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Person und Religion. Ciril Rütsche
Читать онлайн.Название Person und Religion
Год выпуска 0
isbn 9783772000256
Автор произведения Ciril Rütsche
Жанр Документальная литература
Серия Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie
Издательство Bookwire
Was sodann die Auffassung betrifft, dass die ReligionReligion sich von der MetaphysikMetaphysik und der MoralMoral lösen müsse, so wird dieser Arbeit grundgelegt, dass Metaphysik und Moral der Religion nicht untergeordnet sind, wie Friedrich SchleiermacherSchleiermacherFriedrich behauptete,7 sondern mit dem Gottesbegriff so wesentlich verbunden sind, dass GottGott, wenn überhaupt, nur durch sie in philosophischer Weise verstanden werden kann.8 Analoges gilt von der Religion als Bindung an Gott, auch sie – wie gezeigt werden wird – kann nur auf dem Fundament von Metaphysik und Moral als vernünftig ausgewiesen werden. Dazu kommt, dass Metaphysik und Moral die Gegenstandsbereiche zweier Geistesvermögen des Menschen bezeichnen, nämlich des Intellekts und des Willens. Wenn sie zugunsten des Gefühls von der Religion ausgeschlossen werden, wie SchleiermacherSchleiermacherFriedrich dies tut, dann betrifft sie den Menschen nicht als Ganzen. Desgleichen, wenn Immanuel KantKantImmanuel die Religion gänzlich auf der VernunftVernunft gründen lässt9 und die Religion als „ErkenntnisErkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote“10 definiert. Auch dann ist der MenschMensch nicht als ganzer betroffen.
Doch was ist die Grundlage der ReligionReligion im Menschen? Von HildebrandHildebrandDietrich von leitet der augustinische Gedanke von der Komplexität des menschlichen Geistes, der eine EinheitEinheit bildet aus VernunftVernunft, Wille und GedächtnisGedächtnis, bzw. LiebeLiebe. AugustinusAugustinus vollbrachte auf dieser Grundlage einen bedeutenden religionsphilosophischen Beitrag, indem er die religiöse Überzeugung von der Trinität Gottes auf der Basis des Menschen als trinitarisch strukturiertem Abbild Gottes als vernünftig auszuweisen suchte. Wenn in diesem Sinne von der Vernünftigkeit gesprochen wird, dann sind auch die übrigen Geistesvermögen mitgemeint. Denn „vernünftig“ wird der MenschMensch nicht alleine durch seinen IntellektIntellekt, sondern vernünftig ist er als ganzer, unter Einbezug aller seiner geistigen Vermögen.
Gegenüber KantKantImmanuel und SchleiermacherSchleiermacherFriedrich nimmt John Henry NewmanNewmanJohn Henry mit seinem Sowohl-als-Auch eine Mittelstellung ein. Nach ihm ist die ReligionReligion weder eine blosse Frage der VernunftVernunft noch der Gefühle. Am Beispiel der ZustimmungZustimmung zur objektiven ExistenzExistenz Gottes zeigt er den Unterschied auf zwischen der begrifflichen und der realen Zustimmung. Wenn ein theistischer Theologe beispielsweise von GottGott spricht, dann handelt es sich bei seiner Zustimmung zu dieser WahrheitWahrheit um eine begriffliche.11 Um eine Zustimmung also, die die Folge bestimmter Folgerungen und intellektueller Überlegungen ist. NewmanNewmanJohn Henry ist es aber vor allem um die Frage zu tun, ob es nicht noch eine lebhaftere Zustimmung zum Sein Gottes gibt, als die mit Begriffen operierende: „Kann ich glauben, als ob ich sähe?“12 Eine solche Zustimmung, darüber ist er sich im Klaren, bedingt „eine gegenwärtige Erfahrung oder eine Erinnerung an das Faktum“13. Doch da niemand in diesem Leben Gott sehen kann, bleibt die Frage: Ist eine reale Zustimmung überhaupt möglich? NewmanNewmanJohn Henry selbst erachtet die Erfahrbarkeit Gottes als möglich, und zwar durch das GewissenGewissen. Denn das GefühlGefühl des Gewissens ist ein doppeltes, es ist einerseits ein sittliches Gefühl (moral sense), andererseits ein Gefühl der Pflicht (sense of duty). Und gerade dieses Gefühl der Pflicht impliziert einen höchsten Richter, „dem wir verantwortlich sind“14. Da die Ursachen der Gemütsbewegungen des Phänomens des Gewissens nicht dieser sichtbaren Welt angehören, muss der Gegenstand, auf den die Wahrnehmung gerichtet ist, übernatürlichübernatürlich und göttlich sein.15
Damit hat NewmanNewmanJohn Henry nicht nur ein ArgumentArgument für die Erfahrbarkeit Gottes beigebracht, mit der Unterscheidung zwischen der begrifflichen und der realen ZustimmungZustimmung hat er überdies den Unterschied zwischen der Theologie und der ReligionReligion begründet. Während die Theologie als WissenschaftWissenschaft es nämlich mit den Begriffen zu tun hat, gründet die Religion auf Erfahrungen. Weswegen die Theologie prinzipiell auch ohne die Religion bestehen kann, nicht aber die Religion ohne die Theologie, denn wenn die entsprechenden Erfahrungen fehlen, wird auf den IntellektIntellekt und die gesunde und bewährte Lehre zurückgegriffen.16 Die religiösen ÜberzeugungenÜberzeugungenreligiöse, die aufgrund bestimmter Erfahrungen oder im Zuge des Rückgriffs auf die überlieferte Lehre entstehen, auf ihre Vernünftigkeit hin zu prüfen, ist Aufgabe der ReligionsphilosophieReligionsphilosophie.
