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Spaghetti extra scharf. Vera X
Читать онлайн.Название Spaghetti extra scharf
Год выпуска 0
isbn 9783738013405
Автор произведения Vera X
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Da standen wir, drei erwachsene Männer, mindestens doppelt so alt wie Heinrich und mit einer Berufsausbildung. Wir kamen uns vor wie Statisten, die versehentlich in den falschen Film geraten waren.
Man traute uns nicht, was sich vor allem morgens unangenehm bemerkbar machte. Die Tür zum Personalbereich war mit einem Zahlenschloss gesichert. Hinein kam nur, wer die richtige Nummer auf einer Tastatur eintippte. Als Aushilfskräfte durften wir die nicht wissen, obwohl der Nummerncode alle vierzehn Tage geändert wurde.
Es war Februar. Vor Geschäftsbeginn standen wir oft zu dritt in klirrender Kälte und in dicke Wollschals eingehüllt vor der Tür und warteten, bis jemand der Angestellten zu erscheinen geruhte. Wen wundert es, dass wir manchmal spät dran waren.
Ich machte meine Arbeit so gut ich konnte. Sie behielten mich nur vierzehn Tage. Ich wechselte die Jobs wie reinliche Leute ihre Hemden und Socken. Bald störte es mich nicht mehr. Ich behielt meine gute Laune und lernte die Spielregeln schnell. Bei Frau Greifer machte ich dazu ein unschuldiges Gesicht.
„Ich weiß auch nicht, warum es nie richtig klappt“, sagte ich dann. Und das war die Wahrheit. Ich weiß es bis heute nicht.
Ich bekam regelmäßig mein Arbeitslosengeld und bemühte mich, die Scherben meines Lebens zusammenzuhalten.
Dann wurde es kritisch. Man hatte meine Umschulung genehmigt, und es gab einen Malermeister, der einen Lehrling suchte. Aus mir unverständlichen Gründen hatte er Gefallen an meiner Person gefunden. Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen, um dieses drohende Unheil abzuwenden. In so einem Fall ist es von Vorteil, wenn einer vom Theater kommt.
Zum Vorstellungsgespräch erschien ich pünktlich, mit weißem Hemd, Krawatte und geputzten Schuhen. Eben das ganze Programm.
Das Büro der Malerwerkstatt befand sich im Erdgeschoss eines Mietshauses. Ein typischer Neubau aus den Sechzigerjahren. Der Hauseigentümer musste farbenblind sein. Der schmucklosen Fassade hatte man im unteren Teil Kacheln in einem geschmackvollen Schwarz verpasst, die bis über die Eingangstür reichten. Was billig war, sollte zumindest edel aussehen. Ein Schild aus Messing neben der Tür: >Malerbetrieb Egon Zierlich<. Durch ein geöffnetes Rolltor konnte ich in den Innenhof sehen. Farbeimer stapelten sich dort neben Leitern in verschiedenen Größen. Das sollte mein neues Leben sein. Nee, nich mit Rudi.
Ich klingelte an der Haustür. Der Meister empfing mich höchstpersönlich mit einem kräftigen Händedruck und den üblichen dämlichen Sprüchen.
„Haben Sie denn gut hergefunden?“
„Ja danke. Es hat alles wunderbar geklappt.“
Von meiner Wohnung brauchte ich zehn Minuten mit der Straßenbahn.
„Das ist nett, dass Sie die Zeit erübrigen konnten zu einem Gespräch.“
Ich lächelte und spielte den netten jungen Mann.
Der Meister war ein Durchschnittsmensch. Mittelgroß. Das blanke Schädeldach wurde von einem letzten Rest schwarzer Haare eingerahmt. Unter dem üppigen, schwarzen Oberlippenbart blitzten mich große, zitronengelbe Zähne an.
Raubtiergebiss? Eher Teppichwolf, domestiziert, dachte ich.
Er trug eine braune Cordhose. Die Hemdsärmel hatte er lässig hochgekrempelt. Ihm gegenüber stand ich, chemisch gereinigt und mit akkurat gezogenem Scheitel.
Der Meister führte mich in sein Büro. Er fläzte sich in seinen gemütlichen, ledernen Chefsessel mit hoher Rückenlehne und schlug ein Bein über das andere. Auf dem Schreibtisch warteten noch nicht sortierte Papierberge auf Bearbeitung. Das Geschäft brummte.
Ich hatte den Besuchersessel, ebenfalls aus Leder und gemütlich, aber ohne hohe Rückenlehne.
