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      Gut geschlafen?

      Der nächste Morgen brach an. John hörte ein lautes Poltern an seiner Zimmertür. „Ja, ich komme ja schon!“ Im Halbschlaf setzte er sich auf die Bettkante und rieb sich seine Augen, um munter zu werden. Langsam schlich er zur Tür und öffnete diese.

      „Haben Sie … Ach! Sie sind ja nackt! Haben Sie verschlafen?“

      Ein weiblicher Police Officer in voller Montur stand vor ihm. „Ja, kann sein! Wie spät haben wir es denn?“

      „Es ist kurz nach acht, und Sie sollten sich etwas anziehen!“

      Jetzt erkannte auch John, dass er noch splitternackt war, so wie Gott ihn schuf. „Entschuldigung, ich war irgendwie noch nicht ganz wach. Außerdem sollte mich ein Police Officer abholen. Wer sind Sie denn?“

      „Ich bin Sergeant Sarah Brown, und mir wurde aufgetragen, Sie in den nächsten Wochen zu unterstützen, denn mein Kollege wurde krank. Darum wurde ich Ihnen zugeteilt. Haben Sie etwa Vorurteile gegenüber Frauen im Polizeidienst?“, fragte sie spitz.

      „Nein, nein, ich war nur nicht darauf vorbereitet.“ John grinste. „Ich werde mich noch schnell anziehen, wenn es Ihnen recht ist.“

      „Natürlich, Mr. Down.“

      John schlenderte von der Tür wieder zurück ins Zimmer. Dort zog er sich seine Kleidung, die er gestern über den Fernsehsessel gelegt hatte, wieder an. Als er wieder zur Tür schritt, die noch offen stand, musterte er Sergeant Sarah Brown sehr genau von Kopf bis Fuß. Ihre blonden Haare waren hinten zu einem Mob aufgesteckt. Das sah man auch unter ihrer Police Officer-Kappe. Ihr Alter? Wohl Mitte zwanzig. Ihre Hände zitterten leicht, so als wäre sie nervös. Dieser Eindruck verstärkte sich durch ihre Mimik, die sowohl Verlegenheit als auch Unsicherheit bedeuten konnte. Entweder ist ihr der Anblick von meinem nackten Körper unangenehm, dachte John belustigt, oder sie ist noch nicht sonderlich lange bei der Polizei. Es könnte natürlich auch beides zutreffen. John trat nahe an Sarah heran. „Ich brauche dringend einen Kaffee und ein oder zwei Zigaretten, sonst bin ich heute zu nichts fähig. Kennen Sie hier in der Nähe ein nettes Lokal? Dort können wir auch gleich die ersten Fakten besprechen. Ist das in Ordnung für Sie?“

      Sarah nickte. „Im Dorfzentrum gibt es ein kleines Café. Es ist das einzige hier in der Nähe und heißt ‚De Luga‘, was immer auch das bedeuten soll, aber es ist ganz nett.“

      „Sehr gut, dann machen wir uns auf den Weg. Ist es okay, wenn ich Sie Sarah nenne? Sie können mich auch John nennen, ich habe die Einfachheit lieber als das förmliche Geschwafel.“

      „Einverstanden!“

      John merkte ihr an, dass es ihr nicht ganz recht war, denn man verliert schnell seine Autorität, wenn es zu persönlich wird, doch er hätte sich so oder so nicht daran gehalten, er wollte nur den Schein der Höflichkeit wahren. Dann stiegen beide in den Streifenwagen, den Sarah direkt neben Johns Auto geparkt hatte.

      „Sind Sie hier geboren?“, fragte John, während Sarah das Fahrzeug zurücksetzte.

      „Ja, das bin ich, aber hier in dieser Gegend hat man als junger Mensch nur die Möglichkeit wegzuziehen oder sich den Gegebenheiten anzupassen. Als Frau heißt das Kinderkriegen und Hausfrau werden oder eben sein Glück in einer Großstadt suchen.“ Sarah lenkte das Auto auf die Straße und fuhr in Richtung Dorfkern.

      John grinste. „Oder man wird Police Officer, habe ich recht?“

      „Ja, Mr. Down. Oder man wird Police Officer.“

      „Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass Sie mich John nennen, also bleiben wir auch dabei. Und, Sarah, bereitet Ihnen die Arbeit als Police Officer Freude?“

      „Freude ist vielleicht das falsche Wort, aber ich habe mich mit meiner Arbeit arrangiert. Es passiert einfach viel zu wenig hier in dieser Gegend, als dass man ausgelastet wäre, und darum wird man hier einfach nicht gefordert. Und ich bin ein Mensch, der die Herausforderung sucht. Sie verstehen hoffentlich, was ich meine.“

      „Natürlich, darum könnte der Fall hier genau das sein, was Sie suchen.“

      Sarah parkte den Streifenwagen auf dem Dorfplatz. Dieser war nicht sonderlich groß; genau genommen war es eine längliche Straße von rund 200 Metern, die als Fußgängerzone ausgewiesen war. Trotzdem konnte man diese einspurig in eine Richtung befahren. Fast alle Geschäfte des Dorfes befanden sich hier: ein Lebensmittelmarkt, eine Trafik, ein Kleidergeschäft. Auch einen Handwerkerladen und noch ein paar andere kleinere Läden fand man dort sowie das Café De Luga.

