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diese Kupferstiche, nebst Sofas (die nur langgestreckte unbequeme Stühle zu sein schienen), und kleinen Tischen von Atlasholz, – welches Alles sich wie Reliefs von dem Tafelwerk der Wand abhob. Das war die Physiognomie des Wohnzimmers, in welches Lydgate geführt wurde.

      In demselben empfingen ihn drei Damen, welche gleichfalls altmodisch aussahen und den Eindruck einer etwas verschossenen aber ächten Respektabilität machten: Frau Farebrother, die Mutter des Pfarrers, eine silberhaarige noch nicht siebzigjährige rüstige, munter in die Welt blickende Matrone, deren Kopftuch und Halskrause von der ausgesuchtesten Sauberkeit waren, Fräulein Noble, ihre Schwester, eine kleine alte Dame von bescheidnerem Äußern, mit Halskrause und Kopftuch, welche ersichtlich mehr getragen und gestopft waren, und Fräulein Winifred Farebrother, die ältere Schwester des Pfarrers, gleich ihm von stattlichem Äußern, aber etwas geducktem und demütigem Wesen, wie es alte Mädchen, welche ihr Leben in ununterbrochener Abhängigkeit von älteren Mitgliedern ihrer Familie verbringen, leicht anzunehmen pflegen.

      Lydgate war auf eine so sonderbare Gruppe nicht gefaßt gewesen; da er nur wußte, daß Farebrother Junggeselle sei, hatte er erwartet, in eine behagliche Studierstube geführt zu werden, in welcher Bücher und die Gegenstände einer Naturaliensammlung die Hauptbestandteile des Mobiliars bilden würden. Der Pfarrer selbst schien ihm heute anders auszusehen, wie es die meisten Menschen für neue Bekannte tun, wenn diese sie zum ersten Male in ihrem eignen Hause sehen; Einige nehmen sich dabei, wie ein Schauspieler, den man in muntern Rollen zu sehen gewohnt ist und den man nun in einem neuen Stück zum ersten Mal den Geizhals spielen sieht, unvorteilhaft aus. Das war aber bei Farebrother nicht der Fall: er erschien eine Nuance milder und schweigsamer; seine Mutter führte das Wort und er beschränkte sich darauf, dann und wann eine gutmütig mäßigende Bemerkung einzuschalten.

      Die alte Dame war ersichtlich gewöhnt, ihren Hausgenossen ihre Ansichten zu diktieren, und es für notwendig zu halten, jede in ihrer Gegenwart geführte Unterhaltung, es sei über welchen Gegenstand es wolle, zu leiten. Sie hatte volle Muße für diese dirigierende Tätigkeit, da Fräulein Winifred für alle kleinen Bedürfnisse ihrer Mutter sorgte. Das schmächtige Fräulein Noble trug über dem Arme einen kleinen Korb, in welchen sie, mit scheuen Blicken umhersehend, ein Stückchen Zucker legte, nachdem sie dasselbe zuvor wie unversehens in ihre Untertasse hatte gleiten lassen, um sich dann mit einem leisen bescheidenen Geräusch, wie ein furchtsames Tierchen wieder ganz ihrer Teetasse zuzuwenden.

      Denke aber deshalb Niemand übel von Fräulein Noble! Der Korb enthielt, was sie sich an leicht transportablen Bissen bei ihren Mahlzeiten am Munde absparte, um es den Kindern ihrer armen Freunde zu geben, welche sie an schönen Vormittagen trippelnd aufzusuchen pflegte; die zärtlich besorgte Pflege aller bedürftigen Geschöpfe gewährte ihr ein so echtes Vergnügen, daß ihr dabei fast zu Mute war, als fröne sie einem angenehmen Laster. Vielleicht überkam sie bisweilen die geheime Lust, die, welche viel hatten, zu bestehlen, um es denen zu geben, welche nichts hatten, und sie empfand diesen unterdrückten Wunsch wie eine auf ihrem Gewissen lastende Schuld. Man muß arm sein, um die Seligkeit des Gebens zu kennen!

      Frau Farebrother begrüßte den Gast mit beflissener Förmlichkeit und Gemessenheit. Sie teilte ihm alsbald mit, daß man in ihrem Hause nicht oft ärztlichen Beistandes bedürfe. Sie habe ihre Kinder von Jugend auf daran gewöhnt, Flanell zu tragen und sich nicht zu überessen, welche letztere Gewohnheit nach ihrer Ansicht hauptsächlich daran Schuld sei, daß die Leute den Doctor brauchten. Lydgate suchte ein gutes Wort für diejenigen einzulegen, deren Väter und Mütter zu viel gegessen hätten, aber Frau Farebrother hielt diese Anschauungsweise für gefährlich: Die Natur sei gerechter. Wenn man diese Auffassung gelten lassen wolle, würde ja jeder Verbrecher sich darauf berufen können, daß seine Vorfahren statt seiner hätten gehängt werden müssen. Wer schlechte Eltern gehabt habe und selbst schlecht sei, werde doch für seine eigne Schlechtigkeit gehängt. Man brauche sich nur an das zu halten, was man vor Augen habe.

