ТОП просматриваемых книг сайта:
Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil. Gustav Schwab
Читать онлайн.Название Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Год выпуска 0
isbn 9783742772527
Автор произведения Gustav Schwab
Жанр Языкознание
Серия Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
Издательство Bookwire
des Schicksals zufolge von der Erde verschwunden war, wurden sie zu frommen Schutzgöttern,
welche, dicht in Nebel gehüllt, die Erde rings durchwandelten, als Geber alles Guten, Behüter des
Rechts und Rächer aller Vergehungen.
Hierauf schufen die Unsterblichen ein zweites Menschengeschlecht, das silberne; dieses war schon
weit von jenem abgeartet und glich ihm weder an Körpergestaltung noch an Gesinnung. Sondern
ganze hundert Jahre wuchs der verzärtelte Knabe noch unmündig an Geist unter der mütterlichen
Pflege im Elternhause auf, und wenn einer endlich zum Jünglingsalter herangereift war, so blieb ihm
nur noch kurze Frist zum Leben übrig. Unvernünftige Handlungen stürzten diese neuen Menschen in
Jammer; denn sie konnten schon ihre Leidenschaften nicht mehr mäßigen und frevelten im
Übermute gegeneinander. Auch die Altäre der Götter wollten sie nicht mehr mit den gebührenden
Opfern ehren. Deswegen nahm Zeus dieses Geschlecht wieder von der Erde hinweg; denn ihm gefiel
nicht, daß sie der Ehrfurcht gegen die Unsterblichen ermangelten. Doch waren auch diese noch nicht
so entblößt von Vorzügen, daß ihnen nach ihrer Entfernung aus dem Leben nicht einige Ehre zum
Anteil geworden wäre, und sie durften als sterbliche Dämonen noch auf der Erde umherwandeln.
Nun erschuf der Vater Zeus ein drittes Geschlecht von Menschen; das hieß das eherne. Das war auch
dem silbernen völlig ungleich, grausam, gewalttätig, immer nur den Geschäften des Krieges ergeben,
immer einer auf des andern Beleidigung sinnend. Sie verschmähten es, von den Früchten des Feldes
zu essen, und nährten sich vom Tierfleische; ihr Starrsinn war hart wie Diamant, ihr Leib von
ungeheurem Gliederbau; Arme wuchsen ihnen von den Schultern, denen niemand nahekommen
durfte. Ihre Wehr war Erz, ihre Wohnung Erz, mit Erz bestellten sie das Feld; denn Eisen war damals
noch nicht vorhanden. Sie kehrten ihre eigenen Hände gegeneinander; aber so groß und entsetzlich
sie waren, so vermochten sie doch nichts gegen den schwarzen Tod und stiegen, vom hellen
Sonnenlichte scheidend, in die schaurige Nacht der Unterwelt hernieder.
Als die Erde auch dieses Geschlecht eingehüllt hatte, brachte Zeus, der Sohn des Kronos, ein viertes
Geschlecht hervor, das auf der nährenden Erde wohnen sollte. Dies war wieder edler und gerechter
als das vorige. Es war das Geschlecht der göttlichen Heroen, welche die Vorwelt auch Halbgötter
genannt hat. Zuletzt vertilgte aber auch sie Zwietracht und Krieg, die einen vor den sieben Toren
Thebens, wo sie um das Reich des Königes Ödipus kämpften, die andern auf dem Gefilde Trojas,
wohin sie um der schönen Helena willen zahllos auf Schiffen gekommen waren. Als diese ihr
Erdenleben in Kampf und Not beschlossen hatten, ordnete ihnen der Vater Zeus ihren Sitz am Rande
des Weltalls an, im Ozean, auf den Inseln der Seligen. Dort führen sie nach dem Tode ein glückliches
und sorgenfreies Leben, wo ihnen der fruchtbare Boden dreimal im Jahr honigsüße Früchte zum
Labsal emporsendet.
»Ach wäre ich«, so seufzet der alte Dichter Hesiod, der diese Sage von den Menschenaltern erzählt,
»wäre ich doch nicht ein Genosse des fünften Menschengeschlechtes, das jetzt gekommen ist; wäre
ich früher gestorben oder später geboren! denn dieses Menschengeschlecht ist ein eisernes!
