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Damals gingen die Eltern im Sommer zum Kaffeetrinken nach draußen und der Innenraum war mit verschiedenen Aktivitäten wirklich nur für die Kinder bestimmt. So konnten sie im Zentrum stehen und waren mal nicht die Ausnahme.

       Hattest du das Gefühl, dass die Kids sich von dort aus auch weiter organisiert, sich einfacher zusammengetan haben?

      Eher nicht. Das war schwierig, weil man sonst eben nicht die Möglichkeit hatte, sich im Alltag zu treffen. Bei EOTO (Each One Teach One) verändert und entwickelt sich das aber jetzt durch deren laufende Angebote.

      Damals und heute sind die Begriffe wichtig, denke ich. Mit denen man sich in Deutschland verorten, mit denen man sich identifizieren kann. Außerdem wichtig ist, sich einmal nicht als Minderheit und Sonderheit zu erleben, sondern als den Normalzustand.

       Ich bewege mich politisch eher in feministischen Bewegungen und spannend finde ich, dass es die Tendenz gibt, viele feministische Ideen und Konzepte und Begrifflichkeiten – zum Beispiel Intersektionalität – als sehr akademisch zu verstehen, auch wenn sie nicht unbedingt einen akademischen Ursprung haben. Für Schwarze feministische Bewegungen interessiert es mich, ob und wie man es schafft, diesen Punkt zu knacken angesichts der Tatsache, dass in der Bewegung einerseits viele Leute eben doch studieren oder aus einem akademischen Umfeld kommen, andererseits aber Women of Color hier in Deutschland eine der größten Gruppen prekär arbeitender Kräfte ausmachen. Inwiefern wurde am Anfang in euren Bewegungen, also in ISD und ADEFRA, über Klasse und Kapitalismus gesprochen?

      Über Audre Lorde und andere Aktivist*innen aus den USA kam diese Debatte, die ihr heutzutage als Intersektionalität besprecht. Die Diskussion, dass Women of Color auch noch verschiedene andere Unterdrückungsformen erleben, wurde in der Frauenbewegung dann auch aktiv eingefordert und berücksichtigt. Allerdings eher theoretisch, muss ich sagen.

       Hast du das Gefühl, dass es heute Raum für mehr Beteiligung gibt, vor allem für Frauen, die arbeiten oder für ältere Frauen?

      Das ist eine Frage des Bewusstseins darüber, ob das gebraucht wird. Es gab dieses Bewusstsein damals in verschiedenen Teilen der Frauenbewegung. Bei ADEFRA gibt es heute das Projekt ADEFRA roots mit einem großen Bewusstsein für ältere Lesben und ihre Bedarfe – etwa über finanzielle oder gesundheitliche Unterstützung. Oft wird dies aber von der Gesellschaft nicht so ernst genommen, obwohl es eigentlich einen Bedarf gibt.

       Diese älteren Frauen haben ja oft auch einen enormen Wissens- und Erfahrungsschatz. In eine Bewegung reinzukommen und zu sehen, dass es Menschen gibt, die genau die gleichen Themen oder Probleme schon viel länger behandeln, ist ja auch extrem bestärkend.

      Ja, und es ist traurig, dass da eigentlich viel Wissen verloren geht, nur weil das Umfeld nicht vorhanden ist und das Gespräch nicht stattfindet. Es lohnt sich auf jeden Fall zu fragen, wie es denn unsere Vorgänger*innen gemacht haben, wie das für sie war, wie sie überlebt haben. All diese Erfahrungen sind sehr wertvoll. Das heißt, ins Gespräch zu kommen und einfach auf Ältere zuzugehen, wäre sicher eine Lösung.

       Welche Hoffnungen und Wünsche hast du an meine Generation?

      Ich finde diesen Generationenaustausch sehr spannend. Vielleicht wäre es gut, ihn noch mehr zu dokumentieren, über digitale Wege. Auf ökonomischer Ebene ist es wichtig, neue Perspektiven zu entwickeln und zu fragen: Welches System soll nach dem Kapitalismus kommen? Was stellen wir uns vor? Es müssten Lösungen entwickelt werden, wie ein Zusammenleben aussehen soll. Spannend finde ich auch, dass gesamtgesellschaftlich viele junge Männer ein Bewusstsein für feministische Fragestellungen entwickelt haben – da müsste man dranbleiben, da müssen wir weiterarbeiten und uns fragen: Wo sind Koalitionen möglich? Wo kann man zusammen an einem Strang ziehen? Und vor allem, welche Theorien gibt es, um zum Beispiel Arbeit neu zu organisieren, um Geld und Wirtschaft neu zu denken? Das ist eine riesengroße Aufgabe für die jüngere Generation. Darüber könnte man auch in den Austausch kommen und gemeinsam nachdenken, in welche Richtung es denn gehen kann und soll.