      »Meine Mutter ist wie der alte Georg III.,« bemerkte der Pfarrer, »sie ist keine Freundin von metaphysischen Betrachtungen.«

      »Ich bin keine Freundin von dem, was unrecht ist, Camden. Ich sage: haltet Euch an ein paar einfache Wahrheiten, und beurteilt Alles nach diesen. In meiner Jugend, Herr Lydgate, gab es nie einen Zweifel über Recht und Unrecht. Wir wußten unsern Katechismus auswendig und das war genug; wir lernten unser Glaubensbekenntnis und unsere christlichen Pflichten. Alle zur Kirche gehörenden respektablen Leute hatten dieselben Ansichten. Aber wenn Sie heutzutage auch mit den Worten des Gebetbuchs reden, müssen Sie doch darauf gefaßt sein, daß man Ihnen widerspricht.«

      »Das macht unsere Zeit recht angenehm für die, welche gern auf ihren eigenen Ansichten bestehen,« sagte Lydgate.

      »Aber meine Mutter gibt immer nach,« bemerkte der Pfarrer mit einem schlauen Lächeln.

      »Nein, nein, Camden, Du mußt Herrn Lydgate in Betreff meiner nicht irre leiten. Ich werde den Respekt vor meinen Eltern nie so weit aus den Augen setzen, daß ich das, was sie mich gelehrt haben, verleugne. Wozu der Meinungswechsel führt, kann man ja alle Tage beobachten. Wer einmal von seiner Überzeugung abfällt, der kann es auch noch zwanzigmal tun.«

      »Es wäre doch denkbar, daß Jemand gute Gründe hätte, seine Meinung einmal zu ändern, ohne daß er ebenso gute Gründe fände, diesen Wechsel zu wiederholen,« bemerkte Lydgate, welchen die Entschiedenheit der alten Dame ergötzte.

      »Bitte um Vergebung. Wenn Sie von Gründen reden, an denen fehlt es nie, wenn Einer seine Unbeständigkeit beschönigen will. Mein Vater hat seine Ansichten nie geändert; er hielt einfach moralische Predigten ohne Gründe und war ein braver Mann, wie es wenig bessere gibt. Zeigen Sie mir, wie man mit Gründen einen braven Mann zu Stande bringt, und ich will Ihnen ein gutes Mittagessen schaffen, indem ich Ihnen etwas aus dem Kochbuche vorlese. Das ist meine Ansicht von der Sache, und ich denke, alle Mägen werden dabei auf meiner Seite stehen.«

      »In Betreff des Mittagessens sicherlich, Mutter,« bemerkte Farebrother.

      »Was vom Mittagessen gilt, gilt auch von Männern. Ich bin beinahe siebenzig Jahre alt, Herr Lydgate, und ich rede aus Erfahrung. Ich werde schwerlich der Gefahr unterliegen, neuen Lehren zu folgen, obgleich hier daran so wenig Mangel ist wie anderswo. Ich sage Ihnen, diese neuen Lehren sind mit den gemischten Stoffen aufgekommen, die sich weder gut waschen noch gut tragen. In meiner Jugend war das anders: wer zur Kirche gehörte, gehörte zur Kirche, und ein Geistlicher war, wenn nichts Anderes, gewiß ein Gentleman. Aber jetzt ist er vielleicht nichts Besseres als ein Dissenter und will meinen Sohn unter kirchlichen Vorwänden bei Seite schieben. Aber wer ihn auch immer bei Seite schieben möchte, ich sage es mit Stolz, Herr Lydgate, mein Sohn kann sich mit jedem Prediger im ganzen Königreiche messen, gar nicht zu reden von dieser Stadt, die in dieser Beziehung nur wenig zu bedeuten hat – wenigstens nach meiner Meinung; denn ich bin in Exeter geboren und erzogen.«

      »Mütter sind nie parteiisch,« sagte Farebrother lächelnd. »Was denkst Du wohl, was Tyke's Mutter von ihm sagt?«

      »Ach die arme Frau! nun wahrhaftig!« sagte Frau Farebrother, deren Schärfe für den Augenblick durch ihr zuversichtliches Vertrauen auf die Unfehlbarkeit des mütterlichen Urteils gemildert wurde. »Sie sagt sich selbst die Wahrheit über ihn, darauf kannst Du Dich verlassen.«

      »Und was ist die Wahrheit?« fragte Lydgate. »Das möchte, ich gern wissen.«

      »O durchaus nichts Schlimmes,« erwiderte Farebrother. »Er ist ein eifriger, aber nicht sehr gelehrter und nicht sehr kluger Mensch, – wie mir scheint, weil ich nicht seiner Meinung bin.«

      »Weißt Du, Camden,« sagte Fräulein Winifred, »daß mir Griffin und seine Frau erst diesen Morgen erzählt haben, Tyke habe ihnen erklärt, sie würden keine Kohlen mehr bekommen, wenn sie dich noch ferner predigen hörten.«

      Frau Farebrother legte ihren Strickstrumpf, den sie nach einer kurzen Pause des Teetrinkens wieder zur Hand genommen hatte, bei Seite und sah ihren Sohn an, als wolle sie sagen: »da hörst Du es!«

      Fräulein Noble sagte: »O die armen Leute« – vermutlich im Hinblick auf den zwiefachen Verlust der Predigt und der Kohlen.

      Aber der Pfarrer antwortete rasch:

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