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mit einfachem Chromosomensatz.

      Viele Insektenarten, Krebse, manche Fische, Eidechsen und zuweilen sogar Truthühner sind fähig, sich auf diese Weise zu vermehren.

      All jene Spezies, die asexuelle oder unisexuelle Fortpflanzung betreiben, müssen für Partnersuche, Balz und Kopulation weder Zeit noch Energie aufwenden. Und dennoch gibt es kein einziges höheres Tier (wie Vogel, Schlange oder Säuger), das sich etwa durch Querteilung vermehrt. Und in der gesamten Natur sind nur rund 1000 Arten bekannt, die sich durch Jungfernzeugung fortpflanzen – im Vergleich zu Abermillionen Spezies, die Sex haben.

      Trotz aller augenscheinlichen Nachteile muss also das Prinzip der sexuellen Verschmelzung den jeweiligen Spezies einen so großen Vorteil sichern, dass es sich bei fast allen heute existierenden Arten durchgesetzt hat.

      Um eine Erklärung für das Mysterium Sex zu finden, richten Naturwissenschaftler ihren Blick tief in die Vergangenheit des Lebens.

      Vor rund 1,5 Milliarden Jahren – so vermuten jedenfalls manche Forscher – gab es bereits eine Urform sexueller Begegnung.

      Damals existierten nur Bakterien und Einzeller, die sich durch Querteilung und Knospung vermehrten. Manchmal aber, infolge eines evolutionären Zufalls, übertrug ein Bakterium einen Teil seines Erbguts auf ein anderes. Der Empfänger konnte auf diese Weise etwa ein beschädigtes Stück der eigenen DNS ersetzen oder an zusätzliche Erbinformationen gelangen.

      Dazu bildete das Spender-Bakterium eine schlauchförmige Verbindung und schleuste DNS in die benachbarte Zelle. Das Empfänger-Bakterium baute die Erbinformationen in sein eigenes Erbgut ein. Es kam zu einer Verschmelzung.

      Am Anfang hatte Sex also nichts mit Vermehrung zu tun, sondern: mit Reparatur.

      Im Laufe der Entwicklungsgeschichte ging die Methode des DNS-Austausches auch auf andere Spezies über, etwa auf Pantoffeltierchen oder andere Einzeller mit Zellkern. Wie genau, das können sich die Forscher noch immer nicht erklären. Ganz offensichtlich aber war die Vereinigung von Anfang an ein Erfolgsrezept: Millionen Jahre später bildete sie die Grundlage aller drei großen Organismenreiche: der Pflanzen, Tiere und Pilze.

      Denn während die Knospung nur identische Klone des „Muttertieres“ hervorbrachte, erschuf die sexuelle Verschmelzung von Erbinformationen immer neue DNS-Kombinationen. Die Durchmischung war so etwas wie eine Innovationsschmiede für das Erbgut einer Art.

      Eine Revolution, die bis heute einen immensen Vorteil mit sich bringt.

      Denn durch den Sex können sich Individuen leichter an Lebensbedingungen anpassen, die sich im Laufe von Jahrtausenden ja ständig ändern: Temperatur und Klima wandeln sich, die Evolution bringt neue Feinde hervor, Konkurrenten machen einer etablierten Art plötzlich Reviere streitig; neue Krankheiten bedrohen eine Spezies.

      Viren etwa versuchen auf immer neuen Wegen in die Zellen eines Wirtsorganismus einzudringen und sich dort zu vermehren, Bakterien besiedeln Schleimhäute und andere Gewebe. Das jeweilige Abwehrsystem des Wirts versucht dann, die Eindringlinge zu erkennen und zu vernichten.

      Bakterien vermehren sich aber extrem rasch – einige bringen es auf bis zu 50 Generationen pro Tag. Durch Sonnenlicht und chemische Prozesse treten bei ihnen manchmal zufällige Veränderungen des Erbguts auf; zwar kommt es nur bei einer von zehn Millionen Zellteilungen zu einer Mutation. Und doch: Bakterien vervielfältigen sich unter günstigen Bedingungen so rasant, dass an einem Tag Tausende Genmutanten entstehen.

      Die Mutationen können nun durch Zufall bewirken, dass ein Bakterium das Immunsystem des Wirts austrickst. Indem es zum Beispiel eine andere Oberfläche ausbildet oder sich mit Schleim tarnt und so von den Abwehrzellen des Wirts nicht erkannt wird.

      Wenn in einer solchen Situation alle Individuen einer Wirts-Art genetisch identisch sind, können neue aggressive Bakterien nach und nach die gesamte Spezies auslöschen. Denn die Wirte haben ja alle das gleiche Immunsystem und sind nicht mehr in der Lage, die trickreichen Krankheitserreger abzuwehren.

