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diesem Unternehmen angesagt war. Viel mehr hätte er aber auch nicht aufbieten können. »Becker, sehr erfreut«, sagte er mit fester Stimme.

      In Jagels Büro gab es viel Glas und polierten Stahl, ein palmenartiges Gewächs sorgte für Karibik-Flair und an den Wänden hingen kunstvoll eingefärbte Fotos von Windrädern, die aus allen möglichen Perspektiven aufgenommen worden waren. Als sie mit dampfendem Kaffee am Besprechungstisch saßen, erläuterte Tom sein Anliegen: Er sei auf der Durchreise und interessiere sich, wie schon telefonisch angedeutet, für Gelegenheiten, in Windkraftanlagen zu investieren. Von der Starkwind AG habe er einen passablen Eindruck gewonnen, deshalb sei er persönlich vorbeigekommen.

      »Das ist ungewöhnlich, so kurzfristig«, sagte Jagel mit einem feinen Lächeln, »aber zum Glück kann ich mir heute dafür eine Viertelstunde Zeit nehmen.«

      Das Signal war einfach zu deuten: Jagel markierte Grenzen – nicht er wollte dem Investor dienen, sondern der Investor war der Bittsteller. Tom rückte seine nutzlose Goldrandbrille zurecht. »Dann lassen Sie uns doch gleich zum Wesentlichen kommen, Herr Jagel. Ich beabsichtige ein Engagement in Höhe von fünf bis zehn Millionen Euro.«

      In Jagels Gesicht tat sich nichts. Entweder hatte er sein Minenspiel gut unter Kontrolle oder er war nicht auf der Suche nach Investoren. Vielleicht hantierte sein Unternehmen auch mit weitaus höheren Summen, als Tom erwartet hatte. Jagels Stimme klang so, als habe ein Sparkassenkunde angekündigt, mal wieder zweihundert Euro einzuzahlen. »An welchen Zeitraum dachten Sie?«

      »So bald wie möglich.«

      »Darf ich fragen, aus welcher Branche Sie kommen, Herr Becker?«

      Tom versuchte sich an einem gepflegten Lächeln, bevor er antwortete. »Software, Fintech. Wir haben einige erfolgreiche Apps programmiert. Inzwischen habe ich meine Geschäftsanteile verkauft und bin jetzt Privatier.«

      Diese Berufsbezeichnung schien Jagel fürs Erste zu genügen. »Wir haben mehrere Projekte in Vorbereitung«, erklärte er, »aber Sie wissen natürlich, dass Genehmigungen für neue Windparks in den letzten Jahren ausgesprochen schwer zu bekommen sind – vor allem in Deutschland. Haben Sie eine bestimmte Region im Blick?«

      »Das Projekt auf der Friedländer Großen Wiese zum Beispiel.«

      Der Geschäftsführer der Starkwind AG sah ihn überrascht an. Sein feines Lächeln verlor etwas von seiner Feinheit. »Woher wissen Sie davon? Wir haben bislang nichts veröffentlicht.«

      »Man hat so seine Quellen. Ich hörte, es gebe Schwierigkeiten?«

      Jagel zögerte einen Moment. Er schien nach einer angemessenen, also nichtssagenden Formulierung zu suchen. »Die Friedländer Wiese gehört zu den komplexen Projekten. Ich würde Ihnen etwas anderes empfehlen.«

      »Woran liegt‘s? Das Gebiet ist doch perfekt: Kaum Besiedlung, für die Landwirtschaft nicht übermäßig wertvoll.«

      »Es gibt da einige ganz spezifische Hindernisse«, sagte Jagel. »Aber wir haben in Brandenburg gerade ein vielversprechendes Projekt. Baubeginn wäre schon im kommenden …«

      »Moment«, unterbrach Tom den Geschäftsführer, leicht ungehalten. »Was sind das für Hindernisse?«

      Das linke Augenlid des Windkraft-Managers zuckte. Nahm er Tom den eigenbrötlerischen Investor ab? Oder spielte er das Spielchen nur mit, um herauszubekommen, wer sein kurzfristig angereister Gast wirklich war? Es gab ja einige Möglichkeiten: ein Journalist, ein Konkurrent, ein Spion aus der Naturschutzszene. Jagel ließ sich nicht in die Karten schauen. »Dazu kann ich nicht viel sagen. Es geht um Grundstücke und es geht um Greifvögel. Das Übliche.«

      »Der Rotmilan? Die Viecher sind eine echte Landplage geworden.«

      War das zu viel Anbiederung? Jagel lehnte sich zurück und betrachtete Tom mit schief gelegtem Kopf. »Ja, man kann sich darüber ärgern, aber natürlich respektieren wir die Naturschutzbelange vollumfänglich.«

      Tom rümpfte die Nase. »Ich hatte gehofft, dass Sie mir bessere Auskünfte geben können.«

