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machen ihn »essbar«.

      Eigentlich kennen wir dieses Gefühl. Wir essen keine Affen – sie sind uns zu ähnlich.

      Den Kern von Die Weltenwanderin bildet die Infragestellung der einfachsten, atavistischen Unterscheidung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Der Autor lenkt die Erzählung so, dass wir uns unwillkürlich mit dem Fremden identifizieren. Er manipuliert unseren Verstand und unser Empfinden (einschließlich der Fähigkeit zur Empathie), damit wir der Logik des Fremden folgen. Er desorientiert und täuscht uns, sodass wir alle perzeptiven Gewohnheiten aufgeben und die eigene Gattung verraten. Faber relativiert damit unsere moralischen Gepflogenheiten und demonstriert, wie leicht es uns fiele, den größten Albtraum und das größte Verbrechen als Normalität zu akzeptieren. Dazu genügt ihm das typische menschliche Instrumentarium: Verstand, Gewohnheit, Identifikation und Rationalisierung.

      Faber zeigt das größte Paradoxon der Empathie: Uns selbst aufzugeben, ist vielleicht unsere einzige Chance, etwas zu werden, was unser Gegenteil ist. Wenn die Fremdheit nicht, wie man erwartet hätte, radikal ist, verliert sie ihre magische, bedrohliche Macht. Das Fremde wird zu etwas, was sich begreifen und verstehen lässt. Eigentlich hört es auf, fremd zu sein. Es gibt kein Eigen und kein Fremd. Wir sind alle eigen, und alles Böse, das wir anderen zufügen, fügen wir deshalb uns selbst zu.

      Masken. Jenseits des Verstandes oder Was wir nicht wissen, aber ahnen

      In einer Stadt im Fernen Osten steht ein von Mönchen und Nonnen errichtetes Museum der Religionen. Frappierend ultramodern und elektronisch so weit fortgeschritten, dass die üblicherweise sehr selbstzufriedenen Europäer plötzlich ihr Überlegenheitsgefühl verlieren. Es ist das ungewöhnlichste Museum, das ich in meinem Leben gesehen habe. Jede der großen Weltreligionen hat dort einen eigenen Saal, aber es gibt auch viel Raum für außerinstitutionelle Manifestationen menschlicher Religiosität. Bei meinem Besuch gelangte ich schließlich in einen Raum voller Bildschirme, auf denen Interviews mit Menschen aus unterschiedlichen Gegenden und Kulturen der Welt gezeigt wurden. Unter den Interviewten waren Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure. Jeder erzählte von einem tiefen Erlebnis, das ihn verändert hatte, von einer Grenz- oder – wie die humanistische Psychologie es nennen würde – Gipfelerfahrung (peak experience).

      Zutiefst beeindruckt war ich vom Beitrag Jane Goodalls. Sie schilderte, wie sie einst Schimpansen beobachtet habe, die unter einem kleinen Waldwasserfall badeten. Sie habe gesehen, wie sie spielten, schwammen, kommunizierten. Aber auch, wie sie dasaßen und die Strömung des Wassers betrachteten, wie sie sich die fallenden Tropfen anschauten, wie sie reglos und stumm den Blick über die Wellen schweifen ließen.

      Goodall sprach tief bewegt von einer Ahnung, die sie damals empfunden habe. Ihr sei es nämlich vorgekommen, als ob in den in die Betrachtung des Wassers versunkenen Tieren etwas profund Wichtiges vorginge. Als ob sie an der Erfahrung der Veränderung und damit am Vergehen der Zeit teilhätten. Und auch wenn sich Worte wie »kontemplieren«, »denken« oder »überlegen« hier von selbst aufdrängen und man arg lavieren muss, um sie zu vermeiden, muss ich natürlich vorsichtig bleiben und mich an Lloyd Morgans denkwürdige Maxime vom Vorrang der einfachsten Mechanismen in der Interpretation tierischen Verhaltens halten. Jane Goodall freilich kümmerte sich nicht um die Gebote dieses Ockhams der Ethologie und formulierte ihre Vermutung klar und deutlich: Bei der Beobachtung der Schimpansen habe sie gesehen, dass ihrem Verhalten eine Art Nachsinnen über die Bewegung innewohnte, dass auch sie die Fähigkeit zur Reflexion, zu einem tieferen, ergreifenden Sein-in-der-Zeit besitzen. Dass womöglich auch sie etwas wie unsere religiöse Erfahrung erleben.

      Die ethologische Forschung liefert uns immer neue Erkenntnisse über die Psychologie der Tiere.

      Die jüngsten mir bekannten betreffen ihre Fähigkeit zur Antizipation von Ereignissen. Ich habe auch Studien gelesen, die Tieren eine Art Humor zuschreiben – eine Veranlagung zum spielerischen Täuschen.

      Als Kind hatte ich den Eindruck, die Tiere wären eine Art Kostüm, eine Art Maske, und hinter den behaarten Schnauzen oder Schnäbeln verbärge sich ein anderes »Gesicht«. Jemand anderes. Ich entdeckte das an Saba, einer heimatlosen Hündin, die ganz gut lebte, indem sie sich in der Schulküche bediente. Sie war einzigartig und schlau und in sich irgendwie klar. Später sah ich das nicht mehr so scharf, aber der Verdacht ist mir bis heute geblieben.

