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Kapitalmarkt Compliance. Karl Richter
Читать онлайн.Название Kapitalmarkt Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811447035
Автор произведения Karl Richter
Жанр Языкознание
Серия C.F. Müller Wirtschaftsrecht
Издательство Bookwire
aa) Zukunftsgerichtete Informationen bei prospektpflichtigen Angeboten
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Besonders sensibel ist stets die Kommunikation über zukunftsgerichtete Angaben bezogen auf den Emittenten.
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So ist zum einen zu bedenken, dass alle in die Zukunft gerichteten Aussagen dem Emittenten entgegengehalten werden können, wenn er später hiervon abweichende Aussagen tätigt. Finden sich z.B. im Lagebericht Prognosen über die erwartete Umsatz- und Ergebnisentwicklung für das nächste Jahr und kommuniziert der Emittent im Rahmen des Pre-Marketing andere Werte, so wird sich der potenzielle Investor fragen, woran dies liegt. Daneben entsteht auch möglicherweise die Pflicht, dies sofort als Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Solche Abweichungen können sich – sofern hierfür keine überzeugende Begründung vorliegt – im Rahmen der Vermarktung negativ auswirken, weil der Emittent dann als unzuverlässig eingestuft wird.
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Darüber hinaus spielt der Umgang mit Prognosen und Schätzungen eine erhebliche Rolle im Zusammenhang mit dem Wertpapierprospekt. Die Aufnahme solcher Werte ist potenziell haftungsrelevant, denn es handelt sich nicht um Fakten, deren Existenz der Emittent im Streitfall nachweisen kann, sondern um zukunftsbezogene Wertungen und Erwartungen. Treten diese nicht ein, so wird ein Emittent sich im Haftungsstreit gegen den Vorwurf verteidigen müssen, seine Prognose hätte er so nicht abgeben dürfen, denn aus der ex post Sicht war sie ja unzutreffend. Daher muss der Emittent sich zur Vermeidung von Prospekthaftungsrisiken so organisieren, dass die Prognose sorgfältig aufgestellt, die evtl. zugrundeliegenden Annahmen transparent dargestellt und dieser Prüfprozess gut dokumentiert wird.
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Der Gesetzgeber ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Werden Gewinnprognosen oder Gewinnschätzungen in einen Wertpapierprospekt im Rahmen einer Aktienemission aufgenommen, müssen nicht nur die diesen zugrundliegenden Annahmen offen gelegt werden, sondern darüber hinaus müssen sie auch mit einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers versehen werden, in der dieser bestätigt, dass die Prognose oder Schätzung nach seiner Meinung auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde (vgl. Anhang I Ziff. 13.2 der EU-Prospektverordnung (EG) 809/2004 vom 29.4.2004). Dabei ist der Umfang der Angaben, die hiervon erfasst werden, insbesondere nach der Auffassung der BaFin, weit. Die Prospektverordnung definiert als Gewinnprognose einen Text, in dem ausdrücklich oder implizit eine Zahl oder eine Mindest- bzw. Höchstzahl für die wahrscheinliche Höhe der Gewinne oder Verluste im laufenden Geschäftsjahr und/oder in den folgenden Geschäftsjahren genannt wird, der Daten enthält, aufgrund deren die Berechnung einer solchen Zahl für künftige Gewinne oder Verluste möglich ist, selbst wenn keine bestimmte Zahl genannt wird und das Wort „Gewinn“ nicht erscheint (Art. 2 Nr. 10 der EU-Prospektverordnung). Hierunter fallen also etwa auch Angaben zum EBIT oder vorläufige Zahlen für ein Geschäftsjahr. Gewinnschätzung bezeichnet eine Gewinnprognose für ein abgelaufenes Geschäftsjahr, für das die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht wurden (Art. 2 Nr. 11 der EU-Prospektverordnung). Aus dieser Definition ergibt sich ein wichtiger Punkt: Gewinnprognosen oder -schätzungen im Sinne der Prospektverordnung meint Zahlenangaben, nicht hingegen rein verbale Beschreibungen, sofern diese nicht doch einer zahlenmäßigen Angabe inhaltlich entsprechen – gerade da die Verordnung auch Trendangaben fordert ist diese Abgrenzung wichtig.[32]