      Nachdem Sarah und John ausgestiegen waren und langsam in Richtung Café trotteten, hörten sie ein lautes blechernes Geräusch. Hastig drehten sie sich um.

      Eine alte Dame schlug mit ihrem Gehstock aus Holz gegen den Streifenwagen und krächzte und fluchte vor sich hin. „Verdammte Polizei! Die kriegen doch nichts auf die Reihe. Wir zahlen Steuern und für was? Damit sie hier im Dorf herumlungern und nichts tun. Gerade gestern hat jemand meine Hausmauer besprüht, und was bekommt man zu hören? Es tut uns leid, da können wir Ihnen nicht helfen. Ja, die wollen gar nicht helfen, das ist die Wahrheit!“

      Sarah marschierte zu der alten Dame, die aussah, als wäre sie auf den Gehstock angewiesen. Sie hatte einen krummen Buckel und grau-braune Haare. Sie musste schon weit über 80 Jahre alt sein, und John hoffte nur, sie würde durch ihren Wutanfall nicht gleich aus den Latschen kippen.

      Sarah versuchte, sie zu beruhigen. „Miss Nilgerst, beruhigen Sie sich. Wir haben Ihnen doch gestern schon auf der Wache gesagt, dass wir dem nachgehen werden. Es tut mir leid wegen Ihrer Hausmauer, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir alles tun, um diejenigen zu finden, die sie besprüht haben. Und jetzt unterlassen Sie bitte das Schlagen auf meinen Streifenwagen, sonst muss ich noch eine Anzeige gegen Sie aufnehmen. Haben Sie mich jetzt verstanden? Ich werde das nicht noch einmal wiederholen.“

      „Ja, ja, wie Sie meinen!“ Wütend zog die alte Dame von dannen.

      „Wer oder was war das denn?“, fragte John stirnrunzelnd.

      „Das war Miss Nilgerst! Sie ist erst vor Kurzem in die Stadt gezogen. Gut fünf Minuten von hier hat sie ein kleines Häuschen gekauft und seitdem hält sie uns ständig auf Trab. Jeden zweiten, dritten Tag hat sie eine Beschwerde oder ein Anliegen. Mal ist es ihre verschwundene Katze, ein anderes Mal will sie beobachtet haben, wie der Müllmann ihre Mülltonnen durchwühlt oder der Postbote schon geöffnete Briefe, die an sie adressiert sind, zustellt. Sie verstehen, sie sieht überall etwas, wo nichts ist, außer gestern, denn die Jugendlichen hier in der Gegend bezeichnen sie als alte Hexe und genau das haben sie auf ihre Hausmauer gesprüht. Ein jugendlicher Streich, mehr nicht. In meinen Augen hat diese Frau nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Sarah begutachtete den Streifenwagen, und da dieser keine Beule abbekommen hatte, schlenderten beide wieder in Richtung Café.

      Dort angelangt, öffnete John die Eingangstür, betrat als Erster das Lokal und hielt ihr die Türe auf.

      „Ein Gentleman der alten Schule!“ Sarah lächelte ihn an. „Das gefällt mir. Danke.“

      „Keine Ursache.“

      Der Raum war sehr rustikal eingerichtet. Dunkles Eichenholz prägte das Gesamtbild. Eine kleine Theke mit wenigen Barhockern war der erste Blickfang, und rechts daneben standen einige Tische mit Stühlen, die jeweils auf vier Personen ausgelegt waren.

      Gleich nachdem sich beide gesetzt hatten, kam der Kellner zu ihnen. „Was darf es denn heute sein, Sarah? Das Übliche?“

      „Hallo, Edgar. Ja, genau, das Übliche, danke.“

      „Und für Sie, Sir? Was darf ich Ihnen bringen?“

      „Bitte einen Kaffee ohne Milch!“

      Der Kellner verschwand hinter dem Tresen und bereitete das Bestellte zu.

      „Sie sind also öfter hier, wie ich vermute?“, fragte John. „Was ist denn dem Kellner passiert?“

      „Sie meinen Edgar? Ja, ich bin fast jeden Tag hier.

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