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dass analysiert wird – und zwar über die Einzelhandlung hinaus, während der teilnehmend beobachtet wurde –, welche Bedeutung ihnen zukommt und inwiefern sie für die involvierten Akteure zentral sind. Diesem Teil der Analysen dienen die Feldnotizen, die Einzelhandlungen in einer „thick description“ (Geertz 1973) festhalten, wie auch die gesammelten Dokumente, die mit den beobachteten Ereignissen verknüpft sind.

      Die in Gesprächen zustande gekommenen Daten werden (analog zu den Beobachtungen) als situierte Handlungen (vgl. Cicourel 1974; Briggs 1986) erachtet, in denen eine bestimmte Person auf bestimmte Art und Weise unter bestimmten Bedingungen einer bestimmten Person – in diesem Fall mir – etwas erzählt (Heller 2008). Sie werden als Praktiken der „De- und Entextualization“ der zu ergründenden Phänomene analysiert (Silverstein & Urban 1996). In Interviews (re-)konstruieren die Gesprächspartner ihre mit der Mobilität zusammenhängenden Praktiken. Dieser Rekonstruktionsprozess ist nicht neutral, sondern wird von Gesprächspartnern produziert, die eine bestimmte Position/Rolle haben. Das Herausarbeiten dieser Positionen kann im Zusammenhang mit dem aus der teilnehmenden Beobachtung erworbenen Wissen dazu dienen, zu erkennen, wie intra-nationale Mobilität auf Tertiärstufe von den verschiedenen Akteuren verhandelt und praktiziert wird und welche Rolle die Sprache dabei für sie spielt.

      Die Analyse trennt also Feldnotizen, institutionelle Daten und interaktionelle Daten nicht voneinander. Vielmehr werden diese als Einheit verstanden, die im ethnographischen Feld zustande gekommen ist und es erlaubt, die Komplexität der (Macht-)Beziehungen im Feld zu verstehen.

      2.2.4 Theoretische Konzepte

      Im folgenden Teil gehe ich auf die theoretischen Konzepte ein, die mit meinem Forschungsinteresse und den damit verbundenen Leitfragen zusammenhängen. Die Erläuterung dieser Konzepte erlaubt es, den analytischen Kapiteln einen Rahmen zu geben und zu deren Nachvollziehbarkeit beizutragen. Drei Konzepte sind für mich zentral. Bei diesen handelt es sich um Mobilität, politische Ökonomie und Ideologie. Auch wenn den drei Konzepten ein je eigenes Unterkapitel gewidmet ist, bedeutet dies nicht, dass sie voneinander losgelöst betrachtet werden können. Vielmehr sind sie miteinander verbunden, beeinflussen und bedingen sich gegenseitig. So wird in den drei Unterkapiteln auch Bezug auf die jeweils anderen Konzepte genommen. Ebenfalls fliesst die Sprache bei den Ausführungen aller Konzepte mit ein. Bevor aber nun einzeln auf die Konzepte eingegangen wird, soll aufgezeigt werden, weshalb genau diese zentral sind.

      Der akademischen Mobilität kam im vorausgehenden Teil schon einige Aufmerksamkeit zu. Der Mobilitätsbegriff allgemein wurde aber nur gestreift. Auch was Mobilität konzeptuell bedeutet, wurde wenig erläutert. Dies wird im folgenden Abschnitt herausgearbeitet. Weiter soll beleuchtet werden, weshalb bei mobilen Studierenden davon ausgegangen wird, Mobilität könne als gewinnbringend und erstrebenswert ausgelegt werden und sei mit Möglichkeiten des Kapitalerwerbs verbunden (Albrecht 1972: 23). Äusserungen wie: Ein Studium ausserhalb der „eigenen Sprachregion“ sei ein Plus, man erlange so zusätzliche Sprachkenntnisse und erweitere seinen Horizont, müssen mit gewissen Interessen und Selbstkonzepten in Verbindung gebracht werden, die mit der Mobilität verfolgt werden. Weiter sind es politisch-ökonomische Bedingungen, die Mobilität ermöglichen und ihr einen gewissen Stellenwert zuweisen. Ist letzterer entsprechend hoch, führt dies zu die Mobilität promovierenden Praktiken. So lohnt es sich für Universitäten in der Deutschschweiz etwa, eine Delegation ins entfernte Tessin zu schicken, um dort um zukünftige Studierende zu werben. Derartige Praktiken werden nicht als neutral oder gegeben erachtet, sie geschehen eben unter bestimmten politisch-ökonomischen Bedingungen, in einem gewissen temporalen und räumlichen Kontext. Ideologien resultieren aus diesen politisch-ökonomischen Bedingungen und münden in spezifische soziale und diskursive Praktiken. So wird etwa einer bestimmten akademischen Mobilität und einer damit erwerbbaren Sprache sowie den SprecherInnen, welche diese Sprache dank der Mobilitätssituation beherrschen, ein spezifischer, ideologisch geprägter Status zugeschrieben.