Das ForschungszielForschungsziel besteht in diesem Rahmen schliesslich im Aufweis der ReligionReligion als einem Dialog zwischen MenschMensch und GottGott. Kann von diesem Dialog erwartet werden, dass er die entscheidenden Fragen des Menschen zu beantworten, sein BedürfnisBedürfnis nach TranszendenzTranszendenz zu befriedigen und sein Leben sinnvoll zu gestalten vermag? Um diese Frage beantworten zu können, ist es angezeigt, dass in einem ersten Schritt die Möglichkeit der Erlangung transzendenter Erkenntnisse begründet wird. Eine Aufgabe, die in wesentlichen Stücken in der Überwindung des ImmanentismusImmanentismus und SubjektivismusSubjektivismus Kantscher Prägung besteht, wobei auch der Erfahrung Rechnung zu tragen sein wird (vgl. Abschnitt I). Im Anschluss sei geprüft, wie es um die ErkenntnisErkenntnis Gottes und die dagegen erhobenen Einwände bestellt ist (vgl. Abschnitt II), um sodann das WesenWesen und die Gottfähigkeit des Menschen zu besprechen (Abschnitt III), sie daraufhin als mit Leben gefüllte Realität zu untersuchen und schliesslich die religiösen Aussagen und Überzeugungen betreffend den Zustand nach dem irdischen TodTod kognitiv zu deuten und auf ihre Vernünftigkeit hin zu erörtern (Abschnitt IV). Was alles, wie gesagt, auf der Grundlage der philosophischen Einsichten Dietrich von Hildebrands unternommen wird. In die Diskussion werden dabei solch namhafte Denker einbezogen wie Thomas von AquinThomas von Aquin, Immanuel KantKantImmanuel, Ludwig FeuerbachFeuerbachLudwig, Friedrich NietzscheNietzscheFriedrich oder Max SchelerSchelerMax, um hier nur einige zu nennen.
Bezüglich der Gliederung der vorliegenden Untersuchung und des praktischen Umgangs mit ihr sei an dieser Stelle noch vermerkt, dass am Ende eines jeden Abschnitts die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden, was den Zugang zu den interessierenden Argumentationsgängen erleichtern soll. Die verwendeten Werke Dietrich von Hildebrands werden zu Beginn des Literaturverzeichnisses angeführt. Im Hauptteil der Bibliographie finden sich – nach den einzelnen Abschnitten gegliedert – die Quellen und die verwendete Literatur verzeichnet.
6 Was ist „Realistische PhänomenologiePhänomenologie“?
Der im letzten Punkt eingebrachte BegriffBegriff der Realistischen PhänomenologiePhänomenologie bedarf ebenso einer Klärung wie von Hildebrands Schrift Was ist Philosophie? einer Offenlegung des intendierten Ziels und der Mittel, mit dessen Hilfe das ZielZiel erreicht werden soll. Der Begriff der Realistischen Phänomenologie wird in diesem, von Hildebrands Was ist Philosophie? im nächsten Punkt thematisiert werden. Bei der Besprechung der epistemologischen Hauptschrift von Hildebrands bleibt abschliessend zu prüfen, ob, und wenn ja, inwiefern er das gesteckte Ziel auch tatsächlich erreicht hat.
Die Verwendung des Begriffs „PhänomenologiePhänomenologie“ reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. „Das Adjektiv ‚phänomenologisch‘ taucht nachweislich schon 1762 bei dem schwäbischen Theosophen Friedrich Chr. Oetinger (1701–1782) auf. Als Substantiv wird das WortWort zur selben Zeit von Johann Heinr. Lambert (1728–1777) verwendet.“1 Dem Wortsinn nach (gr. φαινόμενον – ErscheinungErscheinung; λόγος – Wort, Lehre) steht „Phänomenologie“ für die Lehre von den Erscheinungen bzw. von den Erfahrungen. Und da die Erfahrungen ihren Ursprung in dem erfahrenden BewusstseinBewusstsein haben, lag es nahe, die Philosophie mit Franz BrentanoBrentanoFranz2 (1838–1917) als deskriptive Psychologie zu definieren.3 Durch die Vermittlung seines Wiener Lehrers BrentanoBrentanoFranz, kam das Verständnis der Philosophie als deskriptiver Psychologie schliesslich auch auf Edmund HusserlHusserlEdmund, der es ohne Vorbehalte übernahm.4
6.1 Die Vorboten des phänomenologischen Realismus
Wenngleich Edmund HusserlHusserlEdmund als Begründer der phänomenologischen Bewegung gilt,1 so dürfen die vorhusserlianischen