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und endlich als Vorschmack der Poesie einige kurze Stellen aus den bedeutendsten Dichtern.156

      Diese didaktische Progression spiegelt sich auch im Lesebuch-Abschnitt Poesie wider. Nach (einfacheren) Gedichten werden (komplexe) Opernauszüge abgedruckt, z. B. Oh che felici pianti! aus Metastasis Opern und O bella età dell’ oro aus den Amyntas des Torquato Tasso.157 Kannegießer gibt nur vereinzelte Vokabelhilfen und weist dem lauten Lesen eine wichtige Rolle zu. Er kann in diesem Sinne als einer der Vorläufer der direkten Methode angesehen werden.

      II. Der Musikeinsatz im Französischunterricht im Rahmen der neusprachlichen Reformbewegung

      II. 1 Die Hochzeit der Grammatik-Übersetzungs-Methode und die Folgen für den Musikeinsatz

      Der Einsatz von musischen Elementen im Französischunterricht wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zugunsten der Grammatik-Übersetzungs-Methode weitgehend zurückgedrängt, wobei die zentrale Bedeutung der Grammatik durch die formale Bildungstheorie gerechtfertigt wurde.1 Parallel dazu etablierte sich im Gegensatz zum holistischen Einsprachigkeitsprinzip bei den Philanthropen2 und den Grammaires des Dames3 eine konsequente Zweisprachigkeit. Das zeigte sich im zeitgenössischen Französischunterricht darin, dass hauptsächlich übersetzt wurde. Marcus Reinfried fasst dieses Spannungsfeld folgendermaßen zusammen:

      Das methodische Spektrum zwischen der kognitiven Durchdringung der Zielsprache und der ganzheitlichen Sprachpräsentation konstituierte sich nun in einer neuen Weise: Die synthetische Grammatik-Übersetzungsmethode, die es bereits in vorangegangenen Jahrhunderten gegeben hatte, bildete nach wie vor (in verbesserter Form) den einen Eckpfeiler des Spektrums. Die sogenannte „analytische Methode“, eine streng wörtliche Übersetzungsmethode, bildete nun den neuen Eckpfeiler; sie steht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland für den ganzheitlichen Pol beim schulischen Fremdsprachenlernen.4

      Die beiden bekanntesten Vertreter der synthetischen Grammatik-Übersetzungs-Methode waren die beiden Lehrwerkautoren Johann Valentin Meidinger5 und Carl Ploetz.6 Diese Methode kann als klassisch-deduktiv7 bezeichnet werden und arbeitet vor allem mit Einzelsätzen. Im Gegensatz zu Meidinger führte Ploetz bereits im frühen Anfangsunterricht Sätze in der Zielsprache sowie Übersetzungen vom Französischen ins Deutsche ein. Ploetz folgte dem didaktischen Grundsatz vom Einfachen zum Komplexen, der das Prinzip Vom Eigenen zum Fremden ergänzt.8 Dadurch ergibt sich eine didaktische Progression der Lernziele, wobei Ploetz auch die Aussprache9 unter seinen Grammatikregeln berücksichtigte. Demgegenüber war die „analytische“10 Übersetzungsmethode von James Hamilton11 und Joseph Jacotot12 holistisch, nutzte authentische Texte und folgte einer intuitiven Lernkonzeption:13

      Cette méthode est – avant tout dans l’enseignement de départ – déductive, atomiste, et utilise majoritairement des phrases indépendantes. À l’opposé, la méthode de traduction dite analytique d’Hamilton qui a trouvé un grand écho en Allemagne est de type holistique; elle repose sur une conception d’acquisition intuitive et fait usage de textes authentiques.14

      Abb. 12:

      Charles TOUSSAINT / Johann Gustav Ludwig LANGENSCHEIDT, Methode Toussaint-Langenscheidt. Brieflicher Sprach- (und Sprech-) Unterricht für das Selbststudium der französischen Sprache. Berlin: Langenscheidt 1903, S. 34.

