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      Drittes Kapitel

       Drittes Kapitel

       Bettina wird für wahnsinnig gehalten

      Bettina musste in Verzweiflung sein, da sie nicht wusste, in welche Hände ihr Brief gefallen sein konnte; indem ich sie aus ihrer Unruhe erlöste, gab ich ihr also einen sehr hohen Freundschaftsbeweis.

      Aber mein Edelmut, der sie von einer bitteren Sorge befreite, musste ihr eine neue, ebenso bittere bereiten: Sie wusste jetzt, dass ich Herr über ihr Geheimnis war. Cordianis Brief war ganz unzweideutig; er lieferte den Augenschein, dass sie ihn allnächtlich empfing, und damit wurde das Märchen hinfällig, das sie vielleicht sich zurechtgelegt hatte, um mich auf eine falsche Spur zu lenken. Ich fühlte dies, und da ich sie gerne nach Möglichkeit beruhigen wollte, ging ich am Morgen an ihr Bett und übergab ihr den Brief und meine Antwort.

      Die Klugheit des Mädchens hatte ihr meine Achtung gewonnen, ich konnte sie nicht mehr verachten. Ich sah in ihr nur noch ein Geschöpf, das durch sein Temperament verführt worden war. Sie war mannstoll, und man konnte sie darum nur beklagen, soweit die Folgen in Betracht kamen. Da ich die ganze Sache jetzt im richtigen Licht zu sehen glaubte, hatte ich mich als vernünftiger Junge und nicht als gekränkter Liebhaber damit abgefunden. Sie hatte zu erröten, nicht ich. Ich hatte nur noch einen Wunsch, nämlich den, herauszubringen, ob die beiden Feltrini, Cordianis Freunde, ebenfalls Anteil an ihren Huldbeweisen gehabt hätten.

      Bettina trug den ganzen Tag eine sehr lustige Stimmung zur Schau. Am Abend kleidete sie sich an, um auf den Ball zu gehen; plötzlich aber nötigte ein wirkliches oder erheucheltes Unwohlsein sie, sich zu Bett zu legen; das ganze Haus geriet darob in Aufregung. Ich, der ich von allem Bescheid wusste, machte mich auf neue und noch traurigere Auftritte gefasst; denn ich hatte ein Übergewicht über sie gewonnen, das ihrer Eitelkeit unerträglich war. Ich muss jedoch hier bekennen, dass ich trotz dieser ausgezeichneten Schule, die ich schon vor meinen Jünglingsjahren durchmachte und die mir zur Agide für die Zukunft hätte dienen sollen, mein ganzes Leben lang von den Frauen genasführt worden bin. Vor zwölf Jahren würde ich in Wien, hätte mich nicht mein Schutzengel davor bewahrt, ein junges Brauseköpfchen geheiratet haben, in das ich mich verliebt hatte. Jetzt, da ich zweiundsiebzig Jahre alt bin, glaube ich mich vor derartigen Tollheiten sicher; aber leider ist gerade das mein Kummer.

      * * *

      Vater Mancia

       Vater Mancia

      Am andern Morgen war die ganze Familie untröstlich; denn der Teufel, von dem Bettina besessen war, hatte sich ihrer Vernunft bemächtigt. Der Doktor sagte mir, sie müsse doch wohl besessen sein, denn allem Anschein nach hätte sie als Wahnsinnige den Vater Prospero nicht so schlecht behandeln können. Er entschloss sich, sie dem Vater Mancia anzuvertrauen.

      Dies war ein als Teufelsbeschwörer berühmter Jacobiner (also vom Dominikanerorden), der im Rufe stand, dass seine Kraft noch niemals bei einem behexten Mädchen versagt hätte.

      Es war Sonntag. Bettina hatte gut gegessen und war den ganzen Tag verrückt gewesen. Gegen Mitternacht kam ihr Vater nach Hause, nach seiner Gewohnheit den Tasso singend und so betrunken, dass er nicht mehr grade stehen konnte. Er trat an Bettinas Bett, umarmte sie zärtlich und sagte: „Du bist nicht verrückt, mein Kind.“

      Sie antwortete ihm: „Du bist nicht betrunken.“

      „Du bist besessen, mein liebes Kind.“

      „Ja, Vater; und Ihr seid der einzige, der mich heilen kann.“

      „Gut; ich bin dazu bereit.“

      Hierauf beginnt unser Schuster wie ein Theologe zu sprechen, er redet über die Kraft des Glaubens und des Vatersegens. Er wirft seinen Mantel ab, nimmt ein Kruzifix in die eine Hand, legt die andere seiner Tochter auf den Kopf und beginnt so komisch mit dem Teufel zu reden, dass sogar seine dumme, sonst immer traurige und zänkische Frau vor Lachen sich den Bauch halten muss. Die einzigen, die nicht lachten, waren die beiden Handelnden, und grade ihr Ernst machte die Szene noch spaßhafter. Ich bewunderte Bettina, die sonst überaus lachlustig war und doch jetzt die Selbstüberwindung besaß, ganz ruhig zu bleiben. Doktor Gozzi lachte auch, wünschte aber doch, dass die Posse ein Ende nehme, denn ihm schien, der Unsinn, den sein Vater redete, wäre zugleich eine Verhöhnung der heiligen Teufelsbeschwörung. Der Teufelsbanner wurde wohl schließlich müde; er ging zu Bett, indem er sagte, er sei gewiss, dass der Teufel seine Tochter die ganze Nacht in Ruhe lassen würde.

