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trennen können.“

      Josef tat, was er beim Mathematiklehrer auch immer tat, er ging zum Schein auf dessen Problematik ein, ohne im Geringsten zu kapieren, was er wollte.

      „Und wie können wir uns trennen?“ fragte er schlau.

      Der Schatten stand auf. „Ich habe keine Ahnung“, sagte er. „Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, was du angerichtet hast? Mit welchem Recht glaubst du denn, darfst du in dein Schicksal eingreifen?“

      Dass darauf keine Antwort kam, wusste der Schatten.

      „Du hast dich eigenmächtig in meine Angelegenheiten gemischt“, sagte er und arbeitete weiter.

      „Das ist bisher in der Geschichte der Menschheit noch niemals vorgekommen. Du solltest dich schämen. Es ist kaum mehr wiedergutzumachen.“

      Er drehte sich zu Josef um. „Es sei denn...“

      Josef zog die Augenbrauen hoch. „Es sei denn, was?“

      Der Schatten bückte sich wieder um einen Stein abzulegen.

      „Es sei denn, du wiederholst mit mir diesen Sturz.“

      „Wiederholen, von da oben?“ Josefs Stimme überschlug sich ungläubig.

      „Ja, aber wehe, du wehrst dich wieder.“

      „Aber dann bin ich doch tot.“

      „Ja.“

      „Kommt überhaupt nicht in Frage.“

      Der Schatten kam beschwörend auf Josef zu. Er fasste ihn am Kragen und schüttelte ihn. Josef wehrte sich nicht.

      „Du musst das tun, du musst das tun“, sagte der Schatten und pfiff dabei leicht aus den Bronchien.

      „Es gibt keine andere Lösung. Komm mit nach oben. Wir müssen den Sturz wiederholen. Na, los! Du hast den Fehler begangen, also musst du ihn auch wiedergutmachen.“

      Josef schüttelte den Kopf und befreite sich sanft aus dem Griff des Alten.

      „Nein, nein, nein. Ich mach nicht mit. Das geht nicht.“

      „Ha!“ Der Alte ging ärgerlich einige Schritte hin und her. „Das geht nicht, das geht nicht. Natürlich geht das!“

      „Aber ich kann doch nicht einfach wieder hochgehen und mir das Leben nehmen“, sagte Josef, und seine Stimme überschlug sich abermals.

      „Das lass dann meine Sorge sein“, brummte der Schatten.

      „Ich mache dabei nicht mit. Aus. Basta. Amen.“ Josef wischte seine Handfläche vor sich weg, wie einen Schwamm an der Tafel. Über so ein verrücktes Angebot wollte er nicht weiterreden.

      „Außerdem habe ich keine Zeit, mich mit Ihnen zu unterhalten“, sagte Josef und stand auf. In seinem Kopf kreisten noch die Wespen. „Ich muss Eva suchen gehen. Wo ist sie?“

      Er wandte sich vom Alten ab und blickte sich suchend um. Wäre der Wagen oben hundert Meter weiter vom Weg abgekommen, wäre das ein freier Fall geworden. Es war Glück im Unglück, dass er noch lebte, und dass Eva noch lebte. Was war das für eine Nonne, mit der Eva wegging, und wohin gingen sie weg? Er drehte sich wieder zum Alten um.

      „Na gut, na gut“, sagte der Schatten. leicht nervös, „dann schlage du was vor. Mache du uns einen Vorschlag, und den befolgen wir dann.“

      „Ich kann Ihnen keinen Vorschlag machen“, winkte Josef ab, „denn in solchen Sachen kenne ich mich nicht aus. Sie sind doch der Fachmann. Was schlagen Sie vor?“

      „Also gut, also gut“, resümierte der Alte. „Du willst den Sturz nicht wiederholen. Wir müssen uns aber trennen. Wir könnten versuchen uns sanft zu trennen, oder sonst irgendwie schmerzfrei.“

      „Ja, genau. So irgendwie.“

      „Aber da kenne ich mich auch nicht aus, in solchen Dingen.“

      „Wieso nicht?“ fragte Josef.

      „Hör mal!“ protestierte der Alte. „Da klebe ich als Schatten dein Leben lang an deinen Füßen und soll mich dabei noch schlau machen, wie ich mich saaanft von dir trennen soll, wenn es anders viel einfacher geht.“

      „Vielleicht können wir jemanden fragen?“ überlegte Josef

      „Fragen, ja, das ist gut.“ Der Alte grinste böse. „Also, der Herr Josef wollte jemanden fragen gehen. Das ist gut.“

      „Ja, genau.“

      „Entschuldigen Sie bitte“, äffte der Alte und streckte seine Zunge heraus. „Ich möchte mich von dem da trennen. Können Sie mir da helfen? Vielleicht sind Sie ein Scheidungsanwalt, hä?“

      „So meine ich das doch nicht. Sie machen sich lustig über mich.“ Josef ärgerte sich über ihn.

      „Oder einen Schreiner?“ provozierte der Alte weiter. „Sollen wir vielleicht einen Schreiner bitten, dass er uns auseinandersägt? Hä? Wir zeigen ihm nur die Stelle, wo wir zusammengewachsen sind und schon haben wir die Lösung, oder was?“

      „Ach verflixt, ich weiß es doch auch nicht?“ Josef ging weg. „Mit Ihnen kann man überhaupt nicht reden. Ich schau jetzt selber nach.“

      „Wie? Lässt du mich jetzt allein?“

      Er drehte sich nicht mehr um. „Sie können ja bleiben.“

      Josef ging an die Stelle, wo er unter dem senkrechten Abgrund stand. Die Schmerzen ließen allmählich nach. Er blickte sich um, aber der Alte folgte ihm nicht. Seltsam: Josef ohne Schatten. Er hatte Schwierigkeiten, mit dieser neuen Situation. Es war wie in einem schlechten Traum, oder wie im Kino. Anscheinend musste der Schatten jetzt nicht auf Schritt und Tritt am Körper haften, wie bisher. Doch er sollte bleiben, wo er war. Der alte Mann wollte nichts Gutes von ihm.

      Er schaute nach oben. Die hohen, steilen Felsen standen bedrohlich über ihm. Dort oben verlief die Straße mit der gefährlichen und verhängnisvollen Kurve. Von irgendwoher rann Wasser aus der Wand und benetzte das Gestein, das im flachen Winkel des Sonnenstrahls glitzerte. Hier etwa hatte er Eva zuletzt gesehen, als sie mit der Frau wegging.

      „Eva!“ rief er, wie nach einem verlorengegangenen Kätzchen. Keine Antwort.

      Da, ein Spalt in der Wand. Eine Höhle. Vielleicht war sie hier. Josef untersuchte den engen Eingang. Er rief wieder. Seine Stimme hallte zurück. Es musste eine große Höhle sein. Er zwängte sich durch den scharfkantigen Spalt hindurch. Der Felsen war nass und roch modrig.

      Ein Duft drang in seine Nase, nur ganz leicht, ganz sanft. Es war Evas Parfüm. Er kannte den Duft.

      „Eva!“ Josef konnte es nicht glauben, dass Eva hier war.

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