      Sex dagegen bedeutet Varietät. Und die erhöht die Überlebenschancen: Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit werden immer ein paar Mitglieder einer Population neue Viren und Bakterien abwehren können – und so überleben.

      Doch auch die Krankheitserreger verändern sich fortwährend. Es beginnt eine Art Wettkampf, der zu immer neuen Erbgut-Mischungen führt.

      Heute gehen die meisten Biologen davon aus, dass genau dies das Erfolgsgeheimnis der sexuellen Vermehrung ist: Sie bietet einen größeren Abwehrschutz gegen Krankheitserreger – etwa Parasiten, die gefährlichsten Feinde der Menschen, Tiere und Pflanzen.

      Der vermeintliche Nachteil ist also in Wahrheit ein Vorteil: Nur weil jedes Individuum beim Sex nicht mehr als die Hälfte seiner eigenen DNS preisgibt, ist die Durchmischung möglich.

      Hier greift, ganz anders als von vielen Wissenschaftlern zunächst vermutet, eine Regel der Evolutionstheorie: das Überleben des Bestangepassten.

      Unter den Bedingungen der natürlichen Selektion setzen sich nämlich immer jene Arten durch, die andere aus dem Feld schlagen. Die geschickter vor Feinden auszuweichen vermögen, sich damit schneller fortpflanzen und verbreiten, schneller wachsen.

      So lässt sich auch begründen, wieso es exakt zwei Geschlechter gibt: weil es überaus effizient ist. Es wäre viel komplizierter, müssten für jede Befruchtung drei oder gar fünf verschiedene Keimzellen aus unterschiedlichen Organismen miteinander verschmelzen.

      ENTSTANDEN IST DER UNTERSCHIED der Geschlechter vermutlich durch eine Art Arbeitsteilung beim Sex: In Vielzellern spezialisierten sich einige Zellen zu Keimzellen. Verschmolzen sie miteinander, entstand neues Leben.

      Als das Prinzip der Zellverschmelzung erst einmal existierte, war es vorteilhaft, dass es zwei Sorten von Keimzellen gab: große Zellen (Eizellen) mit genügend Nährstoffreserven für den heranwachsenden Embryo sowie möglichst kleine Zellen (Spermien), die sich schnell bewegen, um die große Zelle zu erreichen und zu befruchten. Je kleiner die Spermien waren, desto weniger Energie verbrauchten sie bei ihrer Suche nach einer Eizelle.

      Heute verteilen sich die Rollen „männlich“ und „weiblich“ aber nicht immer auf zwei verschiedene Wesen: In der Natur gibt es eine Vielzahl von Zwittern, so bei Schwämmen, bei Würmern und Egeln, Käferschnecken und Muscheln, Seepocken und einigen Fischen. Auch die meisten Blütenpflanzen sind doppelgeschlechtlich.

      Nur wenige Zwitterwesen vermögen sich jedoch selbst zu befruchten. Die meisten gehen ganz klassisch – wie Männchen und Weibchen auch – auf Partnersuche.

      Die karibischen Sägefische etwa treffen sich in der Dunkelheit und gesellen sich zu Paaren. Der eine krümmt dann seinen Leib, spreizt die Flossen und zittert mit ihnen. Der Partner schwimmt nach oben und stößt eine Spermienwolke aus. Der untere Fisch laicht Eier, die sich mit den herabsinkenden Spermien vermischen und nach der Befruchtung im Meer davontreiben.

      Danach beginnt das Werben von vorn – diesmal mit vertauschten Geschlechterrollen.

      Doch solch ein Doppelspiel ist aufwendig, es lohnt sich nur bei Arten, die etwa weit verstreut leben: Treffen sich zwei Individuen, kommt es in jedem Fall zur Fortpflanzung.

      Vermutlich wegen der hohen Kosten hat die Evolution einen effizienteren Weg eingeschlagen und Spezialisten ausgebildet: Männchen und Weibchen. Die einen verlegten sich auf die Produktion von Spermien, die anderen steuerten die Eizellen bei.

      Fortan waltete zwischen den Geschlechtern ein Auswahlprinzip, das schon Darwin auffiel: Fast immer sind es die Weibchen, die sich für ein werbendes Männchen entscheiden – nicht umgekehrt. Und: Die zukünftigen Muttertiere gehen bei der Wahl eines Partners sehr sorgfältig vor.

      Moderne Forschungen bestätigen den Befund: Jenes Geschlecht, das den höheren Aufwand in die Aufzucht der Nachkommen investiert, muss bei der Partnersuche sehr gewissenhaft vorgehen. Ein Fehlgriff wäre fatal.

      Denn Eizellen sind kostbar und selten; Spermien dagegen im Überfluss vorhanden.

      So werden etwa die maximal

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