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davon aus, dass beim multimedialen Lernen hauptsächlich zwei separate, aber miteinander verknüpfte Verarbeitungskanäle involviert sind. Er differenziert zwischen einem visuell-piktorialen und einem auditiv-sprachlichen Kanal, die jeweils Aspekte der sensorischen Modalität (visuell versus auditiv) und des Präsentationsmodus (piktorial versus sprachlich) miteinander kombinieren. Das heißt also, dass jeder dieser beiden Kanäle auf eine bestimmte sensorische Modalität und Kodierungsart spezialisiert ist.

      Zu Frage 2: Ähnlich wie bei der cognitive load theory (Sweller & Chandler 1991) geht Mayer auch von einer limitierten Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses aus, die allerdings für beide Kanäle unterschiedlich ist (vergleiche limited capacity assumption, Mayer 2005a, 2009). Das heißt also, dass der visuell-piktoriale und der auditiv-sprachliche Kanal jeweils eine eigene Verarbeitungskapazität haben, die unabhängig voneinander zu betrachten sind. Daraus ergibt sich also, dass die Verarbeitung von Bild und Text die beiden Kanäle optimal nutzen sollte, um jeweils Überbelastungen zu vermeiden. Weiterhin merkt Mayer an, dass die limitierte Verarbeitungskapazität der beiden Kanäle sich nicht in Form von einer konkreten Anzahl von Items ausdrückt, da dies stark von Faktoren wie dem Chunking, den individuellen Lernvoraussetzungen, den Übungseffekten sowie der Nutzung bestimmter metakognitiver Strategien abhängt (vergleiche Mayer 2005a: 35f). Letzteres wird nach Mayer als die Kernfunktion der von Baddeley postulierten zentralen Exekutive angesehen.

      Zu Frage 3: Schließlich beschäftigt sich Mayer auch mit den Voraussetzungen für sinnvolles Lernen. Im Rahmen der sogenannten active processing assumption postuliert Mayer (2005a, 2009), dass sinnvolles Lernen vor allem durch die Konstruktion einer mentalen Repräsentation ermöglicht wird, die den neuen Input mit dem bereits vorhandenen Vorwissen auf eine subjektiv plausible Weise vereinbar macht. Die Prozesse, die hierfür erforderlich sind, wurden bereits in einem der früheren Modelle von Mayer, dem sogenannten Selektion-Organisation-Integration-Modell (kurz SOI-Modell), festgelegt: Zunächst werden Informationen aus dem Input wahrgenommen und selektiert; danach werden die verschiedenen Informationen im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis aufeinander bezogen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation organisiert; schließlich wird diese mentale Repräsentation in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen integriert. Diese Prozesse können durch die Strukturierung des Lernmaterials begünstigt oder gehemmt werden. So kann zum Beispiel die Darstellung der Hauptidee eines Textes und der ihr untergeordneten Spezifikationen in Form einer hierarchischen Baumstruktur den Lernern helfen, die darin enthaltenen Informationen besser aufeinander zu beziehen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation zu organisieren (Mayer 2005a).

      Vor dem Hintergrund dieser drei Grundthesen formuliert Mayer die sogenannte kognitive Theorie des multimedialen Lernenskognitive Theorie des multimedialen Lernens, die in Abbildung 1.1 dargestellt ist. Mayer geht von drei Komponenten des menschlichen Gedächtnisses aus: In einem ersten Schritt werden im sensorischen Gedächtnis die visuellen (Bilder, geschriebene Wörter) und auditiven Reize (gesprochene Wörter beziehungsweise Töne) durch die entsprechenden Sinnesorgane wahrgenommen und zum Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Dort werden die Informationen je nach Kodierung (piktorial oder verbal) durch kognitive Organisationsprozesse jeweils zu verbalen oder piktorialen Modellen weiterverarbeitet. Durch die Pfeile zwischen den Lauten und den Bildern macht Mayer deutlich, dass Wörter beispielsweise durch referenzielle Prozesse auch die entsprechenden mentalen Bilder aktivieren können. Schließlich werden die verbalen und piktorialen Modelle durch Integrationsprozesse und die Aktivierung von relevantem Vorwissen zu einem ganzheitlichen mentalen Modell zusammengefügt.

      Abbildung 1.1:

      Kognitive Theorie des multimedialen Lernens (nach Mayer 2005b: 37)

      Wie Sie vermutlich bemerkt haben, werden im Modell von Mayer nicht alle Wege der Worterkennung berücksichtigt, die beispielsweise im Modell von Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001) beschrieben werden. Demnach führt der sogenannte lexikalische Weg über eine orthographische Dekodierung des visuellen Schriftbildes zum entsprechenden Eintrag im mentalen Lexikon. Durch referenzielle Prozesse aktiviert das visuelle Schriftbild direkt das repräsentierte Wort, ohne dass zunächst die entsprechenden Laute durch Graphem-Phonem-Korrespondenz generiert werden. Um diesen Weg in der Sprachverarbeitung zu berücksichtigen, sollte das Modell von Mayer durch einen weiteren Pfeil ergänzt werden, der von den Bildern direkt zum verbalen Modell führt. Der prälexikalische Weg, demzufolge die Lautform des Wortes buchstabenweise durch Graphem-Phonem-Korrespondenzen mental rekonstruiert wird, wird in dem Modell durch die Verbindung zwischen den Bildern und den Lauten dargestellt.

