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Tabak, etwas Glut. Er legt ein Feuer, und man wird sie alle retten müssen – Diebe, Räuber, Mörder, unkeusche Priester, Händler, die kleine Kinder in die Sklaverei verkauften, Ehebrecher, vielleicht sogar Spione, Geheimnisverräter, auch jene Menscheneule, die den Anschlag auf den Großen Sprecher verübte.“

      „Und du, Ixiptla-tzin, willst dich allein zu jenen begeben?“

      „Niemand wird wagen, mich zu berühren.“

      Jadefisch betrat das Gefängnis. Wo hielt man die Menscheneule fest? Das schummrige Haus war voll mit Leuten jeden Standes. Im letzten der niedrigen Lattenverschläge fand er den Schwarzmagier schließlich. Er hatte wirklich etwas Eulenhaftes, wie er da auf dem Steinfußboden hockte, klein und grau und reglos, doch mit wachen Augen, die den Besucher taxierten.

      „Was verschafft mir die Ehre? Kann ich dir von Nutzen sein?“

      „Du? Mir?“

      „Ich besitze viele Fähigkeiten.“ Der Magier legte gleich drei Finger auf die Lippen und spreizte die anderen ab. Jadefisch blickte verstohlen auf die Hand. Hinter dem kleinen Finger stand noch einer, kurz und knubbelig, zur Seite ab.

      „Nur Flughäute habe ich nicht“, sagte der Gefangene schmunzelnd.

      „Es heißt, die Zauberer flögen jede Nacht an die Grenzen der Welt.“

      „Auf den Schwingen des Windes.“

      „Weshalb bist du dann noch hier?“

      „Hat man mich nicht meiner Hilfsmittel beraubt?“

      „Wo sind sie?“

      Die Menscheneule wies auf eine Bank an der Wand gegenüber. „In dem Sack dort drüben.“

      Jadefisch holte ihn. „Lass sehen. Ein ausgestopfter Vogel. Eine Rassel. Pülverchen und Pflanzensamen.“

      „Farbiger Salpeter, Bärlappsporen und Anis.“

      „Lässt sich damit Verwirrung stiften?“

      Die Menscheneule grinste breit. „Streu es ins Feuer, Ixiptla-tzin.“

      „Was davon brauchst du, um dich in die Luft zu schwingen?“

      „Nur den Vogel.“

      „Leuchtet ein.“

      „Er hat die Größe meines Kopfes.“

      „Dann passt er ja nicht durch die Stäbe.“ Während Jadefisch dies sagte, löste er von außen schon den Riegel.

      Der Magier spielte mit den Fingern in der Luft. Im Gefängnis erhob sich Geschrei: „Mich auch, Ixiptla-tzin, auch mich!“

      „Wer von euch sitzt unschuldig hier?“

      „Ich!“

      „Ich!“

      „Ich!“

      Das ganze Haus begann zu toben. Rasch schob Jadefisch den Vogel durch den Spalt und stellte sich davor, so dass die herbeieilenden Wärter nichts sahen. Die schlugen mit Stöcken gegen die Stäbe. Auch zu der Menscheneule kam einer.

      „Was brüllst du so?“

      „Was, ich? Ich kriege kaum den Mund auf, bring mir endlich Wasser!“

      „Zauber dir welches!“

      „Ich hex dir gleich was an!“

      „Warte nur, bis der Große Sprecher erwacht. Dann lässt er dich in Stücke hacken oder den Boden deines Käfigs mit scharfen Schneiden übersäen.“

      „Er hat nicht mehr die Kraft, dergleichen zu befehlen.“

      „Du wagst es noch, ihn zu verspotten? Die Kehle möge dir verdorren!“

      „Welch nobler Wunsch“, ließ Jadefisch sich vernehmen.

      „Verzeih, Ixiptla-tzin. Ich war in Sorge um Motecuzoma.“ Der Wärter beugte sich zu Boden.

      „Du gehst auf der Stelle Wasser holen! Und zwar für jeden hier!“

      „Jjjjawohl, Ixiptla-tzin.“

      „Ein bisschen plötzlich!“

      Der verschreckte Wärter sprang auf und pfiff seine Mannschaft zusammen.

