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Spaghetti extra scharf. Vera X
Читать онлайн.Название Spaghetti extra scharf
Год выпуска 0
isbn 9783738013405
Автор произведения Vera X
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ich kaufte die Pistole, um sie zu behalten. Für meinen Neffen fand ich ein rotes Feuerwehrauto mit Drehleiter und batteriebetriebener Sirene.
Jetzt war ich bei meinem Dienst in der Tankstelle bewaffnet. Die Pistole lag immer griffbereit unter dem Tresen neben der Kasse.
Es kam die Nacht, in der ein jugendlicher Flegel mit Lederjacke und zu viel Pomade in den Haaren durch die Eingangstür trat. Ich wusste sofort, dass es Ärger geben würde. Dafür hatte ich eine Nase.
Nachdem er umständlich zwei Dosen Cola aus einem Regal gefischt hatte, steuerte er mit selbstbewusster Miene auf mich und die Kasse zu. Was er an Alter nicht vorzuweisen hatte, versuchte er mit einem forschen Auftreten wieder auszugleichen. Er zog eine Pistole aus der Jackentasche und hielt sie mir vor die Brust.
„Gib mir das Geld, Alter, oder du bist tot.“
Er schaffte es gerade noch, den Satz zu beenden. Blitzschnell zog ich als Antwort meine Pistole unter dem Tresen hervor. Es war eine Reflexhandlung. In der Situation blieb mir keine Zeit mehr, nachzudenken. Erst hinterher kam mir in den Sinn, was alles hätte passieren können.
Zu meiner Überraschung wirkte es. Der Jüngling war ganz schnell zur Tür hinaus und auf nimmer Wiedersehen verschwunden.
Ich rief die Polizei. Die Überwachungskammer, die nachts immer eingeschaltet war, lieferte brauchbare Bilder, die meine drastischen Schilderungen des Tathergangs eindrucksvoll ergänzten.
Bei den Kollegen von der Tagschicht gab es kein anderes Gesprächsthema mehr. Mein Chef lobte mich für meinen tapferen Einsatz. Er drückte mir eine Großpackung mit Zigaretten in die Hand. „Das geht aufs Haus“, sagte er und klopfte mir auf die Schulter. „Für unseren besten Mitarbeiter.“
Meinen miesen Stundenlohn erhöhte er leider nicht.
Ein Held mit leeren Taschen ist eine traurige Figur. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Ich durfte für andere den Kopf hinhalten. Der Dumme dabei war ich. Zugegeben, man kann sich nicht immer die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken. Aber es gibt einem dann doch zu denken, wenn die Kuchenstücke regelmäßig von anderen gegessen werden, und man selber soll mit den Krümeln zufrieden sein, die übrig bleiben.
Unser Chef hatte alles richtig gemacht. Der besaß einen Bungalow in einem der Nobelviertel von Düsseldorf.
Langsam reifte in mir der Gedanke, dass die Gesellschaft mir etwas schuldig geblieben war. Und ich wollte nicht warten, bis jemand auf die Idee kam, es mir zu geben. Ich hatte einen Plan.
2. Kapitel
Ich erinnerte mich an jenen Ort am Niederrhein, wo ich einmal einen Kurzurlaub verlebt hatte. Untereschenbach hieß das kleine, verträumte Nest, etwa vierzig Kilometer von Düsseldorf entfernt. Am Wochenende fuhr ich wieder hin und sah mich dort um.
In Untereschenbach lebten damals genau 2575 Einwohner. Schmucke Fachwerkhäuser. Kopfsteinpflaster auf engen Straßen, durch die sich tagsüber Schlangen von Pkws quälten. Im Mittelalter ahnte man noch nichts von unseren perversen Lebensgewohnheiten.
Alles war gepflegt und picobello. Eine wohlhabende Gemeinde.
Den Mittelpunkt bildete der Marktplatz mit einem Märchenbrunnen. Ein tanzender Zwerg mit Zipfelmütze hielt einen Krug aus Blech in der Hand, aus dem sich unaufhörlich ein Wasserstrahl in ein rundes Becken ergoss. Über Geschmack lässt sich schlecht streiten.
Viele kleine Geschäfte waren herausgeputzt für die Touristen, die im Sommer in die Stadt einfielen und ihr Geld hier ausgaben. Eine sichere Einnahmequelle für die Ladenbesitzer und den Stadtsäckel.
Untereschenbach war Ausgangspunkt für laufwütige Besucher, die Tagesausflüge in die fraglos schöne Umgebung machen wollten. Manche kamen allein, andere mit einem Wanderverein.
Eine Boutique neben der anderen. Die Leute hatten scheinbar nichts anderes zu tun, als mit überflüssigem Geld Klamotten einzukaufen. Dazwischen luden Restaurants dazu ein, den verbliebenen Rest bei gutbürgerlichem Essen und Trinken zu verprassen.
