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kann. In der großen Bauernstube von Rupert und seiner Familie waren die Buben gerne gesehen und durften sich am Jausenbrot bedienen, wann immer sie wollten. Zu dieser Zeit backten die Bäuerinnen ihr Schwarzbrot selbst und daher schmeckte das Brot beim Nachbarn anders und „besser“. Den Buben fiel auf, das Rupert stets die Rinde vom Brot trennte, was die beiden gerade wegen der Kruste gerne aßen. Erst später fanden sie heraus, dass seine wenigen Zähne der Grund dafür waren. Da sich Rupert nach dem Essen gerne eine Zigarette gönnte, hatte er auch nichts dagegen, wenn Pauli und Martin ebenfalls rauchten. Eine Solidaritätsbekundung der besonderen Art.

      Da die Eltern von Martin durch die Land- und Gastwirtschaft sieben Tage in der Woche zwischen 15 und 19 Stunden arbeiteten, hatte sie keine Zeit für die Erziehung ihrer Kinder. Pauli und Martin waren gerne im Auwald, fischten im Bach und brieten sich die Barben an einer selbst gegrabenen Feuerstelle. Retteten einem Frosch das Leben, der zuvor von einer Ringelnatter geschluckt wurde, indem sie diese mit einem Messer öffneten. Bei einem Streifzug durch einen ausgetrockneten Wassergraben entdeckten sie ein für sie unbekanntes Kriegsrelikt und nahmen es mit. Am Heimweg trafen sie auf einen alten Mann aus dem Nachbardorf, der mit seinem Ziehwagen Grünfutter nach Hause brachte. Sie warfen mehrmals das Kriegsrelikt auf seinen Wagen, von dem es mehrmals wieder runterfiel. Zu Hause angekommen fiel der Vater von Martin fast in Ohnmacht, als er das Kriegsrelikt als Panzerfaust identifizierte. Glücklicher Weise ist nichts passiert, sonst wären alle drei Personen gestorben und die Kühe ohne Grünfutter gewesen.

      Ein 10-Jähriger von damals hatte bis dato noch keinen nackten Menschen gesehen. Martin bekam Schamgefühle und errötete, als er mit acht Jahren vom Garten aus zufällig sah, wie sein kleiner Bruder Fritz von der Mutter am Fensterbrett gestillt wurde. Nacktsein oder sich so zu zeigen, war zu dieser Zeit höchst unmoralisch. Dennoch existierte am anderen Ende der Gemeinde in Donaunähe eine FKK-Siedlung, die Martin und Pauli nicht verborgen geblieben war. Im Sommerbetrieb schlichen sich die beiden an das Gelände heran, um die eine oder andere nackte Frau zu sehen. Das war immer ein gefährliches Unterfangen, denn meist wurden die unerwünschten Beobachter entdeckt und von den wütenden Männern durch den Auwald gejagt. Dabei hatten sie meist das Gefühl, als müssten sie um ihr Leben laufen.

      Beliebte Gruppenspiele mit weiteren Schulfreunden waren neben der Errichtung von Schneemännern im Winter das Fang- und das Versteckspiel. Bei ersterem musste der Davonlaufende schneller und wendiger sein als der nachlaufende Fänger. Schnelligkeit und Geschicklichkeit waren wichtige Kriterien, um erfolgreich zu sein. Unbewusst trainierten die Jugendlichen damit ihren Körper, was für ihre Entwicklung bzw. ihr späteres Leben wichtig war. Beim Versteckspiel musste der Erstgefundene, nachdem er mit geschlossenen Augen an einem bestimmten Platz bis 30 zu zählen hatte, die anderen suchen gehen. Wenn jemand ungesehen seinen Zählplatz erreichte, konnte er sich mit den Worten: „eins, zwei, drei, ich bin frei!“ freischlagen. Martin und Pauli liebten dieses Spiel auf einem Bauernhof, wenn sie sich mit einem Mädchen ihres Alters am Heuboden verstecken konnten. Um so wenig wie möglich gesehen zu werden, musste man sich natürlich eng zusammenkuscheln. Es ergaben sich die ersten Möglichkeiten, ein Mädchen zu berühren, zu küssen und auf seine Reaktion zu warten. Denn es sollte ja noch mehr geben als das bloße Aneinanderpressen der beiden Lippenpaare. Weniger angenehm war ein Versteckspiel von Martin mit seinem Freund Ferdinand in der Wohnung seiner Eltern. Der übermütige Martin lief von der Küche in das Wohnzimmer und hüpfte auf das dortige Sofa, das ihn mit seinen Federn an die Wand warf. Martin war einige Zeit nicht ansprechbar und bekam auf der linken Stirnhälfte eine riesige Beule. Aber den Eltern sagte er nichts davon, weil er Angst hatte, auch noch beschimpft zu werden. Und aufgefallen ist es ihnen auch nicht. Mit Ferdinand, der um eineinhalb Jahre älter war als Martin, sprang er auch gerne in den Bachtümpel, der in der Nähe seines Elternhauses war und einen einfachen Übergang hatte. Viele Stunden verbrachten die beiden in der natürlichen Umgebung. Durch den Besuch des Stiftsgymnasiums von Ferdinand schwächten sich die gemeinsamen Jugendaktivitäten leider ab.

