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als selbstständig Tätiger arbeitet er eigenverantwortlich und genießt weitgehende Freiheiten in seiner Arbeit, solange er die Grenzen zu den Domänen anderer Berufe nicht überschreitet. Dies verschafft ihm eine sehr unabhängige Position mit einem hohen Maß an gestalterischer Freiheit in der Ausübung seines Berufes.

      Lerntherapie, wie wir sie verstehen und wie sie im Allgemeinen ausgeübt wird, gilt rechtlich als Beratung und kann daher frei angeboten werden, ohne dass gesetzliche Voraussetzungen oder Einschränkungen zu beachten wären. Die Abgrenzung zur Psychotherapie regelt das Psychotherapeutengesetz (PsychThG), das definiert, was Psychotherapie ist, welche nur von dafür speziell ausgebildeten Personen vorgenommen werden darf. Beratende Tätigkeiten außerhalb der Psychotherapie sind demgegenüber frei durchführbar und rechtlich nicht reglementiert. Mehr Informationen dazu finden sich im Anhang B.

       1.4Vorstellung der Fallbeispiele

      Im Folgenden möchten wir Ihnen zwei Kinder vorstellen,4 die wir lerntherapeutisch begleitet haben. Im weiteren Verlaufe des Buches werden wir diese beiden Fälle immer wieder aufgreifen, um die beschriebenen theoretischen Aspekte praktischer darzustellen.

      Sonja kam durch einen freien Träger der Jugendhilfe zu uns. Sie war elf Jahre alt, eher etwas schüchtern und wohlgenährt. Ihr Hobby waren die Dinosaurier. Alles, was mit Dinosauriern zu tun hat, begeisterte sie. Durch ihren Betreuungshelfer erfuhren wir, dass sie (und somit auch ihre Familie) mit einer Dyskalkulie-Diagnose bedacht worden war. Er berichtete, dass Sonja ein sehr umgängliches Kind sei, er allerdings Probleme habe, mit ihr über schulische Dinge zu sprechen, besonders über Mathematik. Bei einem ersten Hausbesuch erfuhren wir, dass ihre Mutter, Frau Katzenbacher, mit ihrer Tochter allein zusammenlebte. Die Trennung der Eltern lag zwei Jahre zurück. Sonja hatte unregelmäßigen Kontakt zu ihrem Vater. Frau Katzenbacher berichtete auch, dass es ihr sehr schwerfalle, mit Sonja Hausaufgaben zu machen, besonders Mathematik. Durch ihre Klassenlehrerin erfuhren wir, dass Sonja sehr beliebt in der Klasse war und wunderschöne Bilder malte. Ihre Klassenlehrerin war von ihren künstlerischen Fähigkeiten beeindruckt. Ihre schulischen Leistungen waren unterdurchschnittlich. Gleich in mehreren Fächern hatte sie Probleme damit, den Anschluss zu halten, besonders in Mathematik.

      Mit Aaron sind wir über das zuständige Jugendamt in Verbindung gekommen. Er war neun Jahre, recht tollpatschig und äußerst agil. Seine Leidenschaft war es, allein oder mit seinem Helfer Fußball zu spielen, wann immer es möglich war. Für die Familie war durch das Jugendamt eine Familienhilfe installiert worden. Von dieser Familienhilfe erfuhren wir, dass Aaron zusammen mit seinem kleinen Bruder, seiner Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten zusammenwohnte. Seine Mutter und ihr neuer Lebensgefährte erwarteten außerdem Familienzuwachs. Aaron verfügte über die Diagnose ADHS, die ihm, zur großen Erleichterung seitens der Schule, von einem niedergelassenen Arzt ausgestellt worden war. In Gesprächen mit seiner Klassenlehrerin erfuhren wir, dass seine schulischen Leistungen anfangs überdurchschnittlich gewesen waren, zuletzt allerdings erheblich nachgelassen hatten. Obwohl die Förderlehrerin sowie auch die Familienhelfer davon sprachen, eine gute Beziehung zu Aaron aufgebaut zu haben, fiel es doch beiden schwer, ihn bei seinen schulischen Aufgaben zu unterstützen und sich mit ihm in den häufig vorkommenden Krisensituationen (etwa bei handgreiflichen Auseinandersetzungen mit anderen Schülern oder wenn er von zu Hause weglief) auseinanderzusetzen.

      2In der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura geht es um das Modelllernen. Dieser Begriff fasst als Oberbegriff eine Reihe von Phänomenen der Beeinflussung von Beobachtern durch Modelle zusammen. Anders gesagt geht es darum, dass jemand etwas Neues lernt, indem er es bei einem anderen beobachtet, also ohne dass er es zunächst selbst praktiziert. Inhaltlich haben wir es dabei nicht nur mit praktisch durchführbaren Verhaltensweisen, sondern z. B. auch mit dem Umgang mit Emotionen, dem Erwerb kognitiver Kompetenzen, dem Erlernen von Regeln und der Auffassung und Beurteilung der Realität zu tun. Das Konzept unterstreicht die Bedeutung der Vorbildfunktion – z. B. der Eltern für ihre Kinder und von Therapeuten für ihre Klienten, bezogen auf alle möglichen Aspekte des Lebens. Eng verbunden mit dem Modelllernen ist die zweite Theorie Banduras, nämlich die der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit. Ob gelerntes Verhalten auch tatsächlich praktiziert wird, hängt eng damit zusammen, ob man glaubt, es auch wirklich erfolgreich praktizieren zu können. Viele Untersuchungen zeigen, dass man bei Aufgaben umso mehr Anstrengungen unternimmt und umso ausdauernder ist, über je mehr Selbstwirksamkeit man verfügt. Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit wiederum wird u. a. von neuen Erfahrungen beeinflusst: Sie nimmt zu, wenn man Erfolge des eigenen Handelns sieht. Solch ein für Menschen besonders bedeutsamer Erfolg ist z. B., von einem anderen Menschen wirklich gesehen und anerkannt zu werden (vgl. Abschn. 2.1.2).

      3Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer von 24.9.2010.

      4Die Namen in unseren Fallbeispielen wurden verändert.

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