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Im Schatten der Lady Cumberland. Nina Hutzfeldt
Читать онлайн.Название Im Schatten der Lady Cumberland
Год выпуска 0
isbn 9783847692942
Автор произведения Nina Hutzfeldt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ich kann nicht. Ich ...« Tränen stiegen Lara in die Augen.
»... du kannst Marcel nicht betrügen?« Christin hatte erraten, was Lara die ganze Zeit auf der Seele gelegen hatte. »Versteh es doch endlich: Er wird nicht zu dir zurückkommen.«
Nach der kühlen Dusche rubbelte Lara sich ab und zog sich eine leichte Strickjacke über das dünne Top. Die Haare ließ sie locker über die Schultern gleiten. In ihre kleine Reisetasche war nur das Nötigste eingepackt. Ein Rock, ein Pullover, eine dickere Strickjacke, Kulturtasche, Socken und neue Unterwäsche.
Die Zugfahrt verlief ohne weitere Komplikationen. Es dauerte zwar fast zwei Stunden, doch sie hatte sich genügend Zeitungen gekauft, um sich nicht zu langweilen. Am Bahnhof musste sie in ein Taxi umsteigen, das sie direkt vor dem Flughafenterminal absetzte.
Am Schalter legte sie ihr Ticket und ihren Ausweis vor. Sie beobachtete einen der Mitarbeiter dabei, wie er ihre Reisetasche mit einer Nummer versah und auf ein Laufband stellte.
»Sie gehen zum Oberdeck und halten sich an die Ausschilderung.« Die Dame hinter dem Schalter lächelte sie mit schiefen Zähnen an. Ihr strähniges Haar hatte sie unter einer Kappe verschwinden lassen, so dass sie nicht allzu unansehnlich wirkte.
»Danke.« Lara tat, wie ihr geheißen, und folgte der Ausschilderung bis zum Flieger. Durch den Metalldetektor kam sie ohne Probleme.
Mit offenem Mund starrte eine der Stewardessen sie an, als sie nach ihrem Sitz fragte. »First Class?« Sie zog die Stirn in Falten, als würde sie fragen: Wie hast du dir das Ticket denn erschlafen? Aber Lara ignorierte ihre Anspielung und wartete, bis ihr ein Platz zugewiesen wurde. Der Start war holprig und Lara wurde langsam mulmig zumute. Es war, als würde eine fremde Hand sie führen. In eine neue Welt, in ein Abenteuer, das sie nie vergessen sollte. Lara machte sich Gedanken darüber, wie sie sich verständigen sollte. Ihr bisschen Schulenglisch, das sie vor längerer Zeit gelernt hatte, reichte nicht mal aus, um sich etwas zu trinken zu bestellen, geschweige denn, nach dem Weg zu fragen.
Erst als der Kapitän die Landung ankündigte, blickte Lara von ihrer Zeitschrift auf. Obwohl die Sonne schien, legte sich der Smog wie eine dicke Luftblase um London. Es sah aus, als ob er die Stadt zu ersticken drohte. In einer Stadt dieser Größenordnung gab es mehr Abgase, mehr Müll. Es würde anders sein als in Flensburg. Lara bekam Angst. Was wäre, wenn Daniel sie nicht abholte oder er überhaupt nicht der nette Mann von nebenan war? Vielleicht war er auch ein Mörder, ein Schlepper, der sich auf diesem Weg junge Frauen einlud, um sie an Unterhändler zu verkaufen? Junge, frische Jungfrauen. Aber dafür war Lara ja schon zu alt.
Das Flugzeug hielt an und Lara schloss sich der Masse an, die dicht gedrängt zu den Laufbändern watschelte. Ihre kleine Reisetasche fuhr einige Runden im Kreis, bis Lara sie erreichte. Mit prüfendem Blick zählte sie die Sachen im Inneren nach, um auszuschließen, dass sich Plünderer ans Werk gemacht hatten.
»Oh Mann, Lara. Bist du so paranoid oder tust du nur so?«, hörte sie ihre Schwester Janet sagen. Und da fiel ihr das Treffen am Sonntag ein. Seit langem wollten die beiden Schwestern ihre Mutter in ihrer kleinen Einzimmerwohnung besuchen, auch weil sie sich schon so lange nicht mehr gesehen hatten. Und nun würde Lara nicht dabei sein können.
Sie konnte Janet nicht einmal mehr absagen, denn eine SMS würde zu teuer werden. Vielleicht hatte Daniel Internetzugang, so dass Lara Janet über Facebook eine Nachricht zukommen lassen konnte. Warum überlegte sie eigentlich? Daniel musste einen Internetzugang haben. Er soll doch schließlich reich sein. Lara musste an Annika denken und an ihre Aufregung. Am liebsten hätte sie ihr die Tickets in die Hand gedrückt und gesagt, dass sie doch fliegen sollte, aber das wollte sie dann doch nicht tun. Annika hatte ihr Aufträge erteilt und Lara wollte versuchen diese, so gut es ging, zu erledigen.
