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Hannes. Oscar Peer
Читать онлайн.Название Hannes
Год выпуска 0
isbn 9783038550303
Автор произведения Oscar Peer
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Endlich kam der Mann zurück, entschuldigte sich, dass er ihn einfach warten liess. Er ging ans Fenster, schaute hinaus. «Einen schönen Garten haben Sie», sagte er. «So etwas würde mir auch gefallen. Und eine herrliche Aussicht!» Hierauf, indem er sich umwandte: «Was arbeiten Sie eigentlich, Herr Monstein?»
«Ja, was arbeite ich … Zuerst war ich lange im Möbel- und Teppichgeschäft meines Vaters, nachher wollte ich Pianist werden, habe das aber aufgegeben und dann ein bisschen an der Uni studiert. Seit Jahren bin ich bei Dr. Rehberg – Druck und Verlag AG, vielleicht kennen Sie es.
«Und was machen Sie da?»
«Allerlei Publikationsarbeit, Kalender, Jahrbücher, zudem Beiträge für die FAVILLA, unsere Vierteljahresschrift. Daneben schreibe ich im Moment an einem längeren Text – eine Art Versuch über Jürg Jenatsch.»
«Sie sind also Schriftsteller?»
«Ja, wenn man so will. Aber eigentlich bin ich nichts Bestimmtes. Mein Leben war bis jetzt mehr oder weniger Dilettantismus.»
«Das tönt nicht gerade optimistisch. Sind Sie mit Ihrem Leben nicht zufrieden?»
«Wer ist das schon? Sind Sie immer zufrieden?»
Der Kommissar lächelte: «Ja, ja, die Zufriedenheit … Nein, was mich interessiert, Herr Monstein: Ihre Frau und Ihr Stiefbruder – waren die oft zusammen?»
«Eigentlich schon.»
«Und Sie waren nicht eifersüchtig?»
Jemand rief ihn wieder hinaus. Hannes blieb sitzen, obwohl er schon eine ganze Weile sass. Durch die halb offene Tür sah er, wie die beiden Toten in Notsärgen, vermutlich Aluminium, aus dem Wohnzimmer getragen wurden. Es kam ihm die groteske Vorstellung, dass die Männer auf der Treppe stolpern könnten, wobei die zwei Toten aus ihren Särgen fallen würden. Er stützte sich auf die Sessellehne, richtete sich auf. Dabei schwindelte ihm auf einmal, und zwar dermassen, dass er für eine Weile nicht mehr wusste, wo er sich befand; es rauschte ihm in den Ohren, eine Art Tunnelgetöse, zudem schien ihm, als läute irgendwo dauernd ein Telefon.
Er begab sich in die Küche, benetzte sich das Gesicht mit kaltem Wasser, trank an der Röhre, blickte zum Fenster hinaus. Im Garten zwei Polizisten, die irgendetwas zu suchen schienen, vielleicht Projektile oder Patronenhülsen. Als er sich umdrehte, stand der Kommissar in der Tür.
«Tja, Herr Monstein, dann wollen wir Sie nicht länger belästigen, für heute. Sie werden ja ohnehin einen schweren Tag vor sich haben.»
Und wie sich Hannes das Gesicht trocknete und ihn ansah: «Es ist mir übrigens aufgefallen, dass Sie ganz leicht hinken. Haben Sie sich wehgetan?»
«Nein, ich hinke von Geburt. Mein linkes Bein ist eine Idee kürzer als das rechte, knapp ein Zentimeter.» Auf seine Frage, was jetzt mit den Toten geschehe, antwortete der Kommissar, die kämen zuerst in die gerichtsmedizinische Untersuchung und würden dann für die Bestattung freigegeben.
«Weiss man schon, wann es passiert ist?»
«Vor zehn bis zwölf Stunden, sagt der Arzt. Also gegen Mitternacht – als Sie in Ihrem ‹Wienerwalzer› sassen.»
Fausch, sein jüngerer Kollege, kam mit zwei Plastiktüten aus dem Wohnzimmer; in der einen hatte er ein paar Projektile, in der andern eine Pistole. Er hielt sie Hannes vors Gesicht: «Kennen Sie diese Waffe?»
«Natürlich», sagte Hannes. «Die muss man dort aus meinem Waffenschrank genommen haben.» Fausch steckte alles in seine Mappe, erkundigte sich nach dem Reiseunternehmen, mit dem er in Griechenland gewesen war. Hannes gab ihm die Adresse an, der Mann notierte, meinte hierauf: «Wir bräuchten dann unbedingt eine Liste mit den Namen der Leute, die mit den zwei Toten Kontakt hatten, auch was für Tatmotive die gehabt haben könnten. Möglichst vollständig.»