      Ist es euch nie vorgekommen, als hätten die Tiere Masken, als wären irgendwo hinter ihren Ohren Schnüre oder Reißverschlüsse versteckt, die sie festhalten, und als wären diese Masken ebenso rätselhaft, enigmatisch und gleichsam emblematisch wie die Masken der Menschen? Wer also verbirgt sich hinter der Katze des Nachbarn, und wer ist die fröhliche Yorkshire-Hündin, die ich jeden Tag im Treppenhaus sehe? Wer ist das Schwein, das Huhn und die Kuh?

      Darf ich so fragen?

      Singer geht auf einem breiten Weg – einem Weg für alle. Wir alle besitzen die Fähigkeit zur Reflexion und können uns der eigenen Vernunft bedienen. Seine Argumente lassen sich so darlegen, dass sie von Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung und unterschiedlichen Alters verstanden werden. Vorstellbar ist auch eine Version für Kinder, für den Ethikunterricht in der Schule.

      Costellos Weg ist schmaler, was ihr selbst absolut bewusst ist. Warum lässt etwas, das für die einen abscheulich und entsetzlich ist, die anderen völlig kalt? Vielleicht sind wir psychologisch unterschiedlich konstruiert, vielleicht erfahren wir die Welt auf unterschiedlichen Ebenen, vielleicht ist Sensibilität angeboren und lässt sich nicht antrainieren. Vielleicht besitzt am Ende nicht jeder die Begabung zur Empathie, und viele Menschen begreifen ganz einfach nicht, wovon diese alte, nicht einmal real existierende Schriftstellerin spricht.

      Und dann Jane Goodall – ein ganz schmaler Pfad, reserviert für diejenigen, die über ausreichend Sensibilität, Sinne, Verstand und Aufrichtigkeit verfügen, um Vorurteile und Illusionen zu überwinden. Um durch diese seltsamen Masken zu schauen und hinter ihnen jene anderen, unbegreiflichen und uns so nahen Wesen zu erblicken – die Tiere.

      Deutsch von Bernhard Hartmann

      Die Londoner Alchemisten des Films oder Der unheimliche Tiegel der Brothers Quay

      Der erste Film der Brothers Quay, den ich sah, löste in mir einen visuellen Schock aus und gleich darauf, nachdem ich mich ein wenig erholt hatte, ein irritierendes Gefühl von Déjà-vu, das bis heute anhält und auflebt, wann immer ich einen ihrer Filme anschaue. Allerdings besteht dieses Déjà-vu weniger im Eindruck, etwas schon gesehen zu haben, sondern vielmehr in der Ahnung, dass ich mich auf vertrautem Grund befinde, in einem Land, dessen Sprache ich verstehe, dessen Sitten ich kenne und dessen spezifischer Sinn für Humor mir nicht fremd ist. Intuitiv spüre ich eine Bedeutungstiefe, etwas, was nicht durch einfaches Skizzieren von Bezügen, Verweise auf Namen oder das Anführen von Zitaten erfasst werden kann. Vielmehr handelt es sich um den Grenzraum der verschwommenen, bruchstückhaften Erinnerung an Kindheit und Jugend, an die Cover geliebter Schallplatten, an Traumbilder. Um sie herum kreisen spontane Visualisierungen der Geschichten aus einst gelesenen Büchern oder aus einst gehörter Musik gesponnene Phantasien.

      Was ist das für ein Land? Was für ein Raum, den die Alchemisten-Brüder vor mir entfalten? Alles hier ist mir vertraut und wird doch so gezeigt, dass ich immer wieder ins Staunen gerate. Im Meinigen steckt etwas Nicht-Meiniges, das mich in Alarmbereitschaft versetzt und mich hypnotisch auf das Bild starren lässt, dessen Wirkung sehr rasch auch zu einer sinnlichen Empfindung wird. Die Fingerkuppen machen sich zum Anfassen bereit, die Nase schnuppert schon, im Mund sammelt sich der Speichel. Wo bin ich?

      In dem alchemistischen Tiegel, in dem die Brothers Quay schwungvoll rühren, befinden sich neben Zutaten aus alten traditionellen Rezepten auch Substanzen, deren Verwendung nur den beiden in den Sinn kommen konnte. (Haben kreative Alchemisten nicht immer versucht, Rezepte zu ändern, indem sie einer Tinktur einen Eidechsenschwanz, ein Spinnenbein, ein Fledermausauge oder Spuren von Mäusefüßen beimischten?) Sie bedienen sich hier und da, sie zitieren, wiederholen, knüpfen an, kopieren und fügen ein. Und mit jeder Bewegung des Rührlöffels mischen und überlagern sich die Sprachen und Bilder, die Tinktur wird immer eigentümlicher und homogener, unverwechselbarer – Quayiger. Bei genauerem Hinsehen aber zeigen

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