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gar nicht so übel.

      Er schaute sich die wenigen Zeilen Text der Anzeige noch einmal an. Draußen wurde es allmählich hell. Auf jeden Fall war es viel zu früh, um irgendwo anzurufen. Er nahm sein Handy und suchte im Internet nach der Praxis von Dr. Robert Kunstmann auf Wangerooge, aber er fand kaum Informationen.

      Er musste lächeln. Auch Gregor und er waren stets ohne schicken Internet-Auftritt ausgekommen. Werbung durften sie sowieso nicht machen, wozu also eine Internetseite? „Wenn es jemanden interessiert, wie es in unserem Wartezimmer aussieht, soll er vorbei kommen“, hatte Gregor gesagt, als eine Praktikantin nach der homepage der Praxis gefragt hatte. Er beschloss, Dr. Robert Kunstmann anzurufen.

      Wie er es geschafft hatte, mit diesem Anruf bis nach 8 zu warten, hätte er nicht sagen können. Jetzt, wo er sich entschlossen hatte, wollte er es auch durchziehen, sonst kämen doch nur wieder die Bedenken. Aber die Uhr zeigte gerade mal halb 6 und er musste warten. Diese durch die erzwungene Wartezeit bedingte Einladung nahmen seine Bedenken gern an.

      In seinem Kopf schwirrte es nur so. Offenbar gelang es einer ausführlichen Dusche wenigstens einen Teil seiner Einwände abzuwaschen. Mit dem Gedanken ‚Wahrscheinlich wird das eh nichts, weil ich einfach noch lange nicht belastbar genug und ein Krüppel bin‘ ging er zum Frühstück.

      Nach Rührei mit Speck und zwei Tassen Tee fasste er sich ein Herz. Er wählte die Nummer und räusperte sich. „Praxis Dr. Kunstmann, guten Morgen“, sagte eine fröhliche Frauenstimme. „Felix, Breitenbach hier, äh, Dr. Felix Breitenbach, ist Dr. Kunstmann zu sprechen?“ „Ihr Name kommt mir gar nicht bekannt vor. Sind Sie ein Urlaubsgast? Brauchen Sie medizinische Hilfe? Wir machen momentan keine Termine, Sie können einfach vorbeikommen“, sagte die freundliche Stimme wieder.

      „Nein, vielen Dank, ich bin – kein Patient. Ich habe eine Anzeige von ihm gelesen und wollte gern mit Dr. Kunstmann darüber sprechen.“ Wie viel wollte und konnte er Kunstmanns Arzthelferin über sein Anliegen erzählen? „Ach so, die Vertretung im Winter? Warten Sie bitte kurz“, sagte sie. Sie wusste also Bescheid.

      Warum auch nicht? Kleine Praxis stand in der Anzeige. Dann hörte er sie im Hintergrund rufen: „Robert, kommst du mal? Ich habe ein Telefongespräch für dich. Ich lege es dir in dein Sprechzimmer.“ Und wieder zu ihm sagte sie: „Er hat gleich Zeit für Sie, ich verbinde Sie eben.“

      Ein lebhaftes modernes Klavierstück verkürzte ihm die Minute in der Warteschleife. „Kunstmann, guten Morgen?“, meldete sich wenige Augenblicke später eine tiefe Männerstimme, im Hintergrund klapperte Geschirr, Kaffeetassen vermutlich.

      „Felix Breitenbach hier, Dr. Felix Breitenbach, ich habe Ihre Stellenanzeige gelesen und bin interessiert.“ Was sagte er da? Interessiert? War er das wirklich, oder war er eher neugierig? Außerdem fiel es ihm schwer sich mit seinem Titel zu melden. Als Arzt hatte er sich lange nicht mehr wahrgenommen.

      „Ja, eine Praxisvertretung, die suche ich wirklich dringend. Wissen Sie, es melden sich gar nicht wenige Kollegen, interessante Kollegen, aber wenn sie dann die Konditionen erfahren, sagen sie alle ab“, sagte Kunstmann am anderen Ende der Leitung überraschend direkt und ehrlich.

      „Ich spiele am liebsten mit offenen Karten, also hier, bevor Sie sich ernsthafte Gedanken darüber machen, möchte ich Ihnen Folgendes vorab skizzieren: Meine Praxis ist klein, im Winter ist eher wenig zu tun, nur die Stammpatienten, die ständig hier auf der Insel leben. Die meisten von ihnen sind alt. Es ist auch nicht reich zu werden damit, aber es ist ein Auskommen. Sämtliche Wochenenden von November bis einschließlich Januar ist Bereitschaft, Weihnachten, Silvester, Neujahr ebenfalls. Denn die zweite Praxis auf der Insel hat geschlossen. Also sind Sie der einzige verfügbare Mediziner bis der Hubschrauber vom Festland da ist. Meine beiden Mitarbeiterinnen sind Perlen, die Sie auf keinen Fall vergraulen dürfen, und ich habe eine gemütliche Ferienwohnung, die ich Ihnen kostenlos zur Verfügung stellen kann.“

      Er macht eine Pause, aber nur eine kurze. „Und wenn Sie immer noch ernsthaft interessiert sind, kommen Sie einfach jetzt im Sommer ein paar Tage vorbei, dann können wir uns kennenlernen.“ Damit war Kunstmann offenbar fertig. Mannomann, so viele Informationen in so wenigen Sätzen! Er musste schlucken.

