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enorm gefreut haben, mit dem Operettenprinzen ein Stündlein unverbindlich zu schäkern. Oder wollte de Gaulle vielleicht Steuerflucht betreiben, sein Geld nach Liechtenstein transferieren, sah er das Ende seiner Herrschaft voraus? «Übrigens war er über Liechtenstein ausgezeichnet informiert. Ich habe mich mit ihm sehr gut unterhalten.»

      Auch Papst Pius XII. hat ihm einen «überragenden Eindruck gemacht», obwohl er ihn «nur fünf- oder sechsmal gesehen hatte». Nur! Ein paar Amulette gefällig für die Frau Gemahlin? Ein päpstlicher Segen für den fürstlichen Nachwuchs? Ein kleiner Bannstrahl gegen den gottlosen Kommunismus, der den Liechtensteins nun endgültig die letzten Hektare in der Tschechoslowakei weggenommen hat? «Unser ganzer Besitz wurde enteignet. Man glaubte, die Wahlen würden die Kommunisten wieder hinwegfegen, aber es ist ja dann anders gekommen.» Golo Mann trauert mit dem Fürsten: «1945 muss ja dann eine sehr schwere Zeit gewesen sein für das Haus Liechtenstein durch die Eroberung Ostmitteleuropas durch die Russen!» Gott sei Dank hat er jetzt noch diesen kleinen Besitz an der Schweizer Grenze, und dann «der stürmische Aufschwung auf dem Wirtschaftssektor», das heisst das Paradies für Steuerhinterzieher aus der ganzen Welt, und dann die fürstlich-liechtensteinische Bildersammlung. Nur zufällig ist der Fürst nicht selber Maler geworden, er war mit Staatsgeschäften überhäuft. «Haben Sie je gezeichnet?» fragt ihn G. Mann, und der Fürst darauf wehmütig: «Ja, aber ich komme leider nur wenig dazu. Ich habe sogar Zeichenunterricht genommen. Ich stamme, über die Braganza, Löwenstein und die Holländer, von Velasquez ab. Der ist auf meiner Ahnentafel.»

      Das dreiseitige Gespräch, welches der letzte freilebende Hofhistoriker mit der letzten ambulanten Reliquie der Donaumonarchie führte und das nicht etwa auf der Witzseite des blauen Wochenblatts, sondern unter der Rubrik «Weltwoche-Report» publiziert wurde, klingt philosophisch aus. «Welche Eigenschaften des Menschen würden Sie als die schädlichsten ansehen?» fragt Chefreporter Golo Mann abschliessend den Fürsten auf dem Gampiross, und dieser schürft nochmals ganz tief: «Ich finde, das Schädlichste ist, nur an sich selbst zu denken. Daraus folgen dann leicht Neid, Egoismus, Missgunst, und daraus entsteht dann viel Unheil.»

      Prägnanter kann man den europäischen Hochadel nicht charakterisieren.

      PS I: Heftige Glückwünsche für das Manuskript gekriegt. Arthur Meyer, Inlandredaktor, nimmt’s entgegen, fällt dem Schreibenden sozusagen fast um den Hals: «Einen schönen Artikel hast Du geschrieben! Stimmt alles genau!» Auch Verena Thalmann, Toni Lienhard, Hans Tschäni lassen gratulieren, das sei fällig gewesen, nachdem sich die ganze schw. Presse in Untertänigkeit diesem Franz Joseph zu Füssen geworfen habe, zum Geburtstag.

      Nach der Publikation weniger Glückwünsche. Tschäni entschuldigt sich brieflich bei den 35 Liechtensteinern, die den «Tages-Anzeiger» vorübergehend abbestellt haben. Die Zeitung hat 250'000 Auflage. Da die Schwester des Verlegers Coninx in Vaduz wohnt und periodisch zum Thee ins Schloss geladen wird, aber nicht mehr nach diesem Artikel, und sich ihr Bruder Otto, als Zeitungs-Fürst, betroffen fühlt (wie Max Frisch sagte: «Damit hast du gleich drei Dynastien getroffen, Mann-Liechtenstein-Coninx»), wird der Schreibende wie ein räudiger Hund zum Teufel gejagt bzw. im Blatt, dem er fünf Jahre gedient hatte, öffentlich hingerichtet mit einer Notiz der Geschäftsleitung. Der Artikel über den Fürsten v. L. im «Tages-Anzeiger« hatte den «Tages-Anzeiger» als Fürstentum entlarvt.

      Den Redaktoren, die den Artikel unredigiert ins Blatt genommen haben, passiert nichts. Arthur Meyer ist heute Korrespondent des ta in Wien, Lienhard in Washington, Tschäni in Ehren pensioniert, Thalmann im Inland.

      Vom Schreibenden erwartet heute der «Tages-Anzeiger», dass er sich dem «Tages-Anzeiger» gegenüber, wo er immer noch Schreibverbot hat, ruhig und besonnen verhalte.

      PS II: Diesen Artikel widmet der Schreibende après coup (post festum): Maximilien Robespierre, c/o Comité du Salut Public, au fond de la cour à gauche, Paris 2e.

