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‚Deutsch als Zweitsprache‘ oder ‚mangelnde Deutschkenntnisse‘ es z.B. sein können, nicht in den Vordergrund zu stellen. Dabei ruft die Redeweise vom Seiteneinstieg das Bild eines funktionierenden Schulsystems auf, das aus unterschiedlichen Gründen nicht von Beginn an durchlaufen wird. Beschulungskonzepte von Seiteneinsteiger*innen sind in der Regel Konzepte des Übergangs von Schüler*innen aus Klassen mit dem Fokus auf Sprachlernprozessen (Deutsch) in Klassen des (überwiegend deutschsprachigen) Regelunterrichts (Regelklassen). Aber auch der Übergang von einer Schulform in die nächste ist von entscheidender Bedeutung für die weitere biographische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die als Seiteneinsteiger*innen in das deutsche Bildungssystem eintreten (vgl. Birnbaum et al. 2018 und weitere Beiträge in von Dewitz/Terhart/Massumi 2018 sowie Titz et al. 2017 und Titz et al. 2018).

      Ahrenholz/Fuchs/Birnbaum (2016) führen nach dem Vergleich der Beschulungs- und Übergangspraxis in 51 Sekundarschulen fünf verschiedene Modelle der Beschulung von Seiteneinsteiger*innen auf. Modell A umfasst eine dem Regelunterricht vorgeschaltete Sprachlernklasse (Vorbereitungsklasse), in Modell B ist diese sprachliche Vorbereitung bereits durch fachliche Inhalte angereichert (Fachunterricht, Vorbereitung auf Berufsschulabschluss). Modell C umfasst drei Varianten der Teilintegration (sukzessiv mit vorgeschalteter Vorbereitungsklasse, direkt mit sukzessivem Übergang, direkt mit festem Übergangszeitpunkt). Eine Vollintegration ohne bzw. mit integrativer bzw. additiver DaZ-Förderung oder einer Kombination aus diesen Maßnahmen entspricht dem Modell D. Ein letztes Modell E kommt als paralleles Beschulungsmodell gänzlich ohne Übergangskonzeption aus. Diese Klassifikation entspricht weitgehend den in Massumi et al. (2015, 45) dargestellten schulorganisatorischen Modellen für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche und ihrer Unterscheidung in submersiv, integrativ mit Sprachförderung, teilintegrativ mit Sprachförderung und parallel, je nachdem, in welchem Grad neu zugewanderte Schüler*innen am sog. Regelunterricht teilhaben (submersiv = volle Beteiligung, parallel = keine Beteiligung).

      Die hier in aller Kürze benannten schulorganisatorischen Konzepte der Ermöglichung der Wahrnehmung der Schulpflicht für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ab bzw. über sechs Jahren und mit nicht oder kaum vorhandenen Deutschkenntnissen bilden die Grundlage für den (mehr oder weniger) erfolgreichen Spracherwerb, das (mehr oder weniger) systematische Deutschlernen im Schulsystem und für die Möglichkeit der (mehr oder weniger) erfolgreichen Teilhabe am Fachunterricht.

      Innerhalb dieser Konzepte vollziehen sich eine Vielzahl individueller Sprachlern- und Spracherwerbsprozesse des Deutschen als Zweit-, Dritt- oder Folgesprache bzw. des Deutschen als Fremdsprache, die einerseits gewissen Regelmäßigkeiten unterliegen. Andererseits werden diese Prozesse von einer Vielzahl innerer und äußerer Faktoren beeinflusst. Zu diesen Einflussfaktoren gehören das Alter der Kinder und Jugendlichen, der Beginn des Deutscherwerbs, die Kontaktdauer mit dem Deutschen (Geist/Krafft 2017, 18), aber auch der in den Sprachlernklassen gegebene Input, die gewählte Unterrichtsmethodik, die Möglichkeiten zur Sprachverwendung außerhalb des Unterrichts durch teilhabeorientierte Aktivitäten etc. (siehe auch 1.5 in diesem Studienbuch). Dennoch befindet sich die Forschung zu Spezifika des DaZ-Spracherwerbs von Jugendlichen im Vergleich zum frühen DaZ-Erwerb von Kindern noch am Anfang (Ahrenholz/Grommes 2014). Die fortgeschrittene Sprachentwicklung hängt eng mit der Entwicklung von schriftsprachlichen Fähigkeiten zusammen (ebd., 4), was in der Forschungslandschaft zu diesem Themenfeld laut Ahrenholz/Grommes zwei Hauptstränge zur Folge hat:

      Zum einen werden schulische Aspekte von der Unterrichtskommunikation bis zu zweitsprachspezifischen Problemen mit schulischen Texten und Unterrichtsmaterialien beleuchtet, zum anderen wird untersucht, wie sich sprachliche und im engeren Sinne grammatikalische Kompetenzen entwickeln und ob es dabei besondere Problembereiche gibt. (Ebd., 6)