Eine Bäckerei lockte mit ofenfrischen Brezeln. Ich kaufte zwei davon. Das erlaubte mein schmaler Geldbeutel gerade noch.
Mich interessierten andere Sehenswürdigkeiten. Es gab da eine Sparkasse, die meine Aufmerksamkeit erregte. Ich betrat den Schalterraum. Als harmloser Tourist füllte ich eine Überweisung aus, während ich aus den Augenwinkeln die Räumlichkeiten sondierte.
Außer der Kassiererin gab es nur drei Angestellte, die damit beschäftigt waren, Kunden mit überflüssigen Informationen vollzuquatschen oder Kreditanträge auszufüllen.
Die nächste Polizeidienststelle befand sich im Nachbarort Obereschenbach. Das mussten mindestens fünfzehn Minuten Fahrtzeit sein. Eine kleine Seitenstraße führte aus dem Ort hinaus und zum Bahndamm. Hinter Büschen und dichtem Gestrüpp konnte man sich gut verstecken. Für meine Zwecke war das geradezu ideal.
Ich hatte gesehen, was ich sehen wollte, und machte mich wieder vom Acker.
Eine Woche später. Am Morgen trat ich mit einer großen Segeltuchtasche unter dem Arm aus der Haustür und fuhr wieder nach Untereschenbach.
Im Zug suchte ich bald die Toilette auf. Dort machte ich eine erstaunliche Verwandlung durch. Mit grauhaariger Perücke und Schminke war ich um mindestens zwanzig Jahre gealtert. Ich schlüpfte in eine blaue Latzhose, die nicht ohne Absicht etwas zu groß geraten war. Die Lücken hatte ich mit Schaumstoff gefüllt. Ein netter, korpulenter Herr um die fünfzig. Gutmütig und harmlos. So kehrte ich wieder in das Zugabteil zurück.
Ein kleines Mädchen mit roter Strickweste spielte mit seiner Puppe. Die langen, schwarzen Haare waren am Hinterkopf zu einem Zopf gebunden, an dessen Ende eine Haarspange mit einer rosa Quaste bei jeder Bewegung hin und her baumelte.
Gelangweilt popelte die Kleine in einem Nasenloch, während sie alles in ihrer Umgebung genau registrierte.
Später erzählte sie der Mutter, sie hätte einen Mann in die Toilette gehen sehen. Es wäre aber ein ganz anderer Mann wieder herausgekommen. Die Mutter beachtete es nicht. Vorläufig jedenfalls nicht. Kinder haben Fantasie und erfinden gerne Geschichten.
„Das kommt vor“, sagte sie und blätterte weiter in einer Zeitschrift.
Davon bekam ich nichts mit. In Untereschenbach stieg ich aus dem Zug und lief wieder zum Marktplatz. Ich setzte mich auf eine Bank und packte in aller Seelenruhe belegte Brote aus. Ein Handwerker, der auf seine Kollegen wartete und die Zeit für eine Mahlzeit nutzte.
Von hieraus konnte ich die Sparkasse gut beobachten. Mehrere Kunden betraten das Gebäude und verließen es wenig später wieder. Ich hatte es nicht eilig und kaute bedächtig an meinem Käsebrot.
Die Turmuhr des historischen Rathauses schlug. Es war zwölf Uhr am Mittag. Ich erinnerte mich an Filme, in denen jetzt die entscheidende Szene folgte. Der unvermeidliche Showdown. Schließlich war John Wayne auch nur Schauspieler mit einer Spielzeugpistole im Halfter.
Einer der Angestellten verließ die Sparkasse. Wahrscheinlich der Filialleiter. Mittagspause. Ich wartete noch ein paar Minuten. Dann erhob ich mich schwerfällig, meinem neuen Alter angemessen. Breitbeinig schritt ich hinüber. Ich betrat die Sparkasse und stellte mich an der Kasse hinter einer Kundin an, die gerade ihr Sparbuch erleichterte. Ich war gut erzogen. Dann kam ich an die Reihe. Ich legte eine Plastiktüte auf den Tresen und zog die Pistole aus der Tasche.
„Überfall! Alles Geld her! Schnell!“
Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn einer der Angestellten auf die Idee käme, Widerstand zu leisten. Eine leichte Krümmung meines Zeigefingers am Abzug, und ein Wasserstrahl würde dem Spielverderber ins Gesicht sprudeln und schließlich in einem dünnen Rinnsal auf Kragen und Jacke tropfen. Aber es leistete niemand Widerstand.
Die Kassiererin brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was ich von ihr wollte. Sie hatte noch keine Erfahrung mit Überfällen. Dann reichte sie mir mit