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die Textlinguistik und die Psycholinguistik und andere Kognitionswissenschaften anlehnen. Mit wenigen Ausnahmen ist es aber auch dieser Forschung nicht gelungen, nachhaltig auf die Lehr- und Lernpraxis einzuwirken. Unter den Versuchen einer systematischen Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung von Lehrmaterial und Lehrverfahren sind die folgenden zu nennen:

       ein kurzlebiger Versuch, die Valenzgrammatik als Grundlage einer didaktischen Grammatik einzuführen (zum Beispiel das DaF-Lehrwerk Deutsch Aktiv)

       die eklektische Nutzung von Elementen der pragmatischen Erwerbsforschung in der Lehrwerksproduktion (siehe die DaF-Lehrwerke Tangram, Schritte international)

       die Berücksichtigung von Aspekten der Interkomprehensionsdidaktik in Lehransätzen (EuroCom)

       die Gestaltung des Sprachunterrichts nach handlungstheoretischen und konstruktivistischen Prinzipien (Szenariendidaktik, fallbasiertes Lernen, Fachsprachenunterricht).

      Fremdsprachenunterricht wird verbreitet noch als Domäne des Einzelerwerbs betrachtet. Die systematische Nutzung von Kenntnissen der Vorsprachen beim Erwerb weiterer Sprachen wird bisher nur ansatzweise bedacht und bearbeitet. In Begriffen wie Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch nach Englisch oder Interkomprehensionsdidaktik zeigen sich die Vorboten einer neuen Generation der Fremdsprachendidaktik, deren Grundlagen jedoch noch zu erarbeiten sind, wenn sie nicht bei kontrastiven Vergleichen verharren will.

      Zur kognitiven Ausrichtung

      Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert – und darum geht es in dieser Buchreihe – sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale wahrend der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Referenzdisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters ihrer Methoden nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Die kognitive Linguistik, die Psycholinguistik, die Neurolinguistik, die kognitiv ausgerichteten Kulturwissenschaften sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Sie sollen in den Bänden dieser Reihe soweit zum Tragen kommen, wie das nur möglich ist. Bei jedem Band stehen daher die Prozesse in den Köpfen der Lerner im Mittelpunkt der Betrachtung.

      1. Grundlagen des multimedialen Lernens

      Die menschliche Kommunikation läuft in den seltensten Fällen rein sprachlich ab. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass Kommunikation neben dem Sprachsystem mindestens ein weiteres Kodierungssystem miteinbezieht. In der mündlichen Kommunikation erfüllen Gestik und Mimik eine essenzielle kohärenzstiftende Funktion, indem zum Beispiel räumliche Aspekte mit den Händen verdeutlicht werden. Dabei kommt es auch vor, dass die Gestik aufgrund kulturbedingter Interpretation zu Missverständnissen führt, wie zum Beispiel das Kopfschütteln, das in manchen Kulturen als Zeichen der Zustimmung gilt. Auch in der schriftlichen Kommunikation spielt vor allem die Verwendung von Bildern (Fotos, Graphiken, Symbolen, Smileys etc.) eine besonders wichtige Rolle, wie sich unter anderem in den Bereichen der Werbung, der Presse oder der virtuellen Kommunikation beobachten lässt. Im Kontext der Sprach- und Kulturvermittlung erscheint es daher sinnvoll, neben dem Sprachgebrauch auch den adäquaten Umgang mit Bildern und anderen Elementen nonverbaler Kommunikation zu fördern. In diesem Kapitel wollen wir der Frage nachgehen, welche Besonderheiten die Text- und Bildverarbeitung in der Fremdsprache aufweist. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen daher die L2-spezifischen Aspekte der Text- und Bildverarbeitung im Kontext der allgemeinen Kommunikation sowie die Gelingensbedingungen für den Einsatz von Text und Bild in Lernmaterialien. Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst die Theorien des multimedialen Lernens behandelt und daraus wichtige Prinzipien für das Design multimedialer Materialien abgeleitet. Danach wird die Umsetzung dieser Designprinzipien in Lernmaterialien am Beispiel der Grammatikanimationen gezeigt. Anschließend wird Sprachenlernen aus der Perspektive der Multimedialität und der Multimodalität betrachtet.

      1.1 Multimediales Lerndesign

      Ferran Suñer Muñoz & Jörg Roche

      In dieser Lerneinheit wollen wir uns mit den wichtigsten Prinzipien zur Gestaltung multimedialer Materialien beschäftigen. Diese Prinzipien bieten Lehrkräften einen theoretisch fundierten und empirisch gestützten Orientierungsrahmen bei der Erstellung von Materialien, die Bilder und Text miteinander kombinieren. Dabei kann es sich um graphische Übersichten über landeskundliche Sachverhalte, Aufgabensequenzen zu einem Video oder einfach um die eigene PowerPoint-Präsentation für den Unterricht handeln. Diese Lerneinheit geht den Fragen nach, welche Prinzipien sich aus den Theorien des multimedialen Lernens ableiten und wie sie sich auf multimediale Lernmaterialien für das Fremdsprachenlernen anwenden lassen. Zur Beantwortung dieser Fragen soll die Theorie von Mayer (2005a, 2009) vorgestellt werden, die die wichtigsten Erkenntnisse der Vorgängermodelle zu einem integrierten Modell zusammenführt. Danach sollen aus Mayers Modell die wichtigsten Designprinzipien abgeleitet und vor dem Hintergrund der bisherigen empirischen Forschung präsentiert werden. Die Lerneinheit schließt mit der Diskussion einiger Beispiele für eine gelungene Umsetzung der Designprinzipien in Lernmaterialien ab.

       Lernziele

      In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

       erklären können, wie sich die verschiedenen Designprinzipien anhand der Theorien des multimedialen Lernens begründen lassen;

       anhand der Designprinzipien multimediale Lernmaterialien im Kontext des Fremdsprachenlernens evaluieren und optimieren können.

      1.1.1 Theoretische Grundlagen von Designprinzipien

      Viele Designprinzipien wie das Multimediaprinzip, nach dem die Darbietung von Bild und Text zu besseren Lernergebnissen führen soll als die Darbietung von Text alleine, oder das signaling-Prinzip, nach dem wichtige Aspekte des Lernmaterials hervorgehoben werden sollen, klingen fast wie selbstverständlich, sind jedoch aus komplexen Theorien entstanden und in zahlreichen empirischen Studien erforscht worden. In diesem Abschnitt soll zunächst das Modell von Mayer (2005a, 2009) präsentiert werden, das als Grundlage für die Formulierung der Designprinzipien genommen wird. Unter Rückgriff auf die Vorgängermodelle von Baddeley (1986) und Paivio (1990) sowie auf die cognitive load theory von Sweller & Chandler (1991), versucht das Modell von Mayer auf folgende drei Fragen zu antworten:

      1 Wie interagieren die verschiedenen Verarbeitungskanäle des Arbeitsgedächtnisses miteinander beim multimedialen Lernen?

      2 Welche Rolle spielt die begrenzte Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses beim multimedialen Lernen?

      3 Welche Prozesse sind für sinnvolles und nachhaltiges multimediales Lernen notwendig?

      Zu

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