      Für Seiteneinsteiger*innen können somit aufgrund der altersgemäßen Zuordnung zur entsprechenden Schulform, kombiniert mit dem beginnenden Spracherwerb in der Zweitsprache Deutsch, einem massiven sprachlichen und fachlichen Input sowie angesichts einer hohen Normorientierung besondere Förderbedarfe entstehen, „was aber durchaus zu erfolgreichen Bildungswegen führen kann […]“ (ebd., 8). Was bedeutet dies für den gesellschaftswissenschaftlichen Fachunterricht der Sekundarstufen? Es bedeutet, dass Schüler*innen mit ihrer individuellen (Zuwanderungs)Geschichte und ihrem bis zum Besuch des geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fachunterrichts bereits vollzogenen Spracherwerb im Deutschen ohne weiteres auf dieselbe Weise dieselben Anforderungen an fachliches Lernen erfüllen können wie ihre Mitschüler*innen ohne Migrationserfahrung, ohne diese Art Sprachlernerfahrung, ohne ggf. auch Traumatisierung aufgrund von Fluchterlebnissen (mehr dazu in Cornely Harboe/Mainzer-Murrenhoff/Heine 2016).

      Es bedeutet zudem, dass die Herausforderung fachintegrierter DaZ-Förderung und sprachlich-fachlicher Bildung nicht allein in der Grundschule besteht, sondern auch in den Sekundarstufen. Innerhalb dieser unterscheiden sich jedoch die auszubauenden Kompetenzen der Schüler*innen und die schulischen Anforderungen voneinander, wie auch in den Beiträgen in Teil II des Studienbuches deutlich wird. Vor allem in Bezug auf die zunehmende fachliche Ausdifferenzierung, den wissenschaftspropädeutischen Anspruch der Sekundarstufe II, aber auch mit Bezug auf Teilhabe durch den Zugang zu wissenschaftlichen Diskursen ist die Rolle der Sekundarstufe II in Bezug auf sprachliche Bildung mit ihren ganz eigenen Anforderungen nicht zu unterschätzen.

      Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der unterstützten Entwicklung sprachlicher Kompetenzen in allen Fächern der Sekundarstufen eine hohe Bedeutung zukommt. Die Sekundarstufen führen zu Schulabschlüssen, die bis auf wenige Ausnahmen in der Schul- und Bildungssprache Deutsch abgelegt werden, zu deren zentralen Überprüfungsmechanismen Klausuren und mündliche Präsentationen gehören, für deren Erarbeitung Texte gelesen und verarbeitet werden, an Unterrichtsgesprächen und Gruppendiskussionen teilzunehmen ist und Lehrervorträge gehört werden. Die Sekundarstufen übernehmen, je nach Schulart und vorgelagerter Selektion, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen sprachlichen Ressourcen und führen die nunmehr fachlich stärker ausdifferenzierte Kompetenzentwicklung weiter.

      1.3 Sprachliche Heterogenität als Normalfall

      Die bis hier dargestellten schulischen Rahmenbedingungen für eine fachintegrierte sprachliche Förderung und Bildung in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern sollen noch einmal im Spannungsverhältnis von sprachlicher Heterogenität als gesellschaftlichem Normalfall und sprachlichen Herausforderungen im System Schule vertieft werden. Grundlegend für die diversifizierte Wahrnehmung des Themenfeldes Sprache(n) in Schule und Unterricht ist es, (sprachliche) Heterogenität im Klassenzimmer als Normalfall anzuerkennen. Dafür ist es förderlich, individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit gegenüber positiv eingestellt zu sein, um darauf aufbauend inklusive Konzepte und Methoden der sprachlich-fachlichen Bildung im System Schule zu diskutieren und zu reflektieren. Schule bringt durch ihre bereits angedeuteten homogenisierenden Tendenzen Heterogenität mit hervor. Denn Heterogenität kann

      nur relational im Verhältnis zu Homogenität existieren. Heterogenitätskonstruktionen sind nicht isoliert ohne Konstruktionen von Homogenität zu erfassen: beide entstehen im Prozess des Wahrnehmens und Vergleichens, denen implizite oder explizite Maßstäbe oder Bezüge zugrunde gelegt sind. (Budde 2017, 20)

      Sprache gilt als eine von zahlreichen Differenzlinien von Heterogenitätskonstruktionen, über die Individuen sozial markiert und positioniert sind (Leiprecht/Lutz 2015, 287). Mit ‚Sprache‘ ist hier der individuelle, persönliche Sprachgebrauch eines Menschen benannt, der sich im dynamischen Verhältnis zum Umfeld und den dort üblichen Sprachgebräuchen zeigt. Dabei stehen individuell legitime Sprachengebräuche auch im Widerspruch zu gesellschaftlich normierten Praktiken und Perspektiven, wie der von habitueller Monolingualität in der schulischen Bildung. Schule spiegelt in diesem Zusammenhang als System und Ort des Lernens in vielfacher Form das wechselseitige Verhältnis von individuellem Sprach(en)gebrauch und gesellschaftlich anerkannten Formen des Sprechens wider – jedoch nicht immer mit positiven Auswirkungen auf das Individuum oder gar auf die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Sprachen.

      Wenn sprachliche Heterogenität als Normalfall postuliert wird, können verschiedene Arten individuellen Sprachgebrauchs darunter fallen und es kann davon ausgegangen werden, dass alle Schüler*innen in einer

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