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heute in vielen Verzerrungen in Erscheinung treten. Die Thematik dieses 9. Lebensabschnitts, in Jahrsiebten gerechnet, wird eigentlich von dem Bild von Tod und Auferstehung geprägt oder von dem mythischen Bild des sich aus der Asche erhebenden Phönix. Spätestens in dieser Zeit wird eine immer stärkere Beschäftigung mit den Lebenstatsachen des Sterbens und des Todes in der menschlichen Seele stattfinden und darf nun nicht mehr betäubt oder verdrängt, sondern muss immer bewusster durchlebt werden.

       der Tod als Tor zu neuen Welten

      Natürlich ist diese innere Auseinandersetzung und damit zugleich Vorbereitung auf das Lebensende, das ja für den Einzelnen noch weit in der Zukunft liegen kann, nicht auf diesen besonderen Zeitabschnitt beschränkt, ja, muss eigentlich bereits viel früher, zum Beispiel um das 42. Lebensjahr herum, begonnen werden. Doch ist der Mensch in keinem Lebensabschnitt diesen Fragen auch aus seinem Leiblichen heraus so nahe wie im 9. Lebensjahrsiebt. Damit aber begegnet er im höchsten Maße der geistigen Wirklichkeit, vor allem, wenn er die Erfahrung machen kann, dass Tod nicht Ende, sondern Durchgang, Tor zu neuen Welten, zu einem neuen Leben bedeutet, das in der christlichen Terminologie auch ewiges Leben genannt wird. Das gibt den geistigen Flügeln der Seele und des sie ganz durchdringenden Ichs noch einmal ungeheure Schwungkraft.

       vom Geistigen durchdrungene Schaffenskraft

      War die vorausgegangene Zeit eine Phase der Besinnlichkeit oder Beschaulichkeit, die davorliegende erfüllt von großem, überwiegend auch äußerem Schaffensdrang, so tritt jetzt eine Schaffenskraft in Erscheinung, die ganz vom Geistigen durchdrungen ist. Jetzt erst erwachen wirkliche Weisheitskräfte im Menschen, die zwar in der Jupiterzeit des Lebens veranlagt wurden, sich dort vielleicht auch schon andeutungsweise zeigten, nun aber in ganzer Fülle hervorbrechen können, wenn der Mensch sein Leben entsprechend der ihm innewohnenden Gesetzmäßigkeiten leben konnte.

       Weisheit

       »gesättigtes Wissen«

      Versteht der moderne Mensch eigentlich noch die Bedeutung dessen, was das Wort »Weisheit« beinhaltet? Oder erlebt er damit verbunden etwas aus grauen Vorzeiten, was für einen Menschen unserer Zeit gar nicht erstrebenswert ist? Mit 60 Jahren schrieb der deutsche Schauspieler Curd Jürgens (1915–1982) seine Biografie und nannte sie 60 Jahre und kein bisschen weise. Sieben Jahre später verstarb er. In lange vergangenen Zeiten war Weisheit Ziel eines Menschenlebens, es war nicht sicher, ob der Einzelne es erreichte. »Weisheit« kommt von »Wissen«, sie ist ein gesättigtes Wissen, geprägt von der gesammelten Erfahrung eines langen Lebens mit allen seinen Höhen und Tiefen. Mit ihr verbindet sich auch der Ernst, die Ernsthaftigkeit. Das findet sich wieder in den Worten, die nach den auf Rudolf Steiner zurückgehenden »Baumsprüchen« Saturn durch die Bäume des dunklen Waldes zum Menschen spricht, durch Buchen, Tannen und Zypressen (oder Wacholder): »O Mensch, fühle die Verantwortung für die Not deiner Zeit und der ganzen Menschheit. Ergreife mit Innigkeit und Ernst die Aufgabe, die dir das Leben stellt.«38

       Lebensaufgaben ergreifen Wissen über den Tod hinaus

      Die griechische Mythologie nennt den römischen Saturn Kronos, eine Urschöpfergestalt, Vater des Zeus und verbunden mit der Zeit. Die Erreichnisse der beiden vorausgegangenen Jahrsiebte kulminieren in dieser Saturnzeit und sammeln sich im Weisewerden. Es muss erstaunen, dass jetzt darauf hingewiesen wird, die Aufgaben – mit Innigkeit und Ernst – zu ergreifen, die einem das Leben stellt. Das war doch längst der Fall, auch die damit verbundene Verantwortlichkeit. Doch nun bekommt dies einen ganz neuen Aspekt: Jetzt wird bereits Zukunft begründet, jetzt weitet sich der Blick in Zeiten nach dem Tod und in ein künftiges Leben. Hier werden Willensimpulse gelegt, die uns aus dem nachtodlichen Leben wieder zu einem irdischen führen. Auch das beinhaltet Weisheit: ein Wissen über den Tod hinaus, unverlierbar, wesentlich auch für die geistigen Hierarchien, die uns immer – hier wie dort – eng verbunden begleiten. Vieles davon tritt gar nicht einmal in unser Wachbewusstsein, bleibt auch für uns im Verborgenen, entschleiert sich erst, wenn wir den Leib abgelegt haben und als Geistseele im Allbewusstsein erwachen.