      O wê, der babest ist ze juncHilf, herre, diner Kristenheit*

      Eine übernatürliche Reportage oder noch ein Beitrag zur Realismusdebatte

      Pfingst-Dienstag, 08.35, * Stoss-Seufzer des Walther von der Vogelweide, als der 37jährige Lothar dei Conti zum Papst gewählt wurde (Innozenz III.). In Anlehnung an den Dichter könnte man von Wojtyla sagen, dass er vielleicht nicht ze junc, aber ze robust und ze unangelkränkelt sei von jedem Zweifel. Flughafen Kloten, Zuschauer­ter­ras­se. Zwei Tage nach dem Heiligen Geist wird der Heilige Vater erwartet. Er ist jetzt noch in der Luft, sieht die Berge von oben; blättert ein wenig im Brevier; nippt an einer BLOODY MARY – andern Quellen zufolge an jenem mit polnischem Wodka geläuterten Tomatensaft, welchen ihm sonst die polnische Nonne Kathinka regelmässig zum vatikanischen Mittagessen kredenzt –, findet eine hilfreiche Stelle im Brevier: DOMINE AD ADJUVANDUM ME FESTINA, Herr, eile mir zur Hilfe; findet noch eine weitere Stelle: SUPER ASPIDEM ET BASILISCUM AMBULABIS ET CONCULCABIS LEONEM ET DRACONEM, über Schlangen und Basilisken wirst Du schreiten und zermalmen den Löwen und den Drachen, und die Stellen kann er brauchen, denn die christlichen Politiker warten im ganzen Land auf SEINEN Besuch und wollen sich in SEINEM Glanze sonnen und SEINE geistlichen Kraftströme auf ihre weltliche Mühle lenken. Wyer wird ihn empfangen, das überragende walliserische Schlitzohr, auch Furgler, Egli, Schürmann, Wiederkehr, Cottier – die geballte politische Unchristlichkeit.

      Der Papst seufzt. Er hat kurz nach dem Abflug in Rom/Fiumicino in den Reden geblättert, die er spontan überall in der Schweiz halten wird. Er weiss jetzt schon, dass ihm die Freiburger Jugend «ernsthafte Fragen», die er noch nicht gehört hat, stellen wird, und hat die Antworten darauf sicherheitshalber bereits in Rom formuliert. Im Frachtraum der päpstlichen Al-Italia-Maschine liegen ein paar hundert Kilo hektographierte Papstreden bereit, dt. frz. engl. span. ital., die werden in den verschiedenen Pressezentren entlang der päpstlichen Route in schönster Auslegeordnung zu finden sein. Über der Lombardei hatte der Papst einen Lachanfall. Eine Ansprache, die er vor kurzem den Papuas in Neuguinea gehalten hat, war durch ein Versehen seines Sekretärs in das schweizerische Reden-Konvolut geraten, und zwar an jener Stelle, wo der Bundesrat im Landgut Lohn begrüsst werden sollte – «Und so entbiete ich denn Eurer alten Stammeskultur, Euren Speeren und Schildern, Euren prächtigen Bemalungen und Eurer unangekränkelten Urwüchsigkeit meinen brüderlichen Gruss.» (Applaus.)

      Unterdessen in Einsiedeln –

      «Schweissgebadet kam der bekannte Telefönler Franz Lüönd, Rothenthurm, am Mittwoch ins Dorfzentrum. Eben habe er eine Arbeit erledigt, die er noch nie gemacht und auch nie wieder tun werde: Er habe für den Papst in dessen Zimmer im Kloster das Telefon eingerichtet. Mit dem grauen Tastapparat kann der Papst direkt nach Rom telefonieren! Er besitzt eine Nummer, die noch niemand hatte. Aber von draussen kann man den Papst nicht direkt erreichen, der Anruf geht über die Zentrale des Klosters. Sichtlich ergriffen schilderte der FKD-Betriebsmeister sein Erlebnis: Das Zimmer des Papstes sei sehr einfach, ein ganz normales Bett und eine praktische Waschvorrichtung ohne jeden Pomp stehen dem Gast zur Verfügung. (…)

      Zwar drücke die Verantwortung, die auf ihm laste, schon ziemlich stark. Aber es sei doch ein einmaliges Erlebnis, wenn er denken könne, nun telefoniert der Papst mit meinem Telefon! Hoffen wir für den rührigen Telefönler, dass alles ohne Panne abläuft!» (EINSIEDLER ANZEIGER vom 15.6.84)

      Flughafen Kloten, 08.46, Zuschauerterrasse, Herr Cahannes von der Kirchenpflege Opfikon/Glattbrugg ist mit seinem Feldstecher, den er sonst ausschliesslich für die Jagd in Graubünden benützt, erschienen. In ca. 400 Meter Entfernung scharrt ungeduldig das Empfangskomitee. Vorn am roten Teppich die zürcherische Regierung, deutlich erkennbar der borstige Wiederkehr (cvp), der unter Papst Pius XII. und Johannes XXIII. in Disentis geformt und unter Papst Paul VI. zum Regierungsrat gewählt worden war. Dann ist der rote Teppich kurz unterbrochen, ein wenig Flughafenboden scheint hervor, den wird der Papst dann küssen, schmeckt er nach Esso- oder Shell-Flugbenzin?, dann kommen die Bischöfe mit ihrem Gruss, und hinten rechts steht ein Rednerpültchen, dort wird der Papst den Gegengruss entbieten, nachdem er von Bundespräsident Schlumpf begrüsst worden ist. Jetzt werden von italienisch sprechenden Männern zahlreiche Fähnchen in den vatikanischen Farben auf der Zuschauerterrasse verteilt, damit wird gewedelt, sobald die päpstliche Maschine in Erscheinung tritt. Die fährt in einem grossen Bogen

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