Zu reden gab es für mich nicht viel. Das Gespräch bestand vor allem aus einer Lobrede des Meisters auf die Firma. Ich stimmte nur immer mit einem Kopfnicken zu oder sagte >ah< und >oh<, wenn der Meister die Vorzüge und Besonderheiten des Unternehmens schilderte. Dieser Betrieb schien wirklich einzigartig in der Branche zu sein.
Schließlich kam es zu der einen, nur allzu verständlichen Frage: „Sie haben vorher etwas ganz anderes gemacht. Warum jetzt der Wunsch, bei uns Maler und Lackierer zu lernen?“
Etwas verschämt kam es aus mir heraus: „Nun ja, es heißt doch, Handwerk hat goldenen Boden. Das wollte ich schon immer mal versuchen. Ich hätte die Stelle wirklich sehr gerne. Aber wissen Sie, mein früherer Chef hat immer zu mir gesagt, mein lieber Rudi, du bist wirklich ein netter Kerl. Aber leider bist du auch ein fauler Sack. Dich behält bestimmt keiner lange. Wie schätzen Sie denn meine Chancen ein?“
Das Gesicht des Meisters blieb undurchdringlich, wie die Tapetenrollen, die er täglich einkleisterte. Ich stellte mir lieber nicht vor, welche Gedanken gerade in seinem Handwerkerhirn kreisten und sich zu Knoten verdichteten.
„Wir haben natürlich noch andere Bewerber“, sagte er schließlich. „Das können Sie sich ja denken. Wir melden uns wieder, wenn wir unsere Entscheidung getroffen haben.“
Das Vorstellungsgespräch war damit beendet und ich wurde freundlich aber bestimmt zur Tür hinausgeschoben.
Bevor ich endgültig ging, pfiff ich noch der vorbeieilenden Sekretärin hinterher, die dies mit einem missfallenden Blick zur Kenntnis nahm.
In bester Stimmung genehmigte ich mir in einem Café einen Cappuccino. Ich hatte meine Rolle als hoffnungsloser Fall gut gespielt.
Wie nicht anders zu erwarten war, erhielt ich kurz darauf meine Bewerbungsmappe mit dem üblichen Brief zurück:
Wir bedanken uns für Ihre Bewerbung und das nette Gespräch in unserem Hause.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen …
Die Enttäuschung war Frau Greifer anzumerken, was mich nicht weiter bekümmerte. Ich wechselte in den nächsten Gelegenheitsjob. Und zwar als Aufsicht in der Tankstelle an einer Autobahnauffahrt.
Ich hatte die Nachtschicht. Am Tag arbeiteten dort drei Mitarbeiter und der Chef selbst. Ich war nachts allein. Es bedeutete, die Quengeleien und beleidigenden Sprüche von schlecht gelaunten Kunden zu ertragen, oder hinter Typen herzulaufen, die sich an unseren Zapfsäulen bedienten und sich dann ohne zu bezahlen aus dem Staub machen wollten.
Überfälle waren nicht selten. Manchmal beschränkte sich ein ganz Schlauer auf verbale Drohungen: >Gib mir das Geld, oder ich polier dir die Fresse.< Oder so ähnlich. Bedrohungen mit Messer oder Schusswaffe kamen auch vor.
Kurz gesagt, es handelte sich um einen Job, den man seinem Lieblingsfeind nicht schenken wollte. Gerade richtig für Rudi, dachte ich mir. Hier hatte ich keine Konkurrenz. Die meisten Kandidaten hielten nur Wochen durch. Ich aber blieb und bekam eine feste Anstellung. Damit konnte ich wenigstens Frau Greifer Lebewohl sagen, und meine Karriere als Pinsel schwingender Azubi hatte sich erledigt. Ob sie geweint hat, weiß ich nicht.
Mein niedriger Lohn reichte mit Überstunden gerade für das tägliche Überleben. Aber mir würde schon noch etwas einfallen, womit ich meine Situation verbessern konnte. Und es sollte nicht lange dauern, bis mir dazu etwas einfiel.
Mein kleiner Neffe hatte Geburtstag. Wie man das so macht, durchsuchte ich einen Spielzeugladen nach einem Geschenk, gut genug, um mich als Onkel unentbehrlich zu machen, und dabei so preiswert, dass sich das Loch in meiner Geldbörse nicht unnötig vergrößerte.
Ich schritt verwundert vorbei an Bergen von buntem und nutzlosem Zeug, das für die kleinen Rabauken höchstens ein paar Wochen von Interesse sein konnte. Zwischen den Regalen sprang plötzlich ein kleiner Junge auf mich zu und bedrohte mich mit einer Spielzeugpistole, die aber verteufelt echt aussah. „Hände hoch, oder ich schieß dir ein Loch in den Bauch.“
Ich wollte nichts riskieren und folgte der Aufforderung. Die Mutter befreite mich aus dieser