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Gemeinsam ist diesen Typen, dass das Kurzwort aus mehreren initialen Segmenten der Vollform (Buchstaben, Lauten oder Silbenteilen) besteht. Nach der Terminologie von Kobler-Trill (1994) handelt es sich bei Akronymen durchweg um multisegmentale Kurzwörter. Bis auf den Typ der Silbeninitialwörter werden Akronyme kaum spontan im mündlichen Sprachgebrauch gebildet, sondern entstehen meist in der Schriftsprache, da zur Bildung von Akronymen in sehr viel höherem Maße Bezug auf die morphologische Ausgangsstruktur genommen werden muss als bei der Bildung von Kurzwörtern i.e.S. Ronneberger-Sibold (1992:64) formuliert es folgendermaßen: „Die Akronymie ist also in mehreren Hinsichten eine sehr viel intellektuellere Kürzungstechnik als die Bildung von Kurzwörtern1.“ Trotz der unterschiedlichen Bildungsweise unterscheiden sich Akronyme in vielen Punkten nicht grundlegend von Kurzwörtern im engeren Sinne. Im Lauf der Arbeit wird sich zeigen, dass Akronyme etwa in phonologischer Hinsicht zum Großteil die bei Kurzwörtern im engeren Sinne beobachteten Präferenzen teilen. Es ist also durchaus gerechtfertigt, sie als Teil der Kurzwortbildung zu betrachten.

      2.2.1.1 Buchstabierwörter

      Bei Buchstabierwörtern werden die Anfangsbuchstaben von Bestandteilen der Vollform, zum Beispiel von Lexemen einer Wortgruppe oder Morphemen eines Kompositums, zu einem Kurzwort zusammengefügt und mit den entsprechenden Buchstabennamen ausgesprochen. Die Aussprache der Buchstaben des deutschen und schwedischen Alphabets ist in Tabelle 2 angegeben. Wie daraus zu erkennen ist, gibt es dabei bis auf wenige Unterschiede große Übereinstimmungen zwischen den Untersuchungssprachen. Im Deutschen haben 19 von 29, im Schwedischen sogar 22 von 29 Buchstabennamen einen vokalischen Auslaut. Dies ist besonders im Hinblick auf die Silbenstruktur der Kurzworttypen der Buchstabierwörter und Kürzungskomposita (siehe Kapitel 4.2) von Bedeutung, da Kurzwörter, die ganz oder teilweise mit Buchstabennamen gebildet werden, zwangsläufig einen hohen Anteil offener Silben enthalten.

das deutsche Alphabet1das schwedische Alphabet
A [aː]A [ɑː]
B [beː]B [beː]
C [tseː]C [seː]
D [deː]D [deː]
E [eː]E [eː]
F [ɛf]F [ɛf]
G [geː]G [geː]
H [haː]H [hoː]
I [iː]I [iː]
J [jɔt]J [jiː]
K [kaː]K [koː]
L [ɛl]L [ɛl]
M [ɛm]M [ɛm]
N [ɛn]N [ɛn]
O [oː]O [ɷː]
P [peː]P [peː]
Q [kuː]Q [kʉː]
R [ɛr]R [ær]
S2 [ɛs]S [ɛs]
T [teː]T [teː]
U [uː]U [ʉː]
V [faʊ]V [veː]
W [veː]W3 [ˇdɵbːɘl ̩veː]
X [iks]X [ɛks]
Y ['ʏpsilɔn]Y [yː]
Z [t͡sɛt]Z [ˇsɛːta]
Ä [ɛː]Å [oː]
Ö [øː]Ä [ɛː]
Ü [yː]Ö [øː]

      Tabelle 2: deutsches und schwedisches Alphabet

      Beispiele für propriale und appellativische deutsche und schwedische Buchstabierwörter finden sich in Tabelle 3. Dieser Kurzworttyp ist im Deutschen sehr produktiv und deutlich häufiger als im Schwedischen, wie in Kapitel 3 deutlich werden wird.

deutsche Buchstabierwörterschwedische Buchstabierwörter
AOK < Allgemeine OrtskrankenkasseAIK < Allmänna Idrottsklubben ‚allgemeiner Sportklub‘
GEZ < GebühreneinzugszentraleFP < Folkpartiet Liberalerna ‚Volkspartei die Liberalen‘
IHK < Industrie- und HandelskammerKTH < Kungliga Tekniska Högskolan ‚Königlich Technische Hochschule‘
MG < Maschinengewehrmc < motorcykel ‚Motorrad‘

      Tabelle 3: deutsche und schwedische Buchstabierwörter

      Typischerweise werden Eigennamen wie Namen von Organisationen auf diese Weise gebildet, z.B. dt. VDMA < Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau und schwed. LRF < Lantbrukarnas riksförbund ‚Reichsverband der Landwirte‘. Zum einen legen es deren oft sehr komplexe Vollformen nahe, eine gekürzte Form zu bilden, die in der Alltagskommunikation leichter zu handhaben ist. Des Weiteren ist die Akronymisierung eine Opakisierungsstrategie, mit der appellativische Interpretationen verhindert werden, die möglicherweise nicht mehr mit dem Referenten kompatibel sind, weil sich beispielsweise die Produktpalette oder die Ausrichtung der Organisation geändert hat.

