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Das Gesetz des Wassers. Urs Schaub
Читать онлайн.Название Das Gesetz des Wassers
Год выпуска 0
isbn 9783857919459
Автор произведения Urs Schaub
Жанр Языкознание
Серия Simon Tanner ermittelt
Издательство Bookwire
Stopp, Michel! Ich habe gesagt, er möchte den Besitzer schädigen. Ich habe nicht behauptet, der Täter wolle unbedingt den Besitzer der Kühe bloßstellen. Das ist ein Unterschied.
Michel nickte, trank einen Riesenschluck Bier, rülpste und maulte irgendwas von spitzfindig. Dabei grinste er.
Wir müssen aber auch überlegen, was es bedeuten würde, wenn es der Besitzer selber wäre, der seine Kühe erschlägt, die Ohren abschneidet und sie in den See schmeißt. Was würde das für einen Sinn machen? Ich meine, abgesehen davon, dass sich mit dieser Theorie das Ohrenabschneiden relativ gut erklärt. Ich würde aber diese Gedankenspur vorläufig beiseite lassen, sie kommt mir irgendwie zu abstrus vor. Bleiben wir einmal bei These eins und zwei.
Okay, Tanner. Und wir vernachlässigen erst einmal die Frage nach dem Wie, stimmt’s?
Ja. Das Wie überlegen wir uns, wenn wir ein überzeugendes Motiv gefunden haben. Ich meine, wenn wir eine überzeugende These zu einem Motiv gefunden haben.
Dann schwiegen die beiden und beobachteten eine Gruppe japanischer Touristen, die in den Garten strömten. Wahrscheinlich waren sie gerade mit einem Bus angekommen. Michel räusperte sich, so wie er es immer tat, bevor er ein neues Thema ansprechen wollte.
Mir hat ein Japaner erzählt, dass sie so viele Fotos machen, weil sie normalerweise nur einmal im Leben nach Europa kommen. Sie werden dann innerhalb von zwei Wochen organisiert durch sämtliche Länder und Städte gekarrt. Sie könnten das alles gar nicht richtig aufnehmen. Die Fotos aber könnten sie in Ruhe noch jahrelang studieren. Und damit übrigens auch beweisen, dass sie überall gewesen sind. Deswegen stellen sie sich so gerne in den Vordergrund der Fotomotive, verstehst du das? Ich finde das lächerlich. Was ist aus dem Volk der Samurais geworden …
Tanner dachte an ganz andere Dinge. An die schöne Michiko, die er kennen gelernt hatte und die jetzt tot war. Er spürte plötzlich eine Wut in sich, die sich gestern oder vorgestern gar nicht eingestellt hatte.
Was hast du denn plötzlich, Tanner?
Nichts, nichts! Ich dachte nur gerade an eine Japanerin, die ich mal gekannt habe.
Haben die wirklich so eine kleine, äh … du weißt schon? Also, das muss ja unglaublich sein.
Michel, nicht ablenken. Wir waren bei einem möglichen Motiv. Ich sehe zwei Möglichkeiten.
Na, da bin ich ja gespannt. Dann schieß mal los, Herr Lehrer.
Entweder hat es mit den Kühen selbst zu tun oder es hat mit den Kühen nichts tun.
Ach ne. Wie meinst du das? Immerhin sind die Kühe tot.
Michel kichert wie ein Schuljunge. Tanner fährt unbeirrt fort.
Nehmen wir an, es gibt einen Wettbewerb um die besten Milchkühe.
Wenn jetzt einer die Kühe von seinem Konkurrenten erschlägt, damit seine Kühe gewinnen, dann geht es doch um die Kühe selbst. Wenn einer aber dem anderen die Kühe erschlägt, um sich zum Beispiel zu rächen, weil der andere ihn mit seiner Frau betrogen hat, dann geht es offensichtlich nicht primär um die Kuh, verstehst du? Also, was ist denn daran so komisch?
Ich lache wegen der Vorstellung, ein Gehörnter erschlägt Hornvieh, um sich zu rächen. Hornvieh erschlägt Hornvieh.
Ja, es war ja nur ein Beispiel. Mann …! Jetzt sei mal wieder ernst.
Okay! Ich habe es kapiert. Es war nur ein Beispiel. Entschuldigen Sie, Herr Professor, die Hitze …
Du hast alle Bauernhöfe im Umkreis kontrolliert, sagst du. Bist du da ganz sicher? Abgesehen davon: Deine Helikoptertheorie erweitert den Umkreis natürlich mächtig. Hast du das bedacht? Nein? Na, dann denk mal drüber nach. Gibt es hier irgendeinen Versuchshof, wo sie neue Kühe züchten oder so. Genetisch manipulierte Kühe. Einen Hof, den du übersehen hast. Vielleicht sieht er nicht aus wie ein traditioneller Bauernhof? Und noch was. Habt ihr denn die Kühe überhaupt untersucht? Wenn es Versuchstiere wären, müsste sich das doch feststellen lassen. Wenn es dann nicht der Fall ist, kannst du diese Möglichkeit ausklammern. Aber wissen muss man es. Vielleicht stellt sich doch heraus, dass es irgendein Fanatiker ist, der etwas gegen genmanipulierte Kühe hat. Man weiß ja nie. Verstehst du?
