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      >> Du weißt doch die Elena…! <<

      Ich erzählte ihm wie alles anfing. Welchen Verdacht ich hatte und was ich am Schluss bei meiner waghalsigen Aktion beobachten konnte, sehen musste. Er hörte sich alles sehr aufmerksam an, stellte die eine oder andere Frage um sicher zu gehen, mich richtig verstanden zu haben. Geneigt setzte er sich dabei auf die zweistufige Treppe die sich vom Hauswirtschaftsraum zur Küche befand und vergrub sein Gesicht kopfschüttelnd in den Händen. Er machte, zu meinem Erstaunen, nicht gerade den Eindruck etwas Neues zu hören. Nicht dass er Ähnliches erlebt hätte, nein, aber seine Reaktion war, als wüsste er sich bestätigt.

      >>Und das ist jetzt gerade passiert, Tony? << fragte er mich zutiefst betroffen.

      >>Ja! <<

      >>Verdammt, ich hätte es wissen müssen! Das arme Mädchen! <<

      Er stand auf und schlug mit der geballten Faust gegen den Rahmen der Küchentür. Seine Betroffenheit wechselte zur wutentbrannten Entschlossenheit.

      >>Soll das heißen…? <<

      >> Ja Lillie, genau das heißt es. <<

      Ich schaute die beiden abwechselnd an. Wussten sie über die Zustände, die bei den Weyers herrschten Bescheid?

      >>Was meint ihr damit, Mama? <<

      >>Ach, der Papa und ich haben schon länger bemerkt, das dort etwas nicht stimmt. Papa war auch schon bei der Polizei gewesen, aber die haben ihn wieder weggeschickt. Weißt du, mein Junge, man kann alles behaupten aber wenn du dafür keine Beweise hast, dann muss dir keiner glauben. Und die Polizei, die unternimmt so schnell nichts. Da könnte ja jeder kommen. <<

      Meine Eltern hatten also jahrelang diesen Verdacht das seltsame Dinge bei den Weyers vor sich gingen. Vielleicht war auch das der Grund, dass sie keinen innigen Kontakt pflegten.

      >>Verflucht noch mal, Scheiße! Hätte ich doch schon längst selbst mal durch dieses Fenster geschaut. Aber nein, ich musste so lange damit warten bis mein Sohn das sieht. Ich geh da jetzt rüber und ihr wartet hier! <<

      Seine Entschlossenheit sich von der Wahrheit meiner Darstellung zu überzeugen, war eher von der Bestätigung seines eigenen Verdachts geprägt als von der Sicherstellung meiner Glaubwürdigkeit.

      Fragend schaute ich meine Mutter an, die einen tiefen Seufzer von sich gab und wir konnten nur noch hören, wie mein Vater die Hintertür zu knallte.

      Was wird er unternehmen, wenn er die gleiche Beobachtung macht? Würde er auf sich aufmerksam machen? Diesem Schwein zu verstehen geben, dass er nun erwischt wurde und zur Rechenschaft gezogen wird? Ich traute es meinen Vater sogar zu, dass er sich gar nicht erst die Zeit nehmen würde, ein Gespräch zu führen. Diesen Wert hatte der Weyers für ihn sicherlich verloren. Denkbar, dass er wutentbrannt in das Haus rennt, wortlos stur an dessen Frau vorbei ins Zimmer von Elena läuft und ihn verprügelt, richtig verprügelt.

      Oder hatte der Weyers mich möglicherweise gehört und sein perverses Treiben für Heute beendet? In dem Fall, stünde meine Erzählung der Geschehnisse auf wackeligen Beinen. Nicht mein Vater wäre in diesem Fall das Problem, er würde mir weiterhin Glauben schenken, aber die Aussage eines Kindes bei der Polizei hätte in einer solch prekären Sachlage weniger gewichtigen Charakter als die eines Erwachsenen.

      Es vergingen keine fünf Minuten als mein Vater mit Hast und geschockt zurückkam. Aufgeregt schaute er zu uns aber nicht wirklich an. Da wusste ich, er hatte es gesehen.

      >>Lillie…mein Gott Lillie! <<

      >>Rudi, ruf die Polizei, jetzt! <<

      >>Und wenn die wieder nicht kommen. Die halten mich doch schon längst für einen verbitterten Denunzianten. Du kennst doch diese Sesselfurzer. Beim letzten Mal haben die mit mir geredet, als wäre ich der Perverse und würde mich durch meine gesponnene Phantasie was das Schwein nebenan treiben könnte, wohlgemerkt könnte, innerlich aufgeilen. <<

      So hatte ich meinen Vater noch nie gesehen. Das Gesicht war schal und es bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn. Er regte sich maßlos auf, war erbost darüber was noch alles passieren musste um ein Handeln der Polizei zu erlangen.