Kapitel 3
Suchend schaute Lara sich in der großen Halle um. Daniel war nirgends zu sehen. Ihr Herz zog sich zusammen und sie presste die Lippen aufeinander, damit man ihr die aufsteigende Unsicherheit nicht anmerkte. Gruppen von Menschen passierten die großen Rundbögen und strömten zu den Taxis vor dem Gebäude. Und dann erblickte sie ein großes Schild, auf dem ihr Name stand. Ein junger Mann im Nadelstreifenanzug hielt es hoch. LARA REICHELT stand dort in Großbuchstaben.
»Hallo...«, sagte der Unbekannte und winkte Lara zu. »Schön, dass Sie da sind. Daniel wird sich sehr freuen.« Sein britischer Akzent war nicht zu überhören.
»Wo ist Daniel?« Lara reckte den Hals, konnte ihn jedoch nicht entdecken.
»Er bedauert, Sie nicht selbst abholen zu können, aber ein wichtiger Anruf hat ihn aufgehalten. Ich werde Sie zu ihm bringen.« Er nahm ihr die Tasche ab. »Ich bin übrigens Gary.«
Lara folgte Gary nach draußen, wo ein großer, schwarzer Mercedes auf sie wartete. Diese Automarke war nicht nur in Deutschland beliebt. Gary öffnete die Tür hinter dem Beifahrer und ließ Lara einsteigen. Danach gesellte er sich zu ihr.
Während der Fahrt blickte Lara durch die verspiegelten Fenster hinaus. London war so schön. Am liebsten hätte sie sich jetzt in einen der vielen Doppeldeckerbusse gequetscht und eine Stadtrundfahrt gemacht, mit einem Führer, der viel zu klein war und dazu noch eine piepsende Stimme hatte. Stattdessen saß sie in dem stickigen Wagen.
»Bevor wir vorfahren, möchte ich Ihnen ein paar Regeln nahebringen.« Gary blickte auf seine Hände.
»Die da wären?« Lara stemmt ihre Hände links und rechts neben sich auf das weiche Sitzpolster.
»Wenn Sie den Lord oder die Lady treffen, werden Sie vor ihnen Knicksen. Sie werden nie zuerst sprechen und den Cumberlands niemals widersprechen. Ich glaube, wenn Sie sich fürs erste an diese drei Regeln halten, werden Sie gut durchkommen.«
Lara musste Schlucken. Dabei hörte es sich doch gar nicht so schlimm an. Der Wagen passierte ein schmiedeeisernes Tor, das sich unter quietschendem Protest langsam öffnete. Sie fuhren geradewegs auf ein breites Rondell zu und hielten vor einem großen Herrenhaus.
»Wow, das ist aber groß.« Lara reckte den Kopf, um besser sehen zu können. Gary öffnete die Tür und ließ Lara hinaus. Sechs Stufen stieg sie hinauf, bis sie auf dem Podest stand und dann nochmal drei, um an die große Eichenholztür klopfen zu können, die mit ihren zwei Fenstern und dem Türklopfer in der Mitte einer Eule ähnelte. Das Haus hatte drei Stockwerke und einen Dachboden. Jeweils vier Fenster streckten sich dem Neuankömmling entgegen. Es war, als würde jemand sie beobachten. Ein Butler namens Alfred öffnete. Wie sollte es auch anders sein. Den Namen Alfred verband sie immer mit einem Butler oder Diener. Er musterte sie durch seine schmierigen Brillengläser und nickte ihr zu. Vorsichtig wurde Lara von Gary durch das Eingangsportal geschoben und unter dem prachtvollen Kronleuchter abgestellt. Der Kronleuchter schien in der Luft zu schweben. Er spendete Licht und ließ die goldenen verzierten Säulen erstrahlen.
»Ich werde Daniel Bescheid geben. Warten Sie bitte hier auf mich.«
Nickend blieb Lara zurück. Ihre Reisetasche hatte sich Alfred unter den Arm geklemmt, der gerade mit ihr die gewundene, stilvolle Treppe erklomm, die sich wie Efeu in den ersten Stock emporschlängelte. Das Treppengeländer mit den vielen bronzefarbenen Kugeln musste sicher jeden Tag abgestaubt und poliert werden, damit es so glänzte, wie Lara es jetzt vor sich sah.
Ein leichter Windhauch ließ ihre Haare erzittern und als dann noch ein junges Mädchen mit schwarzen Haaren und kastanienbrauner Haut die Treppe herunter kam, begann sich ihr Magen zusammenzuziehen. Sie lächelte und entblößte makellose, weiße Zähne. Solche Zähne hatte Lara noch nie zuvor gesehen. Sie schien über den teuren Marmorfußboden zu schweben, denn ihre High Heels hinterließen keinen Laut.
»Hallo, ich bin Charlene. Du musst Lara sein«, stellte sich das Mädchen in sehr gutem Deutsch vor. Lara nahm die ausgestreckte Hand entgegen und schüttelte sie.
»Ja, stimmt«, lächelte sie zaghaft.
»Nicht so schüchtern.