      Jadefisch verlor keine Zeit. Er zog auch den zweiten Riegel heraus.

      „Solltest du je in Bedrängnis kommen – oder jemand, der dir nahesteht“, flötete die Menscheneule, „geh in die Stadt Otompan, in den Palast Vanilleblumes, und frag nach Uhu, der den Spiegelvogel fand.“

      „Wo liegt Otompan?“

      „Du paddelst nach Norden über die Lagune, durchquerst die enge Stelle, die dem dünnen Hals eines Flaschenkürbisses gleicht, und fährst in die oberen Seen hinauf, bis zur Höhe der Sandspinneninsel Xaltocan. Dort biegst du nach Osten. Vom Ufer aus wanderst du weiter der aufgehenden Sonne entgegen.“ Der Magier nestelte an seinem Gürtel. Er gab Jadefisch einen vertrockneten Vogelfuß. „Diese Klauen einer Eule haben mich bis heute beschützt. Sie können sogar unsichtbar machen. Wer sie mir bringt, dem schulde ich mein Leben.“

      Jadefisch versteckte das Pfand in der Verzierung der linken Sandale. Er erhob sich. Die anderen Insassen riefen nach ihm. Damit sie ihn nicht zu früh verrieten, öffnete er im Vorübergehen wahllos die Türen. Dann begab er sich nach draußen, um das Durcheinander zu betrachten. Während die Flüchtenden mit den Wasserträgern zusammenstießen, drückte sich der Magier an der Wand um das Hofgeviert.

      „Warum hast du das getan?“, fragte Goldfasan.

      „Weil Tezcatlipoca die Unschuldigen schützt.“

      „Was – die haben alle nichts verbrochen?“ Goldfasan lachte. „Fehlte nur, dass du auch die Menscheneule …“

      „Die Menscheneule!“ Schädelwand stürzte los und stolperte aber über Jadefischs Bein.

      „Ixiptla-tzin! Ich wollte doch nur …“

      „Tezcatlipoca ins Handwerk pfuschen?“

      Schädelwand fügte sich, in seinem Stolz verletzt. Was war das nur für ein Ixiptla?

      Dasselbe fragte sich der Oberpriester, der den Ixiptla starr vor Wut empfing.

      „Den Gott bewegt die Lust auf üble Streiche. Darf man den Grund erfahren?“

      Jadefisch erschrak. War er zu weit gegangen? Er setzte eine ernste Miene auf. „Yaopol-tzin, der Ruf des Großen Sprechers war gefährdet. Ich habe ihn nur wiederhergestellt.“

      „Das ist ja lächerlich!“

      „Lächerlich ist, dass ein kleiner, grauer Magier dem Großen Sprecher etwas anhaben kann.“

      Der Oberpriester schluckte. „So habe ich das noch gar nicht betrachtet.“ Er verneigte sich.

      Der Priester-Weise tat ein Übriges, ihn zu besänftigen. „Wenn du doch im Hof der Schwarzen Häuser deine Flöte spielen wolltest?“

      Jadefisch begriff, dass es nicht gut war, abzulehnen.

      Das Erste, was Motecuzoma durch die Mauern des Schlafes vernahm, war leise Musik. Er wähnte sich jetzt auf dem Weg zum toten König Huemac. Sehnsüchtig folgte er den Tönen. Aber dann verstummte die Musik, und Huemac war noch immer nicht zu sehen. Er lauschte, ob nicht wenigstens ein Echo in den Gängen hallte – aber nichts. Man narrte ihn!

      Er wurde langsam ungehalten. Anstatt des Huemac kamen seine Ärzte. Sie bebliesen ihn mit Rauch. Sie strichen ihm mit Kräuterbüscheln über den Leib. Sie machten ihm Wickel. Das Fieber sank, er hörte auf, im Traum zu reden. Endlich erwachte er.

      „Lasst mich mit ihm allein“, sagte eine vertraute Stimme.

      „Sternfinder?“

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