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Die Mito-Medizin. Lee Know
Читать онлайн.Название Die Mito-Medizin
Год выпуска 0
isbn 9783954843961
Автор произведения Lee Know
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Es bleibt jedoch sehr schwierig, Antioxidantien in die Mitochondrien einzuschleusen (woran die pharmazeutische Forschung intensiv arbeitet). So entstand die Theorie, das Alterung auf den Mitochondrien beruhen könnte. Auch diese These wurde seit ihrem Aufkommen Anfang der 1970er-Jahre immer wieder angepasst. Derzeit handelt es sich dabei um die stichhaltigste Theorie zur Alterung. Sie erklärt, warum wir in späteren Lebensphasen an degenerativen Krankheiten leiden, erklärt das Sport-Paradoxon und umschifft all die Untiefen, an denen andere Theorien zerschellt sind.
Die Mitochondrientheorie der Alterung
Eine moderne Fassung dieser Theorie wurde Ende der 1980er-Jahre von Professor Anthony Linnane aufgestellt, einem australischen Wissenschaftler. Seitdem wurde die Theorie mehrfach modifiziert, sie verzichtet aber weitgehend auf exogene Quellen für freie Radikale. In der Hauptsache geht es darum, dass die Mitochondrien der wichtigste Entstehungsort für freie Radikale im Körper sind, die mit Alterung in Verbindung stehen.
Freie Radikale schaden den Zellen weniger, als wir glauben. Wir erzeugen eine Vielzahl an antioxidierenden Enzymen, die diese Radikale unschädlich machen, und wenn die Zelle doch geschädigt wird, existieren Reparaturmechanismen, die unablässig aktiv sind. Aber die freien Radikale, die mit der Alterung in Verbindung stehen, schädigen gezielt die Mitochondrien, insbesondere ihre ungeschützte DNA, der die Reparaturmechanismen der restlichen Zelle fehlen. Tritt der Schaden schneller ein als ein Mitochondrium ihn selbst beheben kann, funktioniert es nicht mehr richtig. Das ist der erste Schritt zur Alterung. Dieser Theorie nach wären im Grunde die Mitochondrien die „biologische Uhr“. Der Ablauf sähe dann folgendermaßen aus: Freie Radikale treten aus den Atmungsketten aus (einige Szenarien dazu wurden bereits geschildert) und attackieren die unmittelbar benachbarte mtDNA. Das führt zu Mutationen, welche die Mitochondrienfunktion beeinträchtigen können. Wenn die Mitochondrien schwächer werden und irgendwann absterben, gehen die Funktion und Viabilität der Zelle insgesamt zurück. Sobald Zellen keine Energie mehr erzeugen können, gehen sie zur Apoptose über, was wiederum Funktion und Viabilität des Gewebes oder Organs beeinträchtigt.
Da sich in den Mitochondrien Zufallsmutationen ansammeln, entsteht ein bioenergetisches Mosaik, in dem alle Zellen je nach Grad ihrer mitochondrialen Schädigung völlig unterschiedliche Energiemengen erzeugen (manche produzieren sehr wenig Energie, andere mittelmäßige Mengen und wieder andere sehr viel). Bei einem gesunden Kleinkind ist dieses Mosaik nicht zu beobachten, weil die Energieproduktion in fast allen Zellen gleich hoch ist. Ab etwa 40 Jahren entsteht jedoch ein merklicher Mosaikeffekt, und dessen Ausmaß beruht auf dem Tempo der bioenergetischen Alterung in bestimmten Gewebearten.
Aus bioenergetischer Sicht scheinen manche Gewebearten sehr schnell zu altern, andere in mäßigem Tempo und wieder andere relativ langsam. Dieser Effekt illustriert zugleich, warum sich das biologische Alter von zwei Menschen signifikant unterscheiden kann, obwohl beide chronologisch gleich alt sind.
Linnanes Theorie geht davon aus, dass dieser mutationsgetriebene bioenergetische Abbau ein Hauptfaktor für degenerative Erkrankungen und die allgemeine Gebrechlichkeit im hohen Alter ist. Jüngere Untersuchungen in verschiedenen Fachbereichen konzentrieren sich auf die Mitochondrien als Zentrum der zellulären Alterung, wobei die Theorie untermauert werden konnte. Wenn die Mitochondrien-Theorie zur Alterung stimmt, dürften die Mitochondrien den Grundstein für die Zellvitalität darstellen.
Im Laufe der Evolution hat sich das Tempo, in dem freie Radikale austreten, jedoch für jede Spezies auf optimalem Niveau eingependelt. Wie Lane erklärt, erzeugt ein Vogel weniger freie Radikale und hat daher trotz schneller Stoffwechselrate eine hohe Lebenserwartung. Im Anschluss wirft er die Frage auf, warum nicht alle Spezies gut versiegelte Mitochondrien haben. Eine Ratte würde sicher davon profitieren, wenn sie von vorneherein weniger freie Radikale erzeugen würde, anstatt jede Menge Ressourcen zur Produktion großer Mengen Antioxidantien zu verbrauchen. Für mich klingt das einleuchtend. Die Antwort besteht jedoch im radikalen Unterschied (Sie bemerken die Anspielung!) zwischen der Mitochondrien-Theorie zur Alterung und der Freie-Radikale-Theorie.