      Abbildung 1.2:

      Integriertes Modell der Text- und Bildverarbeitung (Schnotz 2005: 57)

      In einem ähnlichen Modell, das in vielen Punkten an das Modell von Mayer erinnert, behebt Schnotz (2005, siehe Abbildung 1.2) das Problem der verschiedenen Verarbeitungswege, indem keine strengen auditiv-verbalen und visuell-piktorialen Kanäle angenommen werden (vergleiche auch Gyselinck, Jamet & Dubois 2008: 359). So muss der geschriebene Text zum Beispiel nicht unbedingt zunächst den Weg vom visuellen bis zum auditiven Arbeitsgedächtnis durchlaufen, um ein verbales Modell zu bilden (vergleiche Suñer 2011: 105). Im Vergleich zu Mayers Modell nimmt Schnotz (2005: 59) eine weitere wichtige Änderung vor, und zwar differenziert er nicht mehr zwischen verbalem und piktorialem Modell als Vorstufe zu einem ganzheitlichen mentalen Modell. Vielmehr wird im Modell suggeriert, dass Bilder durch den piktorialen Kanal einen viel schnelleren Zugang zu den mentalen Modellen haben, während der sprachliche Input zunächst zur Bildung einer propositionalen Repräsentation führt und erst dann zu einem mentalen Modell weiterverarbeitet wird. Damit wird das Modell Forschungsergebnissen gerecht, nach denen mentale Modelle mit der Verarbeitung visuell-räumlicher Information eng zusammenhängen (vergleiche Friedman & Miyake 2000; Sims & Hegarty 1997) und für entsprechende mentale Simulationen von Sachverhalten eine wichtige Rolle spielen (vergleiche Seel, Darabi & Nelson 2006; Seel 2008). Durch die Trennung zwischen der bildlichen Repräsentation und dem mentalen Modell im Arbeitsgedächtnis wird jedoch auch deutlich gemacht, dass beide mentalen Repräsentationen nicht gleichzusetzen sind (vergleiche Knauff & Schlieder 2005). So wurde in mehreren Experimenten festgestellt, dass die oft irrelevanten Details von mentalen Bildern unter bestimmten Bedingungen die Denkprozesse hemmen und damit die Bildung von mentalen Modellen behindern können (Knauff & Johnson-Laird 2002; Knauff & May 2006).

      1.1.2 Anwendung der Designprinzipien

      Aus diesen ersten Ausführungen ergeben sich schon wichtige Konsequenzen für die Praxis. Multimediale Lernmaterialien sollen sorgfältig aufbereitet werden, damit zum Beispiel nicht unnötige Details von Bildern die Bildung mentaler Modelle und damit nachhaltiges Lernen verhindern. Das heißt also, dass wir nicht von einem allgemeinen Vorteil durch die Verwendung von Materialien bestehend aus Bildern und Texten (vergleiche MultimediaprinzipMultimediaprinzip, Mayer 2009) ausgehen dürfen. Vielmehr sollen Prinzipien wie das RelevanzprinzipRelevanzprinzip (Darbietung von lernrelevanten Informationen), das RedundanzprinzipRedundanzprinzip (Vermeidung von doppelter Darbietung von Information) oder das signaling-Prinzipsignaling-Prinzip (Hervorhebung wichtiger Elemente im Lernmaterial) sicherstellen, dass die dargebotenen multimedialen Materialien vor allem relevante Lernprozesse initiieren und nicht unnötigerweise kognitive Ressourcen verbrauchen (Mayer 2009). Weiterhin kann die Überlastung der einzelnen Verarbeitungskanäle im Arbeitsgedächtnis dadurch vermieden werden, dass die Bild- und Textanteile des Lernmaterials in verschiedenen Sinnesmodalitäten dargeboten werden und die Kapazität der Kanäle damit optimal genutzt wird (vergleiche ModalitätsprinzipModalitätsprinzip). Die Effizienz dieser und anderer Designprinzipien hängt jedoch stark vom Vorwissen der Lerner ab, und zwar kann ihr Einsatz bei Lernern mit hohem Vorwissen im Sinne des sogenannten expert reversal effectexpert reversal effect kontraproduktiv sein (vergleiche Kalyuga et al. 2003; Sweller 2004; Plass et al. 2010). Schließlich soll bei der Anwendung der Designprinzipien berücksichtigt werden, dass sie meistens nicht

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