       Wir machen uns dran!

      Genau, bleibt dran! Es ist spannend, wie viel Geduld ausmacht. Dass die Diskurse um sexuelle Belästigung und Missbrauch beispielsweise so lange brauchen würden, bis sie von der Gesellschaft verhandelt werden, hätte ich nicht gedacht. Aber es hat eben 20 Jahre gedauert und jetzt ist es in der Gesamtgesellschaft angekommen und wird inzwischen auch innerhalb der großen Institutionen aufgedeckt. Wichtig ist, dass es irgendwann passiert. So ist das ja bei Black Lives Matter auch: George-Floyd-Fälle gab es auch vorher schon Tausende, aber das war dann einfach der eine zu viel. Dass sich dann etwas bewegt hat, liegt daran, dass man vorher schon viel gemacht hat. Deshalb würde ich euch immer ermutigen dranzubleiben – und irgendwann macht es auch gesamtgesellschaftlich Klick.

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ENTSCHLÜSSELN

      SCHWARZRUND

       MEIN ZWEITES SCHWARZ

      UNVERSCHÄMT AFROLATEINAMERIKANISCH

      Das erste Schwarz, welches ich mir aneignete, lernte ich in afrodeutschen Kontexten kennen. Doch in diesem Text möchte ich über das Schwarz sprechen, das ich mir als zweiten widerständigen Akt aneignete. Dieses Schwarz ist schwer hinzunehmen für die afrodeutsche Community, kaum zu akzeptieren in Diskursen, die sich stets auf Schwarzsein aus den Kämpfen der USA beziehen.

       NEGRX

      »Soy negra, y latina« singt die Stilikone Amara la Negra aus meiner Heimat, der Dominikanischen Republik. Dominikaner*innen identifizieren sich selten mit ihren afrikanischen Vorfahr*innen, black denial nannte das Frances Robles. Feministische Schwarze Forscherinnen wie Kimberly E. Simmons und Ginette E. B. Candelarío sehen das anders – es ist kompliziert, so viel steht fest. Doch während die dominikanische Girlgroup Las Chicas del Can 1988 mit begeisterten dark skinned Background-Sängerinnen und für ein Publikum aller shades noch davon gesungen haben, dass der Schwarze Mann gefährlich und abzulehnen sei (El Negro no Puede)9, reclaimed 2013 Amara la Negra das Wort »Negra« als machtvolle, stolze Selbstbezeichnung.10

      Mein zweites Schwarz ist aber für viele Schwarze Menschen aus anglophonen oder deutschen Bewegungen zu nah am N-Wort dran. Der Begriff »afro-latinx«, der sich immer größerer Beliebtheit in der US-amerikanischen Diaspora erfreut, zollt dem Tribut. Eine bequeme Variante für eine Welt, in der Englisch über allem steht. Währenddessen feiert die afrodeutsche Community den Beschluss, jetzt Schwarz, nicht mehr afrodeutsch zu sein. Mein negrx weiterhin ein Wort aus fünf stillen Buchstaben.

       EHER SICHTBAR, STATT PRIVILEGIERTER

      Die englische Sprache ist aber nicht weniger kolonial, siehe: die letzten 500 Jahre Geschichte. Die Stimmen Schwarzer Menschen aus englischsprachigen Ländern finden jedoch mehr Zuspruch, ihnen wird eher zugehört, sie werden eher gesehen. Dank des unschönen Wortes »eher« kann ich deutlich machen: Ich sehe den Schmerz und die Unterdrückung, die alle Geschwister erfahren, ich spreche ihnen das nicht ab. Aber: koloniale Ordnungen, also das Sezieren der Umwelt und der Menschen in wertvoll und wertlos, gut und schlecht, machen nicht halt vor unseren Communities, wir übernehmen, reproduzieren und stärken koloniale Ordnungen, indem wir ihnen unreflektiert folgen. Die »Kolonialität der Macht«11 wurde durch den Peruaner Aníbal Quijano in den 1980er-Jahren definiert, »Dekolonialität«12 durch den Argentinier Walter D. Mignolo. Beide Theorien haben eins gemeinsam: Sie kommen aus den Amerikas. In Schwarzen Räumen werden beide Begriffe viel verwendet. Doch ihre Herkunft, die gesellschaftliche Situation, die sie notwendig gemacht hat, ist oft vergessen, verschwiegen.

      Genau dieses unter den Tisch fallen lassen, verschweigen, bezeichnet die Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin Dr. Natasha Kelly als

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