      In vielen Biografien werden wir heute nicht auf die geschilderte gesättigte Lebensweisheit stoßen, zu groß sind die Zeitwiderstände, die jeden einzelnen Menschen an einer gesunden Entwicklung seines Alters hindern, als dass viele unbeschadet durch diese Zeit gehen können. Aber immer wieder finden wir Biografien, in denen sich die diesem Lebensabschnitt innewohnenden Gesetzmäßigkeiten zeigen oder zumindest erahnen lassen. Diese zu erkennen, mag dazu beitragen, für sich selbst Wege zu suchen und sie sich auch ausleben zu lassen. Sich ein Ziel zu setzen heißt ja nicht, es immer und unbedingt erreichen zu müssen, wohl aber einen auf dieses Ziel gerichteten Weg einzuschlagen und zu beschreiten. Es ist nicht der Zielort, sondern die von ihm ausgehende Kraft, die für den Menschen von Bedeutung ist.

       nie erlahmendes Streben

      Es ist das immer sich bemühende, nie erlahmende Streben, das letztlich die Erlösung für Faust erwirkt, wie Goethe es uns vermittelt. So möge dieses Kapitel abschließen mit Worten Christian Morgensterns, der das zuletzt Gesagte so »ver-dichtete«:39

      Wer vom Ziel nicht weiß,

      kann den Weg nicht haben,

      wird im selben Kreis

      all sein Leben traben;

      kommt am Ende hin,

      wo er hergerückt,

      hat der Menge Sinn

      nur noch mehr zerstückt.

      Wer vom Ziel nichts kennt,

      kann’s doch heut erfahren;

      wenn es ihn nur brennt,

      nach dem Göttlich-Wahren;

      wenn in Eitelkeit

      er nicht ganz versunken

      und vom Wein der Zeit

      nicht bis oben trunken.

      Denn zu fragen ist

      nach den stillen Dingen,

      und zu wagen ist,

      will man Licht erringen;

      wer nicht suchen kann,

      wie nur je ein Freier,

      bleibt im Trugesbann

      siebenfacher Schleier.

       Das 63. bis 70. Lebensjahr – eine Oktave

       Steigerung als Gesetzmäßigkeit der Evolution

      Auf den ersten Blick kann doch das 10. Jahrsiebt keine Oktave sein. Schauen wir jedoch auf die begleitenden Planetenkräfte, dann entdecken wir, dass die mittleren drei Jahrsiebte ganz von der Sonne begleitet werden, sodass sich eine Siebenheit bis zum 63. Lebensjahr einstellt. Musikalisch sind es die sieben Grundtöne, denen ein achter folgt, der die Oktave bildet. Scheinbar ist er der gleiche wie der erste Grundton, bei einem C also wieder ein C, und doch ist er ein Neues. Denn die Folge der sieben Abschnitte verläuft in der Entwicklung wie eine Spirale. Der achte kehrt wie im Kreis um den Ausgangspunkt zurück, doch er hat sich gesteigert. Steigerung ist eine wichtige Gesetzmäßigkeit aller Evolution, wir finden sie im Kleinen wie im Großen. Goethe hat sie auch für die Pflanzen entdeckt.

      Es ist erstaunlich, wie die Rhythmen in den Jahrsiebten ablaufen. Auch hier entdecken wir eine Vorwärts- und eine Rückwärtsbewegung. In den ersten 21 Jahren ist das nicht so deutlich. In den zweiten 21 Jahren geht das Ich rückläufig und entwickelt die Seelenglieder aus den bereits individualisierten Leibesgliedern: die Empfindungsseele aus dem Empfindungsleib (3. Jahrsiebt), die Verstandes- oder Gemütsseele aus dem Lebensleib (2. Jahrsiebt) und die Bewusstseinsseele aus dem Stoff- oder physischen Leib (1. Jahrsiebt). Ebenso geschieht das in einer

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