      Ihre methodischen Konzeptionen, die beide Autoren unabhängig voneinander entwickelten, wurden als Variationen ein und derselben Methode angesehen. Das trifft vor allem für den Elementarunterricht zu. Hier wurden von Anfang an längere authentische Texte übersetzt. Die Übersetzungen erfolgten satz- oder abschnittsweise sowohl von der Fremdsprache in die Muttersprache (version) als auch von der Muttersprache in die Fremdsprache (thème). Diese Rückübersetzung (Retroversion) diente der häuslichen Nachbereitung der Schüler. Als Vorbild diente die Interlinearversion, wobei der französische Teil des Textes mithilfe eines Kartons abgedeckt und dann zeilenweise wieder aufgedeckt wurde. Diese Technik wurde auch in der Methode Toussaint-Langenscheidt15 angewendet. Im fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht vergrößern sich dann allerdings die Unterschiede zwischen Hamiltons und Jacotots Methode: Bei Jacotot läuft das Unterrichtsgespräch meist einsprachig und stärker inhaltsbezogen ab als bei Hamilton, wobei der Transfer zur Eigentätigkeit der Schüler eine wichtige Rolle spielt. Hamilton und Jacotot

      beobachteten bei ihrer Methode den naturgemäßen Gang, wie der Fremde in einem fremden Lande oder die Kinder eine Sprache erlernen […], daß sie nämlich beide

      1 dem Schüler gleich von Anfang an die Sprache als eine lebendige, Gedanken enthaltende vorführen, also lauter sprachganze Sätze geben, weil die Sprache eher als die Grammatik, das Concrete eher als die Abstraction, die Praxis eher als die Theorie ist; und daß sie

      2 den Schüler die Gesetze der fremden Sprache möglichst selbständig erkennen und auffinden lassen, weil dieß für ihn […] förderlicher sei, als wenn er sich gleich von Anfang an mit dem abstracten Inhalte einer Grammatik herumzuschlagen habe und weil dadurch das ganze Verhältniß des Lehrers zu den Schülern heiterer, frischer und unmittelbarer werde.16

      Unter den Schlagwörtern „Tout est dans tout: Toutes les intelligences sont égales“, „Tous les hommes ont une égale intelligence; tout homme a reçu de Dieu la faculté de pouvoir s’instruire“ erweiterte Jacotot seine zunächst nur auf den Leseunterricht in der Muttersprache („Langue maternelle“, 1823) konzipierten Unterricht auf andere Fächer wie Mathematik, Fremdsprachen („Langue étrangère“, 1829), Philosophie, Metaphysik und Musik:

      De son chant. Un musicien parlerait de la mélodie des sons; un poète de la prosodie et des vers que chantait Calypso; un physiologiste examinerait si on chante avec un instrument à cordes, etc.

      Un philologue dirait: il y a une édition de telle année où se trouve cette variante: Du doux dans sa voix, il y ajouterait mille conferatur, et il aurait le prix de quelque part.17

      Muster, Ausgangspunkt und Ziel ist für Jacotot Fénélons Télémaque. Dabei

      soll die erste Seite des Buches solange betrachtet, geübt und wiederholt werden, bis sie „unbewußtes Eigentum des Schülers geworden ist, ebenso soll das ganze Werk Kristallisationspunkt für das gesamte Wissen bilden nach dem Grundsatze „Apprends bien un livre et rapportes-y tous les autres.“18

      Die methodischen Ansätze in den Lehrbüchern von Johann Heinrich Philipp Seidenstücker19 und Franz Ahn20 zeigen wie Ploetz eine schülergerechte grammatische Progression und favorisieren einen induktiven Grammatikunterricht. Beide Autoren befinden sich damit „zwischen dem ganzheitlichen und dem synthetischen Pol des Sprachenlernens“.21 Ahn plädiert wie die Philanthropen in den 1780er Jahren für eine Spracherlernung durch den Sprachgebrauch. Das Lernen von Regeln wird ausgeschlossen. Neben Übersetzungen sollen alle Grundfertigkeiten berücksichtigt werden. In seinem Praktischen Lehrgang, der in den Jahren 1834 und 1839 erschien, bietet Ahn

      kleine Lektionen mit je einer neuen Regel und wenigen Vokabeln; hieraus werden französische bzw. englische und deutsche Sätze geformt, die dem Leben entnommen sind; die sehr kurze Grammatik ist gesondert. Die Aussprache soll praktisch gelehrt werden; Regeln werden nicht gegeben, sondern am Schlusse eine Aussprachebezeichnung, die sich an die Schreibung anschließt. Im zweiten Teile haben wir eine zusammenhängende Geschichte, ferner kleine Beschreibungen, Briefe, Anekdoten in der fremden und in deutscher Sprache, auch Idiotismen und Redensarten.22

      Ahn stellt im Vorwort

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