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Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
Читать онлайн.Название Besonderes Verwaltungsrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811453593
Автор произведения Mathias Schubert
Жанр Языкознание
Серия Schwerpunkte Pflichtfach
Издательство Bookwire
a) Existenzvernichtung einzelner Gemeinden (Bsp.: territoriale Neugliederung)
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Da Art. 28 II 1 GG die Gemeinde grundsätzlich nicht individuell, sondern nur institutionell gewährleistet, wäre die einzelne Gebietskörperschaft nicht gegen ihre Auflösung gesichert. Angesichts des Stellenwertes der kommunalen Selbstverwaltung innerhalb der verfassungsrechtlichen Wertordnung haben jedoch das BVerfG und die Landesverfassungsgerichte zur Effektuierung der Garantie übereinstimmend betont, die Existenz der bestehenden Gemeinden stehe nicht etwa zur freien Disposition des Gesetzgebers, wenn nur hinreichend viele kommunale Körperschaften übrig blieben. Vielmehr bedürfe eine Neugliederung gegen den Willen der betroffenen Gebietskörperschaften, die ohnehin nur durch Gesetz erfolgen könne, der sachlichen Legitimation in Ansehung des öffentlichen Wohls, wie dies auch einfachgesetzlich in den Gemeindeordnungen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl Art. 11 II 1 Nr 1, 2 bay.GO; § 11 I 1 m.v.KVerf.; § 24 I NKomVG; § 17 I GO NRW). Im Rahmen dieses Gemeinwohlvorbehalts sind maßgebliche verfassungsrechtliche Direktiven die Anhörungspflicht, das rechtsstaatliche Übermaßverbot und das hieraus abgeleitete Abwägungsgebot[13]. Hiergegen wird jedenfalls dann verstoßen, wenn[14]
– | keine rechtzeitige und hinreichende Anhörung der betroffenen Gemeinden stattgefunden hat, |
– | der Gesetzgeber die maßgebliche Ausgangslage mangelhaft ermittelt hat oder in wesentlichen Punkten von unzutreffenden Annahmen ausgegangen ist, |
– | die Entscheidung offensichtliche Mängel bei den zugrunde liegenden Erwägungen, Wertungen und Prognosen erkennen lässt, |
– | die Belastungen und Beeinträchtigungen für die neugegliederten Gebietskörperschaften und ihre Einwohner außer Verhältnis zu den Vorzügen der Neuordnung stehen (sog. Schaden-Nutzen-Bilanz), |
– | bei umfassenden Neuordnungsprogrammen, wenn ohne hinreichende Begründung das zugrunde liegende System verlassen wurde (sog. Systemtreue oder Systemgerechtigkeit). |
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Da kommunale Neugliederungen einen Eingriff in gewachsene selbstständige Gemeinwesen, die ihren Bürgern lokale politische Identifikation vermitteln, darstellen, müssen sie zudem dem Anspruch der Dauerhaftigkeit genügen[15]. Zu beachten ist jedoch, dass dem Gesetzgeber bei der strukturellen Neugliederung ein politischer Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, der nach ständiger Rspr