      Doch auch appellativische Buchstabierwörter werden in beiden Untersuchungssprachen durchaus gebildet, z.B. dt. AB < Anrufbeantworter oder schwed. vd < verkställande direktör ‚Geschäftsführer‘. Während diese im Deutschen recht häufig sind, ist ihre Frequenz im Schwedischen dagegen deutlich geringer; dort werden für Appellativa eher andere Kürzungsarten bevorzugt.

      Im Schwedischen ist bei Belegen dieses Typs die Rede von „initialord“4 (z.B. bei Laurén 1972:3), „initialförkortningar“5 oder „akronymer“6, wobei in der gesamten Kurzwortterminologie im Schwedischen noch klare Abgrenzungen und etablierte Begrifflichkeiten fehlen, wie in Kapitel 2.4.2 erläutert wird.

      Nübling (2001:173) weist darauf hin, dass das Schwedische einen Sondertyp der Buchstabierwörter kennt, bei dem die Schreibung der Aussprache angenähert wird, indem die Buchstabennamen ausgeschrieben werden. Das auch im Deutschen existierende Kurzwort TV < Television wird im Schwedischen demnach teve geschrieben. Dasselbe gilt für behå < bysthållare ‚Büstenhalter‘. Dieses Verfahren ist dem Deutschen nicht grundsätzlich unbekannt, wird jedoch bei Appellativa nicht angewandt. Es finden sich lediglich Beispiele für Eigennamen nach diesem Muster, so Vaude < von Dewitz und Edeka < Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin.

      Ein weiterer Sonderfall der Buchstabierwörter, der bislang in der Forschungsliteratur noch nicht beschrieben wurde, ist im Schwedischen zu beobachten. Diese Belege, die ich hier als teilgebundene Buchstabierwörter bezeichnen möchte, werden wie gewöhnliche Buchstabierwörter gebildet, es wird jedoch nur ein Teil des Kurzworts mit Buchstabennamen ausgesprochen und ein weiterer Teil phonetisch gebunden, z.B. KTIB < Konsumenternas tele-, tv- och internetbyrå7 ‚Beratungsdienst für Medienkonsumenten‘ mit der Aussprache [koːtib] oder HSAN < Hälso- och sjukvårdens ansvarsnämnd ‚Amt für medizinische Verantwortung‘ mit der Aussprache [hoːsan]. Teilgebundene Buchstabierwörter stellen damit eine Art Mischung aus Buchstabierwörtern und Lautinitialwörtern dar. Bei sämtlichen in den Korpora dieser Arbeit verzeichneten Belegen dieses Typs handelt es sich um Eigennamen. Appellativa dieses Typs sind bislang nicht belegt.

      2.2.1.2 Lautinitialwörter

      Die Bildungsweise von Lautinitialwörtern ist identisch mit der von Buchstabierwörtern; die beiden Typen unterscheiden sich lediglich in der Aussprache. Lautinitialwörter werden als phonetisch gebundene Wörter ausgesprochen. Auch dieser Typ kommt in beiden Sprachen vor, er ist allerdings deutlich seltener als die häufigen Buchstabierwörter, da seine Bildung sehr viel stärkeren Restriktionen unterliegt. Während innerhalb eines Buchstabierworts im Grunde alle Buchstabenkombinationen möglich sind, müssen bei der Bildung eines Lautinitialworts die Initialen der Vollform so gewählt werden, dass sie ein in der jeweiligen Sprache aussprechbares und phonologisch wohlgeformtes Wort ergeben. Tabelle 4 enthält Beispiele für propriale und appellativische deutsche und schwedische Lautinitialwörter.

deutsche Lautinitialwörterschwedische Lautinitialwörter
APO < außerparlamentarische OppositionBris < Barnens rätt i samhället ‚schwed. Kinderschutzorganisation‘
Bams < Bild am SonntagSifo < Svenska Institutet för opinionsundersökningar ‚schwed. Meinungsforschungsinstitut‘
GAU < größter anzunehmender UnfallFoU < forskning och utveckling ‚Forschung

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