Erinnern Sie sich noch, warum in den Mitochondrien eine separate DNA-Kopie vorliegt? Sie soll die Anforderungen der oxidativen Phosphorylierung ausgleichen, weil ein Ungleichgewicht der verschiedenen Bestandteile der Elektronentransportkette die Atmungskette stören und freie Radikale austreten lassen kann. Indem jedes Mitochondrium die wichtigsten Gene selbst vorhält, kann es seine Atmungsketten (nicht die von anderen Mitochondrien) nach Bedarf selbst kontrollieren.
Bedenken Sie auch, dass das Signal, um mehr Komponenten für die Elektronentransportkette zu erzeugen, unmittelbar über die freien Radikale kommt. Vielleicht braucht die Ratte deshalb so viele freie Radikale. Mit fester versiegelten Mitochondrien wäre das Signal der freien Radikale durch die hohe Antioxidantienmenge abgeschwächt, sodass ein komplexeres Signalsystem erforderlich wäre.
Normalerweise betrachten wir einen Waldbrand (ähnlich wie die freien Radikale) als Problem, doch in Maßen erfüllen Brände eine wichtige Funktion für die Erhaltung des Ökosystems. Ein Feuer zerlegt organisches Material, dessen Zersetzung normalerweise Jahre bis Jahrzehnte brauchen würde, binnen Minuten bis Stunden. Die Zerstörung schafft Raum für neues Wachstum, und bei manchen Pflanzen, zum Beispiel der Banks-Kiefer, schmilzt erst durch Feuer das schützende Harz, das sie vom Aussamen abhält. Gleichzeitig ist die Rolle der Feuerwehr (Antioxidantien) keineswegs überflüssig. Bei übertriebener Wachsamkeit würde ein Wald jedoch nie Gelegenheit bekommen, sich durch Feuer zu regenerieren. Und schließlich gibt es Gegenfeuer (zum Beispiel ein pro-oxidierendes Mittel, das die Oxidation fördert). Bei korrekter Verwendung kann so etwas wertvoll sein (das heißt, der kontrollierte Einsatz von Oxidantien lässt sich therapeutisch nutzen, beispielsweise bei der Krebsbehandlung oder einer hochdosierten intravenösen Verabreichung von Vitamin C). Bei fehlerhaftem Gebrauch kann dadurch allerdings ein weiterer Flächenbrand entstehen.
Wir wissen noch nicht genau, wie die Signale der freien Radikale wirken. Klar ist nur, dass das System einem Thermostat gleicht und ein gewisses Maß an Fluktuation bei den freien Radikalen benötigt. Würde die Menge der freien Radikale, die aus der Elektronentransportkette austreten, nicht schwanken, so bliebe auch die Selbstkorrektur aus (solange die Temperatur in einem Raum stabil bleibt, reagiert der Thermostat nicht).
Wenn das Signal der freien Radikale fehlschlägt oder ein nicht korrigierbares Problem anzeigt, leiten diese Moleküle das Apoptoseprogramm ein. Solange dies nur in einem oder wenigen Mitochondrien auftritt, ist das Signal nicht stark genug für den programmierten Zelltod. Erst wenn eine große Anzahl an Mitochondrien gleichzeitig zusammenbricht, wird die entscheidende Schwelle überschritten, und die Zelle weiß, dass ihre Zeit gekommen ist. Sowohl die Freie-Radikale-Theorie als auch frühe Versionen der Mitochondrien-Theorie der Alterung gingen davon aus, dass freie Radikale immer schädlich sind. Aktuelle Versionen der Mitochondrien-Theorie hingegen beziehen ein, dass freie Radikale auch wichtige Signale liefern.
Was jedoch nicht davon ablenken sollte, dass das Austreten von freien Radikalen mit Alterung und Lebenserwartung korreliert. Bekanntlich sammeln sich in der Steuerzentrale der mtDNA mit zunehmendem Alter immer mehr Mutationen an. Dieses Phänomen ist wichtig, weil Mutationen im Kontrollzentrum einer Zelle sich häufig auf alle anderen Zellen in diesem Gewebe ausbreiten können. Eine Mutation in dieser Region kann die Bindung der Transkriptions- oder Replikationsfaktoren beeinflussen, hat aber keinen Einfluss auf die Gensequenz. Je nach den Auswirkungen dieser Mutation wird sie dazu neigen, sich häufiger oder weniger häufig selbst zu kopieren. Die Mutation könnte dazu führen, dass ein Mitochondrium zögerlicher auf ein Teilungssignal reagiert. Bei einem solchen Signal würde ein „normales“ Mitochondrium sich teilen und replizieren. Ein defektes Mitochondrium hingegen reagiert vielleicht unzureichend oder gar nicht. Im Verhältnis zu normalen Mitochondrien würde die Anzahl der fehlerhaften Mitochondrien kontinuierlich abnehmen und wäre angesichts der regulären