Grädel fügte hinzu: «Das ist für uns sehr wichtig. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass es sich beim Täter um jemanden aus dem Bekanntenkreis handelt.»
Hannes, von den Ereignissen angegriffen, antwortete gereizt: «Dann könnten Sie mich gleich fragen, ob ich der Täter bin.»
«Das haben jetzt Sie gesagt. Oder haben Sie bereits eine Ahnung, wer es sein könnte?»
«Wie soll ich das wissen? Ich kann doch nicht aufs Geratewohl jemanden denunzieren, das werden Sie hoffentlich verstehen.»
«Ja, ja, wir verstehen schon.»
Hannes fragte: «Und Raubmord? Ich meine durch Unbekannte?»
«Das ist unwahrscheinlich. Ihr Stiefbruder hatte noch seine Brieftasche, darin fast tausend Franken, und Ihre Frau eine goldene Armbanduhr. Das wäre sicher weg.»
Die zwei Männer standen vor ihm, Grädel mit brauner Tweedjacke und Krawatte, der Jüngere mit abgewetzter Lederjacke, offenem Kragen und Bartstoppeln. Als Hannes erklärte, er habe nicht die geringste Lust, diese Personenliste zusammenzustellen, antwortete Fausch: «Wir brauchen sie aber, ob Sie Lust haben oder nicht. Wir haben hier einen Mord aufzuklären.»
«Also bitte, dann klären Sie auf, aber lassen Sie mich damit in Ruhe.»
Der Kerl lachte ihm fast mitleidig ins Gesicht: «Können wir leider nicht, mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Sie stecken hier mittendrin, wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Verstehen Sie?»
Nachher wollten sie noch wissen, ob er die beiden Toten berührt habe. Hannes verstand nicht: «Wieso sollte ich sie berührt haben?»
«Es wäre doch denkbar. – Also Sie haben sie nicht berührt?»
«Nein doch. Ich hatte auch nicht die geringste Lust.»
Fausch nahm seine Mappe und ging. Grädel bat, noch das Zimmer seiner Frau sehen zu dürfen. Hannes führte ihn hinauf, öffnete die Tür: «Bitte.» Er blieb draussen, sah wie der Kommissar Schränke und Schubladen aufmachte, einen Blick hineinwarf, aber eigentlich nur sehr flüchtig. Nachher kam er heraus, schloss die Tür und versiegelte sie. Unten im Flur zeigte ihm Hannes den Wandschrank, der seine Waffen enthielt – zwei Matschgewehre, einen Jagdstutzen und zwei Pistolen. Grädel fragte ihn, ob er den Schrank nicht abschliesse, was er mit diesen Waffen treibe, ob er auch auf die Jagd gehe. Ja, sagte Hannes, er sei schon öfter auf der Jagd gewesen, mit ihrem Pächter in Falön, Unterengadin. Seine Mutter stamme von dort, mit ihr habe er auch Romanisch geredet. Und zu den Matschgewehren: er sei in einem Schützenverein – im gleichen wie der pensionierte Polizeiinspektor Locher.»
«Ach, Sie kennen den Locher? Das ist jetzt eine Überraschung! Sind Sie gut befreundet mit ihm? Wenn Sie ihn wiedersehen, dann grüssen Sie ihn von mir.»
Während er so redete, hantierte er mit den Waffen. Offenbar interessierten ihn vor allem die zwei Pistolen, eine SIG 210 und eine kleinkalibrige Hämmerle. Er öffnete fachmännisch den Verschluss, guckte in den Lauf, machte wieder zu. Hannes fragte ihn, ob er die Erwerbsscheine sehen wolle.
«Vielleicht später einmal, es wird schon in Ordnung sein», sagte er, schrieb etwas in ein Notizheft. Hierauf, indem er sich verabschiedete: «Die Männer vom Erkennungsdienst werden noch ein paar Stunden hier sein – Spurensicherung, Sie verstehen. Übrigens wären wir froh, wenn wir Sie in den nächsten Tagen jederzeit erreichen können.» Er lächelte wieder: «Ich denke, Sie werden nicht gleich wieder nach Griechenland zurückkehren, wenn Sie dort Kopfweh bekommen?»
Offenbar hatte der Mann keine Eile, nach Hause zu gehen. Später am Küchenfenster stehend, sah Hannes, wie er unten im Garten umherspazierte, dann stehen blieb und eine Weile das Haus betrachtete.
Er wäre tatsächlich am liebsten wieder verreist, nach Griechenland oder sonst wohin, nur weg von hier. Statt dessen hatte er jetzt das Vergnügen, die Angehörigen zu benachrichtigen und ihnen zu erzählen, was sich bei ihm ereignet hatte. Um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, telefonierte er zuerst mit seiner Schwester Sonja, nachher in abgerissenen