Gänzlich verderbt, ruhen diese Menschen weder bei Tage noch bei Nacht von Kümmernis und
Beschwerden; immer neue nagende Sorgen schicken ihnen die Götter. Sie selbst aber sind die größte
Plage. Der Vater ist dem Sohne, der Sohn dem Vater nicht hold; der Gast haßt den ihn bewirtenden
Freund, der Genosse den Genossen; auch unter Brüdern herrscht nicht mehr herzliche Liebe wie
vorzeiten. Dem grauen Haare der Eltern selbst wird die Ehrfurcht versagt, Schmachreden werden
gegen sie ausgestoßen, Mißhandlungen müssen sie erdulden. Ihr grausamen Menschen, denket ihr
denn gar nicht an das Göttergericht, daß ihr euren abgelebten Eltern den Dank für ihre Pflege nicht
erstatten wollet? Überall gilt nur das Faustrecht; auf Städteverwüstung sinnen sie gegeneinander.
Nicht derjenige wird begünstigt, der die Wahrheit schwört, der gerecht und gut ist, nein, nur den
Übeltäter, den schnöden Frevler ehren sie; Recht und Mäßigung gilt nichts mehr, der Böse darf den
Edleren verletzen, trügerische, krumme Worte sprechen, Falsches beschwören. Deswegen sind diese
Menschen auch so unglücklich. Schadenfrohe, mißlaunige Scheelsucht verfolgt sie und grollt ihnen
mit dem neidischen Antlitz entgegen. Die Göttinnen der Scham und der heiligen Scheu, welche sich
bisher doch noch auf der Erde hatten blicken lassen, verhüllen traurig ihren schönen Leib in das
weiße Gewand und verlassen die Menschen, um sich wieder in die Versammlung der ewigen Götter
zurückzuflüchten. Unter den sterblichen Menschen blieb nichts als das traurige Elend zurück, und
keine Rettung von diesem Unheil ist zu erwarten.«
Deukalion und Pyrrha
Als das eherne Menschengeschlecht auf Erden hauste und Zeus, dem Weltbeherrscher, schlimme
Sage von seinen Freveln zu Ohren gekommen, beschloß er, selbst in menschlicher Bildung die Erde zu
durchstreifen. Aber allenthalben fand er das Gerücht noch geringer als die Wahrheit. Eines Abends in
später Dämmerung trat er unter das ungastliche Obdach des Arkadierkönigs Lykaon, welcher durch
Wildheit berüchtigt war. Er ließ durch einige Wunderzeichen merken, daß ein Gott gekommen sei;
und die Menge hatte sich auf die Knie geworfen. Lykaon jedoch spottete über diese frommen
Gebete. »Laßt uns sehen«, sprach er, »ob es ein Sterblicher oder ein Gott sei!« Damit beschloß er im
Herzen, den Gast um Mitternacht, wenn der Schlummer auf ihm lastete, mit ungeahntem Tode zu
verderben. Noch vorher aber schlachtete er einen armen Geisel, den ihm das Volk der Molosser
gesandt hatte, kochte die halb lebendigen Glieder in siedendem Wasser oder briet sie am Feuer und
setzte sie dem Fremdling zum Nachtmahle auf den Tisch. Zeus, der alles durchschaut hatte, fuhr vom
Mahle empor und sandte die rächende Flamme über die Burg des Gottlosen. Bestürzt entfloh der
König ins freie Feld. Der erste Wehlaut, den er ausstieß, war ein Geheul, sein Gewand wurde zu
Zotteln, seine Arme wurden zu Beinen: er war in einen blutdürstigen Wolf verwandelt.
Zeus kehrte in den Olymp zurück, hielt mit den Göttern Rat und gedachte das ruchlose
Menschengeschlecht zu vertilgen. Schon wollte er auf alle Länder die Blitze verstreuen; aber die
Furcht, der Äther möchte in Flammen geraten und die Achse des Weltalls verlodern, hielt ihn ab. Er
legte die Donnerkeile, welche ihm die Zyklopen geschmiedet, wieder beiseite und