Si, Tanner. Io capito. Das sieht aber alles nach sehr viel systematischer Arbeit aus. Und das bei dieser mörderischen Hitze. Und du kennst ja meine Schwachköpfe.
Noch etwas, Michel. Ich meine, wenn ihr den Fall wirklich ernsthaft lösen wollt. Das geht jetzt allerdings wieder mehr auf das Konto der Frage nach dem Wie. Wisst ihr genau, wo die Kühe im See jeweils aufgetaucht sind, respektive, wo sie gesichtet wurden? Durch den See fließt ja der Fluss, also gibt es eine Strömung. Man könnte sich mal über diese Strömung Gedanken machen.
Wie denn? Soll ich mich ins Wasser werfen und schauen, wo es mich hintreibt?
Ja, Michel, das ist endlich mal eine gute Idee von dir. Gewicht und Volumen kommen ja auch in etwa hin …
Tanner duckte sich lachend, um dem Schlag auszuweichen, zu dem Michel, über sein ganzes Gesicht feixend, ausholen wollte.
Aber jetzt mal ernsthaft. Man könnte mit dem Strömungsverhalten zum Beispiel herausfinden, wo man eine Kuh in den See werfen muss, damit ihr Körper dort hingetrieben wird, wo die Kühe gesichtet wurden. Wer weiß, vielleicht ergeben sich dadurch neue Aspekte. Frag mal einen der Surfer, die Tag für Tag auf dem See zu sehen sind. Die kennen sich bestimmt mit den Strömungsverhältnissen aus. Möglicherweise sind die Kühe nicht mitten in den See geworfen worden, sondern da, wo der Fluss in den See fließt. Dort gibt es zum Beispiel ein Kieswerk und eine Werft. Hast du diese stillgelegten Anlagen schon einmal unter die Lupe genommen? Wenn nicht, dann weiß ich nicht, warum du immer noch hier rumsitzt.
Okay, Tanner, du hast gewonnen. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Ob unser frisch gebackener Oberstaatsanwalt all diese Abklärungen genehmigen wird, wird sich herausstellen.
Sie verabschiedeten sich freundschaftlich. Und ein jeder ging seiner Wege, wie es so schön heißt.
Den Rest des Nachmittags verbrachte Tanner mit dem erfolglosen Versuch, in der Fabrik, wo sein Großvater gearbeitet hatte, etwas zu erfahren. Eine aufgedonnerte Mittvierzigerin am Empfang hörte sich zwar freundlich seine Bitte an, aber weiterhelfen konnte sie ihm nicht. Von der Direktion seien alle im Ausland. Und ob die Firma über ein Archiv verfüge, könne sie im Moment leider auch nicht sagen.
Tanner seufzt und kommt zurück von seinem kleinen Erinnerungsausflug. Er trinkt sein Glas aus. Mittlerweile ist es schon knapp vor Mitternacht.
Er steht auf und legt das Geld hin. Leider muss er einige Zeit beim Brunnen warten, denn ein sehr junges Liebespaar küsst sich ausgerechnet neben dem sprechenden Busch. Der Junge hat dem Mädchen das T-Shirt hochgeschoben und massiert ihre großen Brüste, die wunderbar weiß im Schein der Laterne leuchten. Nach einer Weile hat Tanner genug und räuspert sich. Das Paar erschrickt, das Mädchen zieht schnell ihr Hemdchen wieder runter und sie eilen davon. Wahrscheinlich denken sie, er sei ein Spanner.
Na ja, wenn schon. Man hat schon Schlimmeres von mir gedacht, murmelt er.
Tanner steht vor dem Busch, zückt seine kleine Taschenlampe und versucht, in das wirre Gestrüpp zu leuchten. Sofort ertönen, diesmal sehr laut, die Hunde. Tanner löscht das Licht.
Hallo, Buschmann, ich weiß jetzt die Antwort. Hören Sie mich?
Die Hunde werden leiser gestellt.
Ich sehe dich. Her mit der Antwort.
Die Hunde werden ganz abgestellt. Man hört deutlich den Tonbandschalter.
Tanner sagt das Wort.
Stille.
Er sagt es noch einmal. Und erntet ein gehässiges Lachen.
Nein. Falsch. Falsch. Du denkst falsch. Ganz falsch. Du hast ja keine Ahnung. Glaubst du überhaupt