      »Bei dem Projekt in Brandenburg sind solche Hindernisse kein Thema. Ich würde Ihnen gern …«

      »Brandenburg interessiert mich nicht«, sagte Tom, jetzt etwas schärfer im Ton. »Ich würde gern wissen, warum Ihr Unternehmen nicht in der Lage ist, nach Jahren der Vorplanung auf der Friedländer Großen Wiese einen Windpark zu errichten.«

      Das war zu viel; er musste aufpassen, nicht aus der Rolle zu fallen. Jagel sah ihn einigermaßen entgeistert an. »Darf ich fragen, warum Sie so auf diesem Projekt herumreiten? Es ist doch letztendlich egal, wo sich die Mühlen drehen.« Er lachte kurz auf, aber Toms starrer Blick ließ ihn schnell wieder verstummen.

      »Oder sind Sie gar nicht hier, um zu investieren? Sind Sie Grundstückseigentümer, sind Sie von den Verzögerungen irgendwie betroffen? Ich habe volles Verständnis dafür.«

      Er zweifelte also tatsächlich an den Absichten des Herrn Becker. Tom musste schlucken.

      »Schauen Sie«, sagte er in einem eisigen Tonfall. »Ich denke mir das so: Wer in einem Fall Schwierigkeiten nicht aus dem Weg räumen kann, der schafft es auch bei anderen Gelegenheiten nicht. Ich gebe mein Geld nur in Hände von Leuten, die Probleme lösen, anstatt sie vor sich her zu schieben.«

      Es kam wohl nicht oft vor, dass Jagel, Geschäftsführer und Mitgesellschafter eines Unternehmens mit mehr als 70 Mitarbeitern, derart angegangen wurde.

      Sein feiner Kragen war kurz davor zu platzen. »Und ich, Herr Becker, biete Investoren nur Projekte an, die vertraglich abgesichert sind. Beim Windpark auf der Friedländer Großen Wiese fehlt dazu noch ein Daumenbreit, mehr nicht. Die Probleme werden gelöst, mit allen gebotenen Mitteln. Aber noch ist es nicht so weit.«

      »Na also, das ist doch ein Wort. Sie regeln das. Und ich komme wieder, sobald es so weit ist. Mit welchem Zeitraum darf ich rechnen?«

      Jagel wich seinem Blick für Sekundenbruchteile aus. »In einer Woche sollten alle Ampeln auf Grün stehen.« Seine Stimme hatte einen hohlen Klang. Die Aussage war ihm offenbar unangenehm, aber er konnte nicht mehr zurück.

      »Wenn Sie Unterstützung brauchen: Ich bin gern für Sie da«, sagte Tom. »Ich mag es, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Sollte es nötig sein, würde ich mich auch finanziell engagieren. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      Jagel schüttelte den Kopf. »Wenn Leute Prinzipien über alles andere stellen, dann hilft uns Geld nicht weiter. Danke für Ihr Angebot, aber ich denke, dass wir die Sache mit unseren Mitteln zu Ende bringen.«

      Er stand unvermittelt auf. »Sie sollten Ihre Adresse hinterlassen, Herr Becker, damit wir Sie auf dem Laufenden halten können. Ich zeige Ihnen gern den Standort – aber Sie sind ja ohnehin schon gut informiert.«

      Vom Fenster aus konnte man einen Teil des Parkplatzes überblicken. Obwohl Jagel ihn nun unverkennbar loswerden wollte, nahm sich Tom noch einmal die Zeit, in aller Ruhe die Asphaltwüste zu betrachten.

      »Ich habe gesehen, dass hier viele Mitarbeiter elektrisch fahren. Das gehört bei einem Unternehmen wie Ihrem zum Pflichtprogramm, oder?«

      Jagel nickte. Er wirkte erleichtert, in den Small Talk-Modus umschalten zu können.

      »Wir müssen die regenerativen Energien nicht nur ausbauen, wir müssen sie auch nutzen. Unsere Firma hat ein eigenes Förderprogramm für Mitarbeiter, die sich ein E-Fahrzeug zulegen wollen. Das läuft so gut, dass wir dringend mehr Ladesäulen benötigen.«

      »Und Sie selbst? Lassen Sie mich raten: der blaue Porsche?«

      Jagel fand sein feines Lächeln wieder. »Sie haben ja genau hingesehen. Ist schon mein zweiter Stromer. Was anderes kommt für mich nicht mehr in Frage.«

      Tom verabschiedete sich. Natürlich unterließ er es, irgendjemandem irgendeine Adresse zu geben. Er wandte sich noch einmal dem Firmenparkplatz zu und schlenderte zu Jagels Porsche, der gerade an einer der drei Ladesäulen hing. Mit prüfender Miene umrundete er das Auto. Er musste damit rechnen, dass er beobachtet wurde.

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