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Ich war HEINTJE. Jan Adriaan Zwarteveen
Читать онлайн.Название Ich war HEINTJE
Год выпуска 0
isbn 9783906872506
Автор произведения Jan Adriaan Zwarteveen
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Wie ich Hein gegenübersitze, muss ich daran denken, dass von diesem Mann weltweit 60 Millionen Tonträger verkauft wurden, und es scheint mir erstaunlich, dass in Holland nie jemand auf die Idee gekommen ist, etwas Neues von ihm herauszubringen, umso mehr, als Hein immer noch eine volltönende ausdrucksvolle Stimme hat.
Am nächsten Tag ist in Holland bei der Buma-Gala in ’s-Hertogenbosch der gleiche Auftrieb an Medienleuten wie in Westerlo. Populäre Fernsehsendungen, wie Een Vandaag ([Sender] 1 Heute) und De Wereld Draait Door (Die Welt dreht durch) wollen Hein für einen Exklusivauftritt gewinnen. Als er nichts davon wissen will, weil er niemanden ausschließen möchte, verzichten beide auf Exklusivität, und so präsentiert Hein Simons um 18.30 Uhr bei Een Vandaag und um 19.00 Uhr bei Mathijs van Nieuwkerk vom DWDD sein neues Album Thuis.
Ein bisschen Familiengeschichte
Heins Vater Laurens Henri Nicolas Simons, mit Rufnamen Hendrik, wurde am 13. August 1922 geboren. Sein Vater, Heins Großvater, kam aus Eijsden in den Niederlanden. Die Familie von Heins Großmutter war aus Kelmis im ehemaligen Kleinstaat Moresnet, der von 1816 bis 1919 ein neutrales Territorium zwischen den Niederlanden und Preußen, sowie ab 1830 auch Belgien, war. Das ist allerdings schon Geschichte, als Heins Vater das Licht der Welt erblickte. Heins Mutter Johanna Agnes Pauline Garretsen, ihr Rufname war Hanni, wurde am 12. Dezember 1934 in Heerlen als Kind holländischer Eltern geboren. Der Süden der Niederlande war in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich römisch-katholisch, so auch Hendrik Simons und Johanna Garretsen.
Heerlen war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein ziemlich abgelegenes Dorf. Die Bevölkerung lebte hauptsächlich von der Landwirtschaft und die Infrastruktur ließ zu wünschen übrig. Wer mit dem Zug verreisen wollte, musste erst einmal nach Simpelveld oder Sittard, um nach Maastricht oder Aachen weiterzukommen. Mit der Postkutsche konnte man allenfalls das nahegelegene Valkenburg erreichen.
Im Schatten der Kohle
Doch ab 1894 änderte sich die Situation grundlegend. In diesem Jahr wurde mit dem Bau der Eisenbahn »Oranje-Nassaumijn 1« begonnen, die von 1899–1974 in Betrieb war. Wegen der Bedeutung, die das Gebiet durch den Bergbau gewonnen hatte, musste es verkehrsmäßig besser erschlossen werden, und eine regionale Zugverbindung für den Transport der Steinkohle wurde gebaut, sodass sich in Heerlen 1894 und in den folgenden Jahren nicht nur die Tore zu den Kohlegruben, sondern auch die zum Rest der Welt öffneten.
Die Ehe von Johanna und Hendrik war trotz des Altersunterschieds von zwölf Jahren sehr glücklich. Zusammen waren sie eine starke Einheit und ein gutes Team. Jeden Tag brachte der Förderkorb Hendrik unter Tage, wo das schwarze Gold gefördert wurde. Im Bergwerk wurde in Schichten gearbeitet, dadurch waren die Löhne gut. Jede Gruppe hatte Jetons mit besonderen Merkmalen. Diese Jetons waren von großer Bedeutung, denn man konnte an ihnen erkennen, ob jemand in der Morgen-, der Mittags- oder der Nachtschicht arbeitete. Jeder Bergmann hatte drei Jetons mit der gleichen Nummer. Wer unter Tage arbeitete, musste einen Jeton beim Portier abholen im sogenannten Penning-Büro. Wenn der Jeton eines Bergmanns dort fehlte, wusste man, dass er unter Tage war. Am Ende jeder Schicht mussten die Jetons abgeliefert werden, damit man wusste, dass der Kumpel wieder gesund oben angekommen war. Es gab auch eine Zwischenschicht, wenn eilige Lieferungen bedient werden mussten. Von vier Gruppen blieb jede sechs Stunden unter Tage, sodass im Bergwerk rund um die Uhr gearbeitet wurde. Der Schichtwechsel fand unter Tage am Arbeitsplatz statt. Die Kumpel arbeiteten im Akkord, das heißt, je mehr Kohle gefördert wurde, desto besser war die Bezahlung, so auch bei Hendrik Simons.
Die Bergleute wurden zwar gut bezahlt, die Arbeit war aber außergewöhnlich schwer und schmutzig. Unter Tage herrschte eine bedingungslose Kameradschaft. Hier musste man sich nicht einbürgern, ob Türken, Spanier, Italiener oder Belgier, alle arbeiteten gut zusammen und vertrauten einander blindlings! Am Ende der Schicht wuschen sie einander den Rücken, die Zusammenhörigkeit unter den Kumpels war sehr groß.
