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Ein Volksfeind. Henrik Ibsen
Читать онлайн.Название Ein Volksfeind
Год выпуска 0
isbn 9783752997873
Автор произведения Henrik Ibsen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Frau Stockmann. Auch Du nicht; Ihr sollt jetzt beide gehen.
Die Knaben sagen Gutenacht und gehen in das Zimmer links.
Hovstadt. Glauben Sie wirklich, es könnte den Jungens schaden, wenn sie so etwas hören?
Frau Stockmann. Ja, ich weiß nicht; aber ich habe es nicht gern.
Petra. Aber, Mutter; mir scheint, das ist von Dir so verkehrt wie möglich.
Frau Stockmann. Mag sein; aber ich habe es nicht gern; wenigstens nicht hier zu Hause.
Petra. Zu Hause wie in der Schule ist so viel Unwahrheit. Zu Hause soll geschwiegen werden, und in der Schule müssen wir den Kindern vorlügen.
Horster. Vorlügen?
Petra. Ja, meinen Sie nicht, wir trügen sehr vieles vor, woran wir selbst nicht glauben?
Billing. Ja, das ist nur allzu wahr.
Petra. Hätte ich nur die Mittel, ich würde selber eine Schule gründen, und da sollte es anders zugehen.
Billing. Ach was, Mittel –
Horster. Wenn's weiter nichts ist, Fräulein Stockmann, so stelle ich Ihnen gern bei mir ein Lokal zur Verfügung. Das große Haus meines seligen Vaters steht ja so gut wie leer; zu ebener Erde ist ein riesiger Speisesaal –
Petra lacht. Ja, ja – ich danke Ihnen recht schön; aber es wird wohl nichts draus werden.
Hovstadt. Ach nein, Fräulein Petra geht wohl eher unter die Zeitungsschreiber, meine ich. Doch daß ich es nicht vergesse, – haben Sie Zeit gehabt, ein bißchen in die englische Erzählung hinein zu gucken, die Sie für uns übersetzen wollten?
Petra. Nein, noch nicht. Aber Sie bekommen sie rechtzeitig.
Stockmann kommt aus seinem Zimmer mit dem offenen Brief in der Hand.
Stockmann schwingt den Brief. Jetzt, paßt mal auf, soll die Stadt eine Neuigkeit hören!
Billing. Eine Neuigkeit?
Frau Stockmann. Was ist das für eine Neuigkeit?
Stockmann. Ein große Entdeckung, Käte!
Hovstadt. So?
Frau Stockmann. Die Du gemacht hast?
Stockmann. Ich, allerdings. Geht auf und ab. Laßt sie nur kommen und, wie gewöhnlich, sagen, daß es Grillen und Einfälle eines verrückten Kerls sind. Aber sie werden sich wohl hüten! Haha! Sie werden sich hüten, denke ich!
Petra. Aber Vater, so sag' doch, was es ist.
Stockmann. Ja, ja, laßt mir nur Zeit, dann sollt Ihr alles erfahren. Ach, hätt' ich jetzt nur den Peter da! Da sieht man, wie wir Menschen herumlaufen und urteilen können wie die blindesten Maulwürfe –
Hovstadt. Wie meinen Sie das, Herr Doktor?
Stockmann bleibt am Tisch stehen. Ist es nicht die allgemeine Ansicht, daß unsere Stadt ein gesunder Ort ist?
Hovstadt. Ei freilich.
Stockmann. Ein ganz außerordentlich gesunder Ort obendrein – ein Ort, der unseren kranken wie unseren gesunden Mitmenschen nicht warm genug empfohlen werden kann –
Frau Stockmann. Aber, lieber Thomas –
Stockmann. Und empfohlen und gepriesen haben wir ihn denn auch! Ich habe geschrieben und geschrieben, im »Volksboten« wie in Flugschriften –
Hovstadt. Nun ja, und –?
Stockmann. Dieses Bad, das man die Pulsader der Stadt und den Lebensnerv der Stadt und – und weiß der Teufel wie sonst noch nennt –
Billing. »Das pochende Herz der Stadt« habe ich mir mal in einer festlichen Stunde erlaubt zu –
Stockmann. Na ja, das auch. Aber wissen Sie denn, was es in Wirklichkeit ist, dieses große, prächtige, gepriesene Bad, das so viel Geld gekostet hat, – wissen Sie, was es ist?
Hovstadt. Nein, was denn?
Frau Stockmann. Ja, was ist denn?
Stockmann. Das ganze Bad ist eine Pesthöhle.
Petra. Das Bad, Vater!
Frau Stockmann zu gleicher Zeit. Unser Bad!
Hovstadt ebenso. Aber Herr Doktor –
Billing. Ganz unglaublich!
Stockmann. Das ganze Bad ist ein übertünchtes, vergiftetes Grab, sag' ich. Gesundheitsgefährlich im allerhöchsten Grade! Der ganze Unrat da oben im Mühltal, – alles, was da so eklig riecht, – es infiziert das Wasser in den Zuflußröhren des Brunnenhauses, und dieser selbe verdammte, vergiftete Dreck sickert auch hinunter zum Strande –
Horster. Wo die Seebäder liegen?
Stockmann. Eben dahin.
Hovstadt. Woher wissen Sie denn das alles so genau, Herr Doktor?
Stockmann. Ich habe die Verhältnisse so gewissenhaft wie nur denkbar untersucht. Ach, ich hatte schon lange einen solchen Verdacht gehegt. Voriges Jahr kam eine Reihe auffallender Krankheitsfälle unter den Badegästen vor, – Fälle von Typhus und gastrischem Fieber –
Frau Stockmann. Ja, das ist freilich wahr.
Stockmann. Damals glaubten wir, die Fremden hätten die Ansteckung mitgebracht; hernach aber – in diesem Winter – bin ich auf andere Gedanken gekommen; und dann machte ich mich dran, das Wasser zu untersuchen, so gut es sich tun ließ.
Frau Stockmann. Das war es also, was Dir so viel zu schaffen gemacht hat?
Stockmann. Ja, Käte, Du darfst schon sagen, daß es mir zu schaffen gemacht hat. Aber hier fehlten mir ja die nötigen wissenschaftlichen Hilfsmittel; und so schickte ich Proben vom Trinkwasser wie vom Seewasser an die Universität, um von einem Chemiker eine exakte Analyse zu erhalten.
Hovstadt. Und die haben Sie jetzt erhalten?
Stockmann zeigt den Brief. Hier habe ich sie! Das Vorhandensein verfaulter organischer Stoffe ist im Wasser nachgewiesen – Infusorien in Massen. Das Wasser ist absolut schädlich für die Gesundheit, ob es nun innerlich oder äußerlich gebraucht wird.
Frau Stockmann. Es ist ein wahres Glück, daß Du noch beizeiten dahinter gekommen bist.
Stockmann. Ja, da hast Du recht.
Hovstadt. Und was werden Sie jetzt tun, Herr Doktor?
Stockmann. Natürlich versuchen, Wandel zu schaffen.
Hovstadt. Das ist also möglich?
Stockmann. Es muß möglich sein. Sonst ist das ganze Bad unbrauchbar, – ruiniert. Aber damit hat es keine Not, Ich bin vollständig mit mir im reinen darüber, was hier zu tun ist.
Frau Stockmann. Aber, bester Thomas, daß Du dies alles so geheim gehalten hast.
Stockmann. Ja, hätte