      Ein besonderes Ereignis für Kinder und Jugendliche war der jährliche „Leonhardikirtag“, der am 6. November eines Jahres zu Ehren des heiligen Leonhard im Nachbarort abgehalten wurde. Zuvor allerdings musste Martin mit seinen Ministrantenkollegen den Pfarrer und die betende Prozession in den 3 km entfernten Ort begleiten und in der dortigen Kirche eine Messe zu Ehren des Heiligen aus dem 7. Jahrhundert mitfeiern. Die liturgischen Notwendigkeiten und den damit verbundenen Fußweg nahmen die Kinder und Jugendlichen aus dem Nachbarort gerne in Kauf, wenn sie an die vielen und seltenen Angebote dachten. Im Ortszentrum und den angrenzenden Wiesen standen einfache Karusselle und Ringelspiele, die die Kinder gerne nutzten, um in den Genuss der Fliehkraft zu gelangen. Schießbuden wurden gestürmt, um eine Rose für ein sympathisches Mädchen zu erlangen. Für die jugendlichen „Schleckermäuler“ gab es Schokolade in vielfältiger Art und Form, „Negerbrot“ (einfache Milchschokolade mit Haselnüssen), Lebkuchenherzen zum Verschenken an die Liebste, Schaumrollen und vieles mehr. Auch Strickwaren und Kleidungsstücke konnte man erwerben. Was Martin und seine Freunde jedoch am meisten interessierte, waren Revolver, die mit Stoppeln oder Kapseln geladen wurden. Die Stoppeln waren aus gepressten Sägespänen, gefüllt mit Zündplättchen und entsprechenden Oxidationsmitteln, die beim Abfeuern einen großen Knall wie eine echte Faustfeuerwaffe machten. Der aufgesetzte Stoppel flog 1 bis 2 m weit, was beim Einsatz zu berücksichtigen war. Der Kapselrevolver wurde bestückt mit einer kleinen Papierrolle, auf der die Knallkörper in Tropfenform eingeschlossen waren und erst durch einen Schlagbolzen explodierten und dadurch zu hören waren. Die jungen Knaben kratzten ihr Taschengeld zusammen, um sich mit „Waffe und Munition“ längerfristig einzudecken. Denn Cowboy- und Indianerspiele ohne Waffen waren angesichts der Karl May-Impressionen undenkbar.

      Eine besondere Reizfigur für alle Jugendlichen im Ort war der Bauhilfsarbeiter August, der mit seiner Steffi in einem alten Haus eines Bauern wohnte. Bei ihm gewann man den Eindruck, dass seine Gedächtnisleistung mit seinen schnellen Aktivitäten nicht Schritt halten konnte. Steffi hingegen war eine äußerst gutgläubige Frau. In ihrer Wohnumgebung war ein Graben, der sich schon bei leichten Überflutungen der Donau mit Wasser füllte. Die Geschwindigkeit des Anstiegs war und ist ein wichtiger Indikator über die Höhe bzw. Gefährlichkeit des Hochwassers. August fühlte sich wie ein Mitarbeiter des hydrografischen Dienstes, wenn er den Wasserstand beobachtete und seine Einschätzung der übrigen Bevölkerung gerne und mit bestimmender Gewissheit mitteilte. Dazu steckte er einen Holzstock am Wasserrand in die Erde und beobachtete diesen in Abständen von etwa von einer Stunde. Wenn sich das Wasser vom Stock entfernte, bedeutete das einen Rückgang des Hochwassers. Wenn jedoch der Stock im Wasser stand, war das ein Alarmzeichen für ein Ansteigen des Hochwassers. Martin und Pauli beobachteten ihn und in einem unbemerkten Augenblick zogen sie den hölzernen Messpegel heraus und setzten diesen ins Wasser. Als August seinen Kontrollgang machte und seinen Messstab tief im Wasser sah, schlug er Alarm und rannte zu seiner Steffi, um die Evakuierungsarbeiten im und ums Haus zu beginnen. Er war wie verrückt, denn, wenn das Hochwasser in dieser Geschwindigkeit weitersteigt, steht nach seiner Expertise das Erdgeschoß innerhalt von wenigen Stunden unter Wasser. Erst als die beiden begannen, das an der Hausmauer aufgeschichtete Holz auf den Dachboden zu bringen, wurden sie von Martin und Pauli aufgeklärt, dass sich „Unbekannte“ einen Spaß erlaubten und den Messstab versetzten. August war wütend, jedoch wiederum froh, dass er und Steffi die Evakuierungsmaßnahmen beenden konnten.

      Ein andermal machte August bei jenem Bauern, der ihm seine „Villa“ zu einer Anerkennungsmiete überließ, Vorbereitungen für das Sprengen der Obstbaumstöcke. Der Bauer hatte die Obstbäume in seinem Garten umgeschnitten, weil er aus dem Obstgarten ein Feld machen wollte. Deshalb mussten die Baumstöcke mit ihren starken und weitverzweigten Wurzeln aus der Erde geschafft werden, um den Garten umpflügen zu können. Am einfachsten gelingt so ein Vorhaben durch eine Sprengung – und August war ein Experte dafür. Gegen Abend bohrte er die 20 Wurzelstöcke an, füllte die Löcher mit Schwarzpulver und verband die explosive Masse mit einer Zündschnur. Pauli und Martin waren interessierte Zuschauer dieses nicht alltäglichen Ereignisses. Da es nach Ende der Arbeit bereits finster war und bei einer Sprengung allfällige Schäden nicht eruierbar gewesen wären, entschied er sich, die Sprengung am nächsten Tag vorzunehmen. Pauli und Martin nahm er die Verpflichtung ab, den geladenen Baumstöcken nicht zu nahe zu kommen, was beide einmütig versprachen und sie entfernten sich. Doch ihre Versuchung war stärker als ihr Versprechen und als

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