      Am andern Tage kam in dem Augenblick, wo wir vom Tisch aufstanden, Pater Mancia. Der Doktor und die ganze Familie führten ihn ans Bett der Kranken. Ich hatte so viel zu tun, den Mönch anzuschauen, dass ich gewissermaßen ganz außer mir war. Hier sein Porträt:

      Von Wuchs war er groß und majestätisch, sein Alter mochte etwa dreißig Jahre sein, er hatte blonde Haare und blaue Augen. Seine Gesichtszüge glichen denen des Apollo von Belvedere, nur fehlten die Merkzeichen des Siegesbewusstseins und der Anmaßung. Seine Haut war blendend weiß, und er war daher sehr blass; aber diese Blässe schien nur dazu da zu sein, um das Korallenrot seiner Lippen zu heben, die, wenn sie sich öffneten, zwei Perlenreihen sehen ließen. Er war weder mager noch fett, und die Traurigkeit seiner Miene erhöhte noch deren Sanftheit. Er ging langsam, sein Gesichtsausdruck war schüchtern, was darauf schließen ließ, dass er bescheidenen Geistes sei.

      Als wir eintraten, schlief Bettina oder tat wenigstens so. Vater Mancia nahm zunächst einen Weihwedel und besprengte sie mit Wasser. Sie öffnete die Augen, sah den Mönch an und schloss sie sofort wieder; bald aber schlug sie sie wieder auf, sah ihn etwas genauer an, legte sich auf den Rücken, ließ ihre Arme herabsinken, neigte lieblich das Köpfchen zur Seite und überließ sich einem Schlummer, der allem Anschein nach überaus süß war.

      Der Teufelsbeschwörer zog aus der Tasche Ritual und Stola, die er sich um den Hals hing; hierauf legte er der Schlafenden eine Reliquie auf die Brust und bat uns mit der Miene eines Heiligen, wir möchten alle niederknien, um Gott zu bitten, dass er ihm offenbare, ob die Kranke besessen oder von einer natürlichen Krankheit befallen sei. In dieser Stellung ließ er uns eine halbe Stunde verharren, wobei er ununterbrochen mit leiser Stimme las. Bettina rührte sich nicht.

      Schließlich wurde er, glaube ich, müde, diese Rolle zu spielen; er bat den Doktor, ihn unter vier Augen anzuhören. Sie traten in die Kammer, aus der sie eine Viertelstunde später wieder zum Vorschein kamen, als die Tolle ein lautes Gelächter ausstieß. Sobald sie sie eintreten sah, drehte sie ihnen den Rücken zu. Vater Mancia lächelte, tauchte den Wedel zu wiederholten Malen in den Weihwasserkessel, besprengte uns alle reichlich mit dem heiligen Nass und ging.

      Der Doktor sagte uns, er werde am nächsten Tage wiederkommen und habe sich anheischig gemacht, sie in drei Stunden zu erlösen, wenn sie besessen sei; wenn sie aber wahnsinnig sei, so könne er nichts versprechen. Die Mutter rief, sie sei gewiss, dass er Bettina erlösen werde, und sie danke Gott für die Gnade, vor ihrem Tode einen Heiligen gesehen zu haben.

      Am nächsten Tage war Bettinas Verrücktheit wirklich prachtvoll. Sie hielt die verrücktesten Reden, wie kein Dichter sie je ersinnen könnte, und hörte damit auch nicht auf, als der schöne Teufelsbanner hereinkam; er gönnte sich den Genuss eine Viertelstunde lang, dann legte er seinen vollen Ornat an und bat uns hinauszugehen. Wir gehorchten augenblicklich, und die Tür blieb offen. Aber was sollte das besagen? Wer hätte die Kühnheit besessen, hineinzugehend?

      Drei volle Stunden lang hörten wir keinen Ton. Totenstille! Um zwölf Uhr rief der Mönch, und wir traten ein. Bettina lag traurig und ganz ruhig da, während der Mönch seine Sachen zusammenpackte. Als er ging, sagte er, er habe Hoffnung, und bat den Doktor, ihm Nachricht zukommen zu lassen. Bettina speiste zu Mittag in ihrem Bett, aß abends mit uns am Tisch und war am nächsten Tage ganz vernünftig. Da geschah aber etwas, was mich in meinem Glauben bestärkte, dass sie weder wahnsinnig noch besessen sei.

      Es war am Tage vor Mariä Reinigung (Lichtmess). Der Doktor ließ uns gewöhnlich in der Pfarrkirche das Abendmahl nehmen; zur Beichte aber führte er uns in die

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