      >>Verstehst du Lillie, als ob es nicht schon reicht, diesen Verdacht in aller Deutlichkeit zu äußern, was allein schon schlimm genug ist. <<

      >>Ich verstehe dich ja Rudi, aber jetzt ist es anders. Du musst die Polizei anrufen solange Weyers, wie krank es auch klingen mag, sich noch mit Elena vergnügt. Die Polizei ist verpflichtet jeder Sache nachzugehen und dieses Mal werden sie ihn während seiner schlimmen Tat dingfest machen können. Ruf an Rudi, ruf an! <<

      Bedenklich blickte er auf den Betonboden, er wusste dass meine Mutter Recht hatte.

      >>Ja, das mach ich jetzt auch. Sollten die mich wieder abwimmeln, geh ich persönlich nach nebenan und stell das Schwein zu Rede. <<

      Er ging zum telefonieren in den Flur. Das Gespräch dauerte nicht lange, jedoch länger, als dass er nur wenige Worte gesagt haben konnte. Dann kam er andächtig zu uns zurück.

      >>Sie schicken sofort einen Streifenwagen. Wir sollen nichts unternehmen und im Haus bleiben, seltsam. Einfach seltsam. <<

      >>Warum seltsam, Rudi? Du hast der Polizei die Dringlichkeit deines Anliegens erklärt und sie kommen. Das hast du doch, oder? <<

      >>Ich wollte Lillie, ich wollte. Bevor ich ins Detail gehen konnte, griff der Beamte mir im Vorfeld ab, was ich berichten wollte. Als hätte er gewusst was ich sagen will. Es kommt mir vor, als ob ich durch meine Bestätigung dessen, was die Polizei vermutete, nun der erwartete Startschuss bin. <<

      Meine Mutter stand auf und nahm seine Hände.

      >>Dann haben sie dich die ganzen Jahre ernst genommen und geglaubt Rudi. Das ist doch gut so. Vielleicht hat das nur nie gereicht um etwas zu unternehmen. Die haben selbst noch gegen Weyers ermittelt und jetzt reicht es für eine Festnahme. Rudi, Schatz, es ist vorbei. <<

      Plötzlich hörten wir Motorengeräusche und zuschlagende Autotüren, mehrmals. Es war nicht nur ein Streifenwagen der bei den Weyers vorfuhr. Mindestens fünf, ohne Blaulicht und ohne Sirene. Beamte stürmten in Razziamanier zur Eingangstür des Hauses und verhielten sich ruhig, einer von ihnen klingelte höflich.

      Unbedacht und ahnungslos öffnete Frau Weyers die Tür. Sichtlich überrumpelt drängten sie die Einsatzkräfte zur Seite, mit der unmissverständlichen Gestik keinen Ton von sich zu geben und während einer bei ihr blieb, begab sich der Rest auf den Weg nach Elenas Zimmer. Weyers kniete gerade unbekleidet mit der Kamera neben dem Bett seiner Tochter, um abartige Nahaufnahmen von ihr zu machen, als die Beamten gewaltsam die Tür aufstießen. Er befand sich unmittelbar dahinter und wurde durch die Wucht mit der sie ihm ins Kreuz fiel, zu Boden geworfen. Bäuchlings, perplex der Lage, im schnellen Haltegriff fixiert, stöhnte die Drecksau vor Schmerz in seiner Gegenwehr, als ihm die Handschellen angebracht wurden. Erst dann teilte man ihm die Gründe, die für ihn selbst nichts Neues gewesen sein durften, mit. Der Satz seiner Verteidigung >>Ich habe nichts Schlimmes getan, wir spielen nur ein Spiel! << klang nicht nur krankhaft absurd und ließ in den Gesichtern der Polizisten die Abscheu gegen ihn widerspiegeln, sondern war auch der Beweis dafür, wie selbstsüchtig er in Kauf nahm die Persönlichkeit seines eigen Fleisch und Blutes zu zerstören.

      Elena griff voller Scham nach ihre Decke und rutschte verängstigt erschrocken von ihrem Bett. Sie kroch in die andere Ecke des Zim-mers neben den Nachtschrank, wo sie sich zitternd zusammengekauert hinhockte. Nur ihre Augen linsten nervösen Blickes auf das Geschehen über den Rand ihrer Decke, die sie bis über die Nase gezogen hatte. Sie weinte und atmete hastig. Der anwesende Notarzt und eine Polizistin näherten sich ihr vorsichtig, versuchten sie zu beruhigen, doch sie reagierte nicht. Zu tief lag der Schock und die Verankerung der Barere des Mistrauens anderen Menschen gegenüber, die sie all die Jahre in sich aufgebaut hatte. Nach

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