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Wunderlicher. Denn ich fragte nicht nach dem, was dasselbe bleibend fromm und auch ruchlos sein kann; was aber gottgefällig ist, das ist auch gottverhaßt, wie es scheint. So daß nicht zu verwundern ist, o Euthyphron, wenn das was du jetzt tust, indem du deinen Vater zur Strafe ziehst, dem Zeus etwa ganz wohlgefällig ist, dem Kronos aber und dem Uranos verhaßt, oder dem Hephaistos zwar lieb, der Here aber verhaßt, und eben so auch mit andern Göttern, wenn etwa noch sonst einer mit einem andern hierüber uneins ist.

      Euthyphron: Allein ich glaube, o Sokrates, daß hierüber kein Gott mit dem andern uneins ist, daß nämlich der nicht Strafe leiden müsse, der einen Andern ungerechter Weise getötet hat.

      Sokrates: Wie doch, Euthyphron? Hast du etwa von Menschen jemals einen gehört, welcher das bezweifelt hätte, ob wer ungerechter Weise einen Andern getötet, oder irgend sonst etwas ungerechter Weise getan, auch wohl Strafe leiden müsse?

      Euthyphron: Sie hören ja gar nicht auf über dergleichen zu streiten sowohl sonst als auch besonders vor Gericht. Denn nachdem sie noch so viel Unrecht getan, tun und reden sie alles ersinnliche, um nur loszukommen von der Klage.

      Sokrates: Gestehen sie denn auch ein, daß sie Unrecht getan, und behaupten, nachdem sie dies eingestanden noch, daß sie doch keine Strafe erleiden dürften?

      Euthyphron: Das freilich keinesweges.

      Sokrates: Also doch nicht Alles tun und sagen sie. Denn dies, denke ich, unterstehen sie sich nicht zu sagen oder zu bestreiten, daß nicht wenn sie ja Unrecht getan, sie müßten Strafe leiden; sondern sie behaupten nur, glaube ich, sie hätten nicht Unrecht getan. Nicht wahr?

      Euthyphron: Darin hast du Recht.

      Sokrates: Nicht also jenes bestreiten sie, daß der Unrechthandelnde nicht müsse bestraft werden: sondern nur darüber streiten sie mit einander, wer es denn ist der Unrecht tut, und wodurch, und wann?

      Euthyphron: Das ist richtig.

      Sokrates: Muß nun nicht dasselbe auch den Göttern begegnen, wenn sie doch in Zwietracht unter einander sind wegen des Gerechten und Ungerechten, wie ja deine Rede besagt, und einige behaupten, sie hätten einander Unrecht getan, andere es läugnen? Denn dieses, du Wunderbarer, wagt doch wohl Niemand, weder Gott noch Mensch zu sagen, daß auch wer wirklich Unrecht getan doch nicht Strafe leiden müsse.

      Euthyphron: Ja hierin, o Sokrates, redest du wohl wahr im Ganzen.

      Sokrates: Sondern über jegliches einzelne was getan worden ist streiten die, welche streiten, Menschen wie Götter, wenn anders Götter mit einander streiten, weil sie über eine Handlung ungleicher Meinung sind, indem einige sagen, es sei recht gewesen so zu handeln, andere es sei Unrecht gewesen. Ist es etwa nicht so?

      Euthyphron: Allerdings.

      Sokrates: So komm denn, lieber Euthyphron, und lehre auch (9) mich, damit ich weiser werde, was für einen Beweis hast du denn darüber, daß alle Götter glauben, der sei ungerechter Weise getötet, der als Tagelöhner selbst einen tot geschlagen, und dann von dem Herrn des Erschlagenen gebunden, an diesen Banden noch eher gestorben, als der, welcher ihn gebunden, Erkundigung von den Auslegern eingezogen, was seinetwegen zu tun wäre, und es sei ganz recht, wenn eines solchen wegen der Sohn den Vater des Totschlages beschuldigte und belangte? Komm und versuche mir recht deutlich zu erweisen, daß vor allen Dingen diese Handlung alle Götter für recht halten; und wenn du es mir zur Genüge erweisest, werde ich nie aufhören dich deiner Weisheit wegen zu preisen.

      Euthyphron: Das ist nun wohl auch keine geringe Sache, o Sokrates; aber gewiß könnte ich es dir ganz deutlich zeigen.

      Sokrates: Ich verstehe, du hältst mich für ungelehriger als die Richter: denn denen willst du doch gewiß deutlich machen, daß das ungerecht ist, und daß alle Götter es hassen.