      2.2.4.1 Mobilität

      Wie in der historischen Skizze erläutert worden ist, hat Bildungsmobilität eine lange Geschichte und Vorgeschichte. Menschen haben nämlich früh auch andere Formen der Mobilität gewagt, mit dem Ziel, ihre alltäglichen Lebensbedingungen zu verbessern. Mobilität an und für sich ist also nicht neu. Als relativ „neu“ betrachtet werden können die Erfindung und Einrichtung nationaler, aber auch regionaler Grenzen und die Vorstellung („imagining“) von Nationalstaaten (im 19. Jahrhundert) und politisch autonomen Regionen (Anderson 1983: 5–7). Durch damit verbundene ideologische Prozesse kommt der Mobilität eine Bedeutung zu, die zum Thema der Wissenschaft wird. Mobilität über „Grenzen“ hinweg ist interdisziplinär auf grosses Interesse gestossen. Man denke etwa an transnationale Forschungsvorhaben (Waldinger & Fitzgerald 2004) oder an Forschung, die sich mit dem vermeintlichen „Verblassen“ von Grenzen im Zuge der Europäisierung und Globalisierung befasst (vgl. Yeung 1998).

      In Zusammenhang mit dieser (Neu)Aushandlung von Grenzen und der (Un)Möglichkeit, diese zu überqueren oder zu ignorieren, betonen Forschende aus verschiedenen Disziplinen, wie präsent und wichtig Mobilität in unserer Gesellschaft sei. Gemäss Appadurai (2001: 5) leben wir heute in einer „world fundamentally characterized by objects in motion“ oder, anders gesagt, in „a world of flows“. Boltanski und Chiapello (1999) weisen darauf hin, dass die Fähigkeit, sich zu bewegen und räumlich flexibel zu sein, in marktwirtschaftlichen Gesellschaften essentiell geworden sei. John Urry, ein Soziologe, der das Thema „Mobilität“ während Jahrzehnten erforschte, schlägt in seinem Versuch, eine Soziologie der Mobilität zu entwickeln, gar vor, „society“ durch „mobility“ zu ersetzen, da das Sich-Bewegen „constitutive of the structures of social life“ sei (2000: 49). Auch wenn Einigkeit herrscht, dass das Phänomen der Mobilität Aufmerksamkeit verdiene, sind die Auffassungen, was nun mit Mobilität gemeint sei, und die dafür verwendeten Begrifflichkeiten uneinheitlich. Im Folgenden soll auf diejenigen Aspekte der Mobilität eingegangen werden, die für diese Arbeit und das damit einhergehende Verständnis von Mobilität hilfreich sind.

      Urry (2000, 2008) bietet einen sehr breiten Mobilitätsbegriff an. Er zählt nicht nur körperliche Bewegungen im Raum zur Mobilität – z.B. reist ein Student mit der Bahn aus dem Tessin in die Deutschschweiz –, sondern schreibt ihr auch Aktivitäten zu, die keine räumliche Verschiebung von Körpern beinhalten.1 Mobilität liegt z.B. schon dann vor, wenn ein Student aus dem Tessin in der Deutschschweiz auf einem Sofa sitzt und über seine Bahnreise nachdenkt.

      Im Alltagsgebrauch weist man „Mobilität“ meistens eine „Bewegungskomponente“ zu, d.h. dass mit ihr Aktivitäten verbunden werden, die dazu beitragen, die Distanz zwischen räumlich separierten Orten zu überbrücken. Die Kernbedeutung liegt also in der „transgression of spatial distance“ (Frello 2008: 28). In gegenwärtigen Diskussionen über Bewegung geht es v.a. darum, ob wir uns mit „tatsächlichen Bewegungen von Körpern oder Dingen“ oder mit „Bewegung von Informationen oder Ideen“ befassen (vgl. Kaplan 2006: 395).

      Auch Tim Cresswell nimmt an dieser Diskussion teil. Er greift die Idee der „tatsächlichen Bewegung von Körpern oder Dingen“ auf und bezeichnet sie als „general fact of displacement“ oder „movement“. Ihr, der tatsächlichen Bewegung, stellt er die „Mobility“ gegenüber, die für ihn den „social character of movement“ beinhaltet (Cresswell 2001: 13–14). Er führt diese Unterscheidung weiter aus:

      Mobility, like social space and place, is produced. Mobility is to movement what place is to location. It is produced and given meaning within relations of power: There is, then, no mobility outside of power. Mobility, unlike movement, is contextualised. It is a word for produced movement. (ebd. 20).

      Gemäss Tim Cresswell könnte man also sagen, dass eine Bewegung im Raum – z.B. der Umzug aus dem Tessin in die Deutschschweiz – bloss ein physikalischer Vorgang sei. Erst bei der Mobilität – etwa beim mit der Bewegung assoziierten Übergang vom Maturanden zum Studierenden – schwinge eine soziale Komponente mit, im erwähnten Beispiel die Statusveränderung. Letztere finde nicht einfach statt, sie werde einem von aussen zugeschrieben.

      Birgitta Frello (2008: 3), ebenfalls eine Soziologin, die sich ausgiebig mit der Mobilität befasst

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