du in einem Schloss lebst oder weil du einen Titel hast. Wenn überhaupt, möchte ich dich als Menschen lieben lernen.«
»Darf ich dich denn küssen?« Seine Augen glühten wie Kohlen im Feuer.
Lara sagte nichts, sondern schloss die Augen und spürte die warmen Lippen des jungen Lords auf ihren.
Kapitel 4
Somerset, Januar 1956
An der Stelle, an der sich der Bristolkanal in der Keltischen See verliert, stand ein großes Herrenhaus mit vielen Türen und Fenstern. Das Haus spiegelte sich in voller Pracht im glatten Eis, das sich auf den Kanal gebildet hatte. Die Wolkendecke versteckte die Sonne, so dass es am Tag nicht richtig hell wurde. Die Köchin Marjoire hatte gerade den Braten in den Ofen geschoben, als es draußen an der Tür polterte.
»Ja, bitte. Bist du das, George?« Sie blickte über ihre Schulter. Ihre Hände kneteten gerade den Teig für den Kuchen, den die Herrschaften zum Tee bekommen sollten. Es klopfte erneut.
»George, ich mache gerade Essen.« Seufzend klopfte sie sich die Hände an der Schürze ab und öffnete die Tür, die zum Küchengarten führte. Von dort hatte man das gesamte Land bis zu den hohen Bäumen im Blick, aber die Bäume versperrten die Sicht auf das Wasser. An stürmischen Tagen konnte man die Wellen hören, wenn sie wütend gegen die Felsen schlugen.
»George ich hab dir doch...« Marjoire stutzte. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit zwei Teenagern, die sich eine Decke über den Kopf hielten. Sie blickte zum Himmel. Es hatte zu nieseln begonnen. »Ja, bitte?« Was wollten die beiden Kinder? »Kann ich euch helfen?« Sie legte den Kopf schief.
»Wir wollten Sie um einen trockenen Platz zum Schlafen bitten. Wir haben so lange nicht richtig geschlafen. Das Haus ist so groß.« Das Mädchen blickte zu den oberen Stockwerken. Marjoire seufzte stumm. Was sollte sie machen? Die Herrschaften, besonders die Lady, mochten keine unangekündigten Gäste in ihrem Haus. Aber die zwei waren so mager und erschöpft.
»Na gut. Kommt erstmal rein und wärmt euch am Kamin.« Sie ließ die Kinder eintreten. Verloren standen sie in der großen Wohnküche. Auf dem Tisch lagen die Dienstpläne, die Marjoire noch bearbeiten musste. Die Küchenhilfen wollten fast immer zu den ungünstigsten Zeiten ihren freien Tag bekommen. Es war schwer, darüber zu entscheiden und meistens war am Ende die Köchin die Böse. »Ich mache euch einen heißen Kakao. Setzt euch.«
Die Kinder setzten sich und legten ihre Decke über den Stuhl. Der Junge hielt seine Hände vors Feuer. Er hatte noch kein Wort gesprochen.
»Woher kommt ihr?«
»Wir sind mit dem Schiff nach England gekommen.«
»Und von wo aus ist das Schiff abgefahren?«
»Aus New York.«
»Ach so.« Marjoire stellte die Becher auf den Tisch und tat ein wenig Sahne auf den Kakao.
»Danke.«
Die Zwischentür, die von der Küche in den Korridor führte, wurde aufgestoßen und ein junges Mädchen mit einem Silbertablett betrat den Raum. Sie hatte leuchtend blaue Augen.
»Du glaubst gar nicht...« Cady verstummte, als sie die beiden Teenager sah. »Oh, du hast Besuch?«
Cady trug ein schwarzes Kleid mit einer weißen kurzen Schürze. Das Haar hatte sie unter einer Haube versteckt, die ebenfalls weiß war.
»Ja, das sind...« Marjoire deutete mit der Hand auf die beiden Kinder. »Wie heißt ihr eigentlich?« Sie runzelte die Stirn.
»Ich bin Emma und das ist mein Bruder Henry.«
»Das sind ja hübsche Namen. Ich bin Marjoire und das hier ist Cady. Cady serviert den Herrschaften das Essen.«
Mit einer gekonnten Geste, wie es ansonsten nur die Lady hätte tun können, brachte Cady Marjoire zum Schweigen. »Ich bin sozusagen das Mädchen für alles.«
»Ich habe die beiden vor der Tür gefunden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, deswegen habe ich ihnen für kurze Zeit Obhut gewährt«, erklärte die Köchin Cady.
»Mir ist es gleich. Nur wenn Mr. Harrisson das herausbekommt, wissen es die Herrschaften sofort.«
»Ich weiß.« Marjoire setzte sich und legte ihr spitzes Kinn in die Innenseite der Hand.
»Und was machen wir jetzt?« Cady stellte das Tablett auf die Arbeitsplatte. »Wo wollt ihr denn hin?« Sie wandte sich den Kindern zu und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nur nach England. Unsere Mutter sagte, dass es uns hier besser gehen würde.«
»Hat sie euch nicht eine Adresse genannt oder einen Namen? Irgendjemand muss euch doch aufnehmen.«
Marjoire stand auf und lief zum Ofen. Der Braten roch lecker und konnte aus dem Herd genommen werden.
»Unsere Mutter hat einer Freundin vertraut und uns ihr mitgegeben. Sie dachte, dass man ihr vertrauen könnte, aber sie hat uns in New York einfach auf ein Schiff gesetzt und kam nie zurück.«
»Sie ist nicht mitgekommen?«
Emma schüttelte den Kopf. »Nein. Wir dachten, dass sie wiederkommt. Als das Schiff abgelegt hatte, haben wir sie gesucht.«
»Was ist denn hier los?«, fragte eine scharfe Stimme. Marjoire und Cady stellten sich gerade hin.
»Mr. Harrisson. Was machen Sie denn schon hier unten?«
»Ich wollte Ihnen mitteilen, dass die Herrschaften sich gleich zu Tisch begeben.«
»In Ordnung. Der Braten ist fertig.« Marjoire rührte das Gemüse um, denn das war noch nicht gar.
»Sie haben Besuch?« Mr. Harrisson schielte durch seine kleine Brille, die auf seiner großen Nase sehr verloren wirkte.
»Ja, das sind Emma und Henry. Sie kamen zu uns auf der Suche nach Arbeit.« Cady atmete tief aus. Gut, dass Marjoire so schnell reagierte.
Mr. Harrisson nickte. »Haben wir nicht gerade ein Mädchen entlassen müssen?«
Cady und Marjoire nickten. Es tat ihnen leid, um ihre ehemalige Kollegin, denn sie hatten sie sehr ins Herz geschlossen.
»Kannst du putzen?«, fragte Mr. Harrisson. Mittlerweile hatte er seine Hände hinter den Rücken gelegt.
Emma nickte. »Und mein Bruder kann gut im Garten arbeiten.«
Henry nickte auch.
»Vielleicht braucht George Hilfe auf dem Gut?« Marjoire schaute zu Mr. Harrisson.
»Ja, vielleicht. Ich werde es mit dem Lord besprechen. In der Zwischenzeit können Sie den beiden etwas über die Familie und ihre Tätigkeiten erzählen.«
»In Ordnung.« Marjoire stellte das Gas eine Stufe niedriger.
»Das Anwesen gehört seit Jahrzehnten der Familie Cumberland. Sie haben ziemlich großen Einfluss auf die Menschen. Ihr Geld