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Der naheliegende und in der Praxis in der Regel gewählte Weg zur Vermeidung dieser Auswirkungen ist es, keine Gewinnprognosen oder -schätzungen in den Prospekt mit aufzunehmen. Hier schlägt sich dann wiederum der Bogen zur Kommunikation im Vorfeld einer Aktienemission: Denn wenn entsprechende Prognosen zuvor etwa im Rahmen von Lageberichten oder Pressemitteilungen veröffentlicht wurden, stellen sie in der Regel wesentliche Informationen dar, die in den Prospekt einzufügen sind.[33] Mit anderen Worten: Sind relevante Ergebnisprognosen einmal in der Welt, müssen sie häufig in den Prospekt aufgenommen werden und müssen darüber hinaus auch mit einer entsprechenden Bescheinigung versehen werden.[34] Daher ist schon im Vorfeld der Emission, bei der Entscheidung über Veröffentlichungen entsprechender Art, sorgfältig danach abzuwägen, ob sich hieraus eventuell später prospektrelevante Umstände ergeben. Hierfür müssen das Rechnungswesen und die PR-Abteilung frühzeitig sensibilisiert werden damit sich Lösungen finden lassen, die dem Interesse an einer werbenden Kommunikation einerseits und der Vermeidung nachteiliger Einflüsse auf den Prozess der Prospekterstellung und die Haftungsrisiken andererseits gerecht werden. Dies ist durch die Vorgaben der DRS-Standards zu Lageberichten[35] allerdings zunehmend schwierig geworden.[36]
bb) Zukunftsgerichtete Informationen bei Privatplatzierungen
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Werden die Aktien des Emittenten nicht öffentlich angeboten, liegt also eine Privatplatzierung, wie vorstehend[37] beschrieben, vor, sind im Rahmen der Kommunikation strikte Regelungen zu beachten. Alle öffentlichen Äußerungen, die den Charakter eines Angebots haben, können/müssen unterbleiben. Anders als im Rahmen eines prospektpflichtigen öffentlichen Angebots wären Angaben zu zukunftsgerichteten Informationen jedoch ohne unmittelbare Konsequenz möglich. Zu bedenken sind hierbei nur die allgemeinen Grundsätze, wonach etwa vorsätzlich irreführende Veröffentlichungen über die Aussichten des Unternehmens Marktmanipulationen sein können.[38]
c) Publizitäts-Richtlinien als Compliance-Maßnahme
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Zur Gewährleistung der notwendigen Grundregeln in Bezug auf die Kommunikation betreffend die bevorstehende Maßnahme (Börsengang oder Kapitalerhöhung) hat sich die Erstellung sogenannter „Publizitäts-Richtlinien“ (im englischen „Publicity Guidelines“) jedenfalls bei größeren Transaktionen durchgesetzt.[39] Sinn ist es, bereits in der Planungs- und Vorbereitungsphase den Vorständen und Mitarbeitern des Emittenten, den emissionsbegleitenden Banken, Corporate Finance- und Investor Relations-Beratern und den involvierten Aktionären Richtlinien über die bei der Kommunikation zu beachtenden Grundsätze an die Hand zu geben. Gerade, wenn neben auf den Kapitalmarkt spezialisierten IR-/PR-Agenturen interne PR-Abteilungen und/oder externe PR-Agenturen für das operative Geschäft beteiligt sind, ist dies zu empfehlen. Publizitäts-Richtlinien erfassen diejenige Kommunikation, die im Zusammenhang mit dem Angebot steht oder sich auf dieses bezieht (z.B.: Werbeanzeige in der Zeitung über den bevorstehenden Börsengang), die Auswirkungen auf die Beurteilung des Emittenten oder die Entscheidung der Investoren haben kann (z.B.: Veröffentlichung von Finanzinformationen oder Prognoseangaben im Vorfeld des Börsengangs) oder die die Wirkung haben könnte, den Markt für die Aktien zu beeinflussen oder das Interesse am Angebot zu fördern (z.B.: Journalisteninterviews im Zusammenhang mit dem Börsengang).
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Als Grundsatz ist in diesen Richtlinien festgelegt: Die Gesellschaft sollte vor der Veröffentlichung eines Prospektes weder über ihre Internetseite noch über andere Medien Werbeaussagen für die anzubietenden Wertpapiere oder andere Aussagen, die als Bemühung um Kaufangebote durch Investoren angesehen werden könnten, verbreiten oder zugänglich machen, mit Ausnahme