Der Bergbau brachte Wohlstand in den Süden der Niederlande. Heerlen entwickelte sich zu einer der reichsten Städte Hollands, das machte sich auch in den Haushalten bemerkbar. Während der Rest von Holland die Wäsche noch von Hand in einer Wanne mit Waschtrommel wusch, gab es in Heerlen schon die ersten elektrischen Waschmaschinen, Staubsauger und Trockenhauben. Trotzdem hoffte Vater Simons, dass seine Kinder nicht wie er im Bergwerk arbeiten müssen.
Als Johanna mit ihrem dritten Kind schwanger war, platzte das Haus in Schaesbergerveld bald aus allen Nähten. In Heerlen baute die Bergwerksgesellschaft ein neues Viertel mit Wohnungen, die die Arbeiter günstig mieten konnten. Die Wohnungen waren großzügig bemessen, modern eingerichtet, und die Familie Simons brauchte für ihr drittes Kind bald mehr Platz. Hendrik schrieb sich für eine dieser Wohnungen ein, die ihm auch bald zugewiesen wurde. Jetzt konnten die Umzugskartons gepackt werden!
So bezog die Familie in der Middelburgstraat 5 eine moderne Wohnung, die mehr Komfort hatte als ihre vorige. Die Häuser besaßen eine hohe Stufe vor der Eingangstür, wo die Frauen im Sommer saßen, um Kartoffeln zu schälen, sich auszuruhen und dabei Freud und Leid des Alltags miteinander zu besprechen. Im Viertel herrschte eine gute Atmosphäre und das Gefühl der Zusammengehörigkeit war groß. Jede kannte das Risiko, dass ihre Männer trugen, die jeden Tag tief unten in der Erde arbeiteten.
Die »ON 1« besaß ein eigenes Elektrizitätswerk, für das 1937 ein Schornstein gebaut wurde, der im Volksmund der »Lange Jan« hieß. Zusammen mit der »Langen Lies«, einem anderen Schornstein, beherrschten die beiden Schornsteine die Skyline von Heeren.
Der Umzug von Schaesbergerveld nach Heerlen bot außer der größeren und schöneren Wohnung einen weiteren Vorteil: Simons Schwester Beppie und der Schwager Klaas wohnten gleich um die Ecke in der Amsterdamstraat 30. Johanna brauchte also nur über die Straße und durch eine kleine Gasse zu gehen, um mit der Schwägerin eine Tasse Kaffee zu trinken und einen Schwatz zu halten. So besuchten sich die Familien nun regelmäßig. Es war kein Problem, man kam einfach durch die Hintertür herein, und jeder war willkommen.
Das Jahr 1955
Das Jahr 1955 wurde ein Schicksalsjahr für die Familie Simons. Sie erfuhren, dass großes Glück und tiefes Leid nahe beieinanderliegen können. Bei Vater Simons zeigten sich erste gesundheitliche Probleme. Der Husten morgens beim Aufstehen war ein Zeichen dafür, dass die Arbeit im Bergwerk ihren Tribut verlangte. Bald plagten ihn auch tagsüber hartnäckige Hustenanfälle, die nicht verschwinden wollten. Mancher von Hendriks Kollegen musste frühzeitig aufhören zu arbeiten, weil der feine Kohlenstaub sich in den Lungen festgesetzt hatte.
Obwohl die Vorschrift verlangte, dass Staubmasken getragen werden, arbeiteten die meisten Kumpel unter Tage ohne. Die Masken waren nicht bequem und darunter wurde es schnell unerträglich warm. Liegend in schmalen und engen Stollen mit manchmal nicht mehr als 50 cm Höhe behinderte die Maske auch die Bewegungsfreiheit.
Die Ohrenschützer wurden ebenfalls nicht gern getragen, weil man dann nicht mehr hören konnte, wenn die Holzstempel knackten, und sich zu bewegen begannen, bevor sie vielleicht brachen und einstürzten. Das Risiko, das die Arbeiter unter Tage eingingen, war groß und jeder wusste, dass der Feinstaub Lungenemphysem und Staublunge verursachen kann. Obwohl jeder Kumpel große Angst davor hatte, deswegen nicht mehr arbeiten zu können, schob doch jeder den Gedanken daran weit von sich, so auch Vater Simons.
Am 12. August hatte Johanna Garretsen ihre dritte Geburt in der Hebammenschule. Mittags um 13.45Uhr kam Hendrik Nicolaas Theodor Simons zur Welt, er wurde unter dem Sternbild Löwe geboren, sein Rufname war Heintje.
Der Vater, der am 13. August Geburtstag hatte, konnte sein Glück kaum fassen, er sagte einem Kollegen: »Ich habe heute das schönste Geburtstagsgeschenk bekommen.« Der Haushalt war nun komplett, zwei Buben und ein Schatz von einer Tochter, was will ein Mensch noch