      Euthyphron: Ganz deutlich, Sokrates, wenn sie nur hören werden auf meine Rede.

      Sokrates: Sie werden schon zuhören, wenn sie nur finden, daß du gut redest. Aber dies ist mir eingefallen während du sprachst, und ich überlege es bei mir. Wenn mich nun auch Euthyphron noch so gründlich belehrt, daß sämtliche Götter einen solchen Tod für ungerecht halten: was habe ich nun dadurch mehr vom Euthyphron gelernt, was das fromme ist und das ruchlose? Denn gottgehässig wäre nun wohl diese Tat, wie es scheint. Aber nur eben hatte sich gezeigt, daß hiedurch das fromme und ruchlose nicht bestimmt ist, weil nämlich von dem Gottgehässigen sich gezeigt hatte, daß es auch gottgefällig ist. So daß ich dich hievon gern loslasse, Euthyphron, und wenn du willst sollen alle Götter dies für ungerecht halten, und Alle sollen es hassen. Wollen wir aber nun etwa dieses berichtigen in unserer Erklärung, daß was alle Götter hassen ruchlos sein soll, und was Alle lieben fromm, was aber Einige lieben und Andere hassen, das soll auch keins von beiden sein oder beides? Willst du, daß uns nun so die Erklärung gestellt sein soll über das fromme und ruchlose?

      Euthyphron: Was hindert uns, Sokrates?

      Sokrates: Mich wohl nichts, Euthyphron; aber du überlege dir deinerseits, ob du dies zum Grunde legend mich am leichtesten das lehren kannst, was du versprochen hast.

      Euthyphron: Ich möchte allerdings behaupten, das sei das fromme, was alle Götter lieben, und gegenteils was alle Götter hassen sei ruchlos.

      Sokrates: Wollen wir nun nicht wieder dieses in Betrachtung ziehen ob es gut gesagt ist, Euthyphron? oder es lassen, und so leicht mit uns selbst und andern zufrieden sein, daß wenn nur Jemand behauptet, etwas verhalte sich so, wir es gleich einräumen und annehmen? oder muß man erst erwägen, was der wohl sagt, der etwas sagt?

      Euthyphron: Erwägen muß man es; ich jedoch glaube, dieses ist nun richtig gesagt.

      Sokrates: Bald, mein Guter, werden wir es besser wissen. Bedenke dir nämlich nur dieses, ob wohl das fromme, weil es fromm ist, von den Göttern geliebt wird, oder ob es, weil es geliebt wird, fromm ist?

      (10) Euthyphron: Ich verstehe nicht was du meinst, Sokrates.

      Sokrates: So will ich versuchen es dir deutlicher zu erklären. Wir nennen doch etwas bewegt und bewegend, getrieben und treibend, gesehen und sehend, und Alles dergleichen siehst du doch ein, daß es verschieden ist und auch wie es verschieden ist.

      Euthyphron: Dies glaube ich einzusehn.

      Sokrates: Gibt es nicht eben so auch ein Geliebtes, und von diesem verschieden das Liebende?

      Euthyphron: Wie sollte es nicht?

      Sokrates: So sage mir denn, ob das bewegte deswegen, weil es bewegt wird, ein Bewegtes ist, oder wegen etwas anderen?

      Euthyphron: Nein, sondern deswegen.

      Sokrates: Auch das getriebene also, weil es getrieben wird? und das gesehene, weil es gesehen wird?

      Euthyphron: Allerdings.

      Sokrates: Nicht also weil es ein Gesehenes ist, deshalb wird es gesehen; sondern im Gegenteil, weil es gesehen wird, deshalb ist es ein Gesehenes. Und nicht weil etwas ein Getriebenes ist, deshalb wird es getrieben; sondern weil es getrieben wird, deshalb ist es ein Getriebenes. Noch auch weil es ein Bewegtes ist, deshalb wird es bewegt; sondern weil es bewegt wird ist es ein Bewegtes. Ist dir nun deutlich, Euthyphron, was ich sagen will? Ich will nämlich dieses sagen, wenn etwas irgendwie wird, oder irgend etwas leidet: so wird es nicht, weil es ein Werdendes ist, sondern weil es wird ist es ein Werdendes; noch weil es ein Leidendes ist leidet es; sondern weil es leidet, ist es ein Leidendes. Oder gibst du das nicht zu?

      Euthyphron: Ich gewiß.

      Sokrates: Ist nun nicht auch das geliebte ein etwas

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