      „Herr, äh, Breitenberg? Verzeihung, ich weiß nicht, ob ich Ihren Namen richtig behalten habe, sind Sie noch dran?“, fragte Kunstmann mit unsicherer Stimme. – Die Pause war wohl länger gewesen als sie ihm vorgekommen war. Er atmete aus. Jetzt war er dran.

      „Breitenbach, Felix Breitenbach“, wiederholte er seinen Namen, um Zeit zu gewinnen. Den Titel brachte er nicht noch ein drittes Mal über die Lippen. „Ich danke Ihnen sehr für Ihre Offenheit. Deshalb möchte auch ich offen zu Ihnen sein. Denn vielleicht komme ich für diese Aufgabe gar nicht infrage.“ Er ordnete seine Gedanken.

      „Ich bin, - ich war über 20 Jahre Allgemeinarzt in einer kleinen Stadt, und meine Stammpatienten unterscheiden sich nicht sehr von Ihren. Allerdings habe ich seit über zwei Jahren nicht mehr praktiziert. Ich, äh, ich hatte einen schweren Unfall, lag lange Zeit in einer – Klinik und werde schwer gehbehindert bleiben. Mehr als das, was Sie zeitlich anzubieten haben, würde ich auf keinen Fall schaffen. Und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich überhaupt dazu in der Lage bin. Aber ich würde Sie und Ihr Team gern kennenlernen und, naja, dann können Sie immer noch nein sagen.“

      Wieder entstand eine Pause. Sie hatten beide offenbar genug Material zum Nachdenken. „Wissen Sie was?“, fragte Kunstmann plötzlich, „sagen Sie mir, wann es Ihnen passt, und dann kommen Sie für ein paar Tage. Meine Ferienwohnung ist frei, Sie können in die Praxis schnuppern, und dann sehen wir weiter.“ Sie tauschten E-Mail-Adressen aus, erstellten Telefon- und WhatsApp-Kontakte, dann legten sie auf. Eine Insel im Winter. Als Arzt arbeiten. War er verrückt geworden oder war das die richtige Entscheidung? Wenige Tage später saß er im Zug nach Norden.

      8 Reif für die Insel?

      Trotz des Sonnenscheins wehte ihm ein frischer Wind um die Nase, als er an der Reling der Fähre lehnte. Was machte er hier? Er konnte sich doch nicht nur aufgrund eines kurzen Telefonats in die Ferienwohnung eines wildfremden Kollegen einladen! Hunderte von Kilometern entfernt von allem, was ihm vertraut war.

      Was, wenn Kunstmann ein richtiger Idiot wäre? Die Art arroganter Alleskönner, von denen es in seinem Berufsstand nur so wimmelte? Felix, mach halblang, dann würde er kaum in so einer kleinen Praxis mitten im Nichts arbeiten. Gib ihm eine Chance, er ist ein kleiner Landarzt wie du.

      Ihm fiel ein, dass er Robert Kunstmann nicht einmal gefragt hatte, warum er eine Vertretung suchte. War er krank und musste sich einer längeren Behandlung unterziehen? Machte er irgendwo eine Weiterbildung? Zog es ihn in die Arme seiner Traum-Frau vom Festland und beide hatten die Nase voll von einer Wochenend-Beziehung? Hatte er doch noch irgendwo ein anderes, besserer berufliches Eisen im Feuer und entfloh dem öden Landarzt-Dasein? Er musste schmunzeln. Womit wir wieder beim alten Vorurteil von wegen arroganter Weißkittel wären. Bleib ruhig, Felix, es dauert kaum mehr eine Stunde, dann kannst du ihn das alles selbst fragen.

      Kunstmann wusste, mit welcher Fähre er kam und wollte jemanden zum Abholen schicken, weil die Ankunftszeit noch in die Sprechstunde fiel. Er war mit dieser Information zufrieden gewesen. Als die Anlegestelle näherkam, fiel ihm auf, dass er keine Ahnung hatte, nach wem er Ausschau halten sollte.

      Wie groß war die Insel eigentlich genau? Ach, sicher nicht so groß, dass man sich an einem Fähr-Anleger verpassen konnte. Im Zweifelsfall musste er einfach lange genug warten, dann würde nur noch ein Fahrzeug mit Fahrer übrigbleiben, beruhigte er sich. Und genauso war es.

      „Guten Tag, ich bin Felix Kunstmann“, sagte er, nachdem er auf einen blauen Kleinwagen zu gehumpelt war, an dem ein älterer Mann lehnte. So sehen also die Stammpatienten hier aus, dachte er unwillkürlich. Hab‘ ich mir schon gedacht. „Hinner“, sagte der Mann und nickte grüßend, „ich fahr Sie dann man zum Doktor. Muss ja denn auch meine Hilde abholen, nech.“ Die Fahrt dauerte nicht lange. In einer Einfahrt neben einem stattlichen reetgedeckten Haus aus roten Klinkersteinen hielt der Wagen an.

      „Sie

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