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der ungeschickte Spieler blieb stehen. Beschämt und wütend auf sich selbst bohrte er die Blicke in den Boden.

      Schritte näherten sich von der Seite. „Der Große Sprecher“, „unser geliebter Herrscher …“, raunte es im Saal.

      Jadefischs Schläfen pochten: ‚Mo-tecu-zo-ma, Der-Wie-Ein-Herr-Zürnt‘!

      Der König auf dem Jaguarthron in der Metropole Mexiko-Tenochtitlan! Der das aztekische Bündnis anführte, mit dessen Hilfe er nun schon fast die ganze Welt beherrschte. Cemanahuac, die Welt im Ring des Wassers, erstreckte sich vom Seenland im Ring der Berge bis an die Meere im Osten und Westen. Tief im Süden und Südosten verloren sich die Wege in geheimnisvollen Regenwäldern, wo die Mayavölker wohnten, im Norden schließlich grenzte sie an dürre, karge Steppen, über die allein der Wind und wilde Jäger streiften. Und über das gewaltige Gebiet dazwischen gebot Motecuzoma! Nur wenige wagten es, ihm zu trotzen. Und dieser Mann war höchstpersönlich im Haus der Blasinstrumente erschienen. Er war gekommen, um den besten Flötenspieler zu bestimmen, jenen, der durch ein ganzes Sonnenjahr hindurch den Gott Tezcatlipoca verkörpern durfte. Bald jährte sich Sein Festtag, da Er sterben und sich durch den Tod erneuern würde. Ein Abbild würde ausgerufen werden, damit der wiedergeborene Gott erkennbar unter den Menschen weilte. Es würde Seine Blumenflöte spielen, geliebt, gefeiert und verehrt, um schließlich als Tezcatlipoca selbst zu sterben und in das Haus der Sonne zu gehen.

      Der Herrscher hatte, ohne sein Gefolge, hinter einem der bemalten Pfeiler des Wandelganges zwischen Haus und Innenhof gelauscht. Die ungeheuerliche Zerstörung des anfänglich so gut gespielten Liedes berührte ihn wie ein Sakrileg. Drohend kam er aus der Deckung. Dem unglücklichen Jadefisch setzte der Herzschlag aus. Sein Gehirn wurde so leer wie eine Schale, aus der das Wasser gelaufen ist. Die Flöte glitt ihm aus der Hand, und als sie auf den Boden fiel, gab sie einen letzten, unpassenden Ton ab.

      „So willst du unsern Gott erfreuen?” In Motecuzomas Stimme kämpften Zorn und Spott.

      Jadefisch schwieg. Musste er ausgerechnet dem Großen Sprecher missfallen? Dieser ahndete selbst kleine Fehler unerbittlich. Jadefisch schoss durch den Kopf, was man sich über Motecuzoma erzählte: ‚Sein Leben hat verwirkt, wer seinen Zorn erregt, wer seine Pflicht verletzt, wer ihm nicht ehrerbietig dient, wer seinen Blick zu ihm erhebt.‘ Und Jadefisch hatte nicht nur seine Ohren beleidigt. Anstatt ihn mit dem Gruß des Erdessens zu ehren, stand er noch immer wie erstarrt.

      Der Herrscher fixierte ihn. Da wusste Jadefisch plötzlich, was er sich schuldig war. Er hob das Haupt, um dem Unheil zu begegnen. Motecuzomas hagere Gestalt ragte vor ihm auf wie eine Opferfahne. Beinahe hätte er sich noch beirren lassen, als er die blaugrüne Tilma sah: Einzig der Große Sprecher trug einen Umhang in der Farbe des Lebens! Dann das Türkisdiadem mit der Dreiecksspitze! Aber Jadefisch hielt stand. Seine Tage waren ohnehin gezählt. Wie jeder seiner neun Gefährten hier war er nur ein Mensch, der sterben musste, ein Opfersklave, dessen Herz ein Gott erheischte, wenn nicht erst morgen, dann schon heute.

      Motecuzoma atmete tief, Zorn blähte ihm die Nasenflügel: Ein Großer Sprecher spiegelte sich in den Pupillen eines andern! Ein Opfersklave, den man auf dem Schlachtfeld gefangen hatte, der Sohn eines Feindes, starrte ihn an! Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. Auf keinen Fall durfte er das Gesicht verlieren. Was sollte er tun? Unwillkürlich glitt sein Blick zum Priester-Weisen. Sternfinder war ein Wissender, der die verborgenen Dinge erforschte, ein ernsthaft Suchender, der jede Mühe auf sich nahm. Dafür zuerst und dann natürlich auch für ein entsagungsreiches Leben nach den Tempelregeln hatte ihm Tezcatlipoca einen klaren, beweglichen Geist und ein vollkommenes Herz verliehen; es hieß von ihm, er gliche einer Fackel ohne Rauch. Motecuzoma suchte gerne Rat bei ihm. Schon normalisierte sich sein Atem, nur die Daunenfeder an seinem Nasenschmuck zitterte noch.

      Sternfinder ließ die Blicke auf dem Sklaven ruhen.

      Auch Motecuzoma sah den Sklaven wieder an, der in einem schlichten Lendenschurz aus Agavefasern barfuß, aber immer noch erhobenen Hauptes vor ihm stand. Wer war er, dass er das wagte? Für einen kurzen, seltsamen Moment durchforschte der Herrscher die Augen seines Gegenübers. Die Iris glich poliertem Bernstein, in den der filigrane Flügel eines Falters eingeschlossen war. Dort war keine Auflehnung zu finden, eher ungläubige Überraschung und … Neugier.

      Die Augen allein auf den Sklaven gerichtet, stand der Priester-Weise auf, führte sich zwei Finger an die Lippen, um schließlich, mit derselben Hand, einen Bogen bis zum Kopf des Sklaven zu beschreiben. Motecuzoma verstand. Wer würde es wagen, den Großen Sprecher anzuschauen, wenn nicht jener, den die Gottheit erwählt hatte? Ihn und keinen anderen hatte Tezcatlipoca zu Seinem Abbild bestimmt. Darum deutete Motecuzoma nun seinerseits die Geste des Erdessens an, vor dem Gott, der in dem Opfersklaven leben würde.

      Jadefisch glaubte zu träumen. Der Große Sprecher erhöhte ihn? Oder verhöhnte er ihn womöglich? Vergebens bemühte sich Jadefisch, in seinen Augen zu lesen. Die glänzten dunkel wie Obsidian und gaben keine Gefühle preis. Sein Antlitz blieb glatt wie ein Spiegel. Darin eine Raubvogelnase mit einem kristallenen Stäbchen sowie ein schmaler Mund mit goldenem Plättchen an der Unterlippe. An seinem Kinn ein dünner, schwarzer Bart, den nur ein Herrscher tragen durfte.

      In diesem Augenblick berührte der Priester-Weise Jadefisch mit dem Agavendorn. In Jadefisch kam Bewegung: Er gab den Gruß des Herrschers zurück. Die Ordnung der Dinge war wiederhergestellt. Motecuzoma besann sich, dass das künftige Abbild des Tezcatlipoca noch der Schüler des Liedmeisters Eins-Affe war.

      „Wie heißt du vollständig?“

      „Zwölf-Bewegung Jadefisch.“

      In seinem Rücken flüsterte es: „Totecuiyo.“

      Das hieß ‚Unser Herr‘ und war eine der Anreden der Ehrerbietung, die man dem Herrscher zollte. „Totecuiyo“, wiederholte Jadefisch.

      „In welchem Jahr schickten die Götter dich auf die Welt?“

      „Im Jahr Fünf Haus, vor 21 Jahren, Totecuiyo.“

      „Wohin schickten sie dich?“

      „Nach Cholollan.“

      „Die Stadt der Grünfederschlange. Wer ist dein Vater?“

      „Der verehrte Herr Nachtjaguar.“

      „Einer eurer sechs Gebieter. Und deine Mutter?“

      „Die verehrte Frau Erdsonne, die Tochter des Hüters-Der-Erde.“

      „Eines eurer beiden Hohenpriester. Ist sie die Hauptgemahlin deines Vaters?“

      „Sie ist seine Erste Hauptgemahlin.“

      „Mögest du dich ihrer beider als Abbild des Tezcatlipoca würdig erweisen!“ Damit drehte Motecuzoma sich um und verließ das Haus der Blasinstrumente.

      Jadefisch fühlte sich benommen. Er hob die Flöte auf und wischte sie mit den Händen ab, die Befehle des Liedmeisters erwartend. Aber da kam nichts. Eins-Affe wirkte ein wenig entrückt, er strahlte wie der volle Mond. Der Priester-Weise legte Jadefisch die Hand auf die Schulter:

      „Du kennst nun die Macht von Tezcatlipoca. Mache dich leer, damit der Gott in dich eintreten kann. Dann wirst du Ruhm erlangen, mehr Ruhm als deine Brüder, die auf dem Schlachtfeld für die Götter starben. Du wirst Gott selbst sein. Durch dich wird sich unser Herr erneuern.“

      In den folgenden Tagen trieb Jadefisch wie ein Boot auf einem aufgewühlten Fluss, umhergeworfen von den Wellen der Gefühle, bald oben auf dem Kamm, in dem Geglitzer des grünen Wassers und des Sonnenlichts, bald unten vor den Mündern schwarzer Strudel, die sich gierig öffneten, wenn über ihm die Gischt zusammenschlug: der Ruhm und sein Preis.

      Jadefisch hatte es inzwischen begriffen: Er sollte das neue Abbild sein! Er frohlockte – Ruhm und Ehre, Pracht und Glanz und – fiel dann wie der Ton, den er nicht hatte halten können, aus der Höhe: Tod! Tod hieß das Ende seines Jahres. Das Herz, ausgerissen! Der Kopf, an den Schläfen durchbohrt und auf ein rundes Holz gezogen, gereiht in die Schädelwand vor dem Tempel. Er konnte nur noch daran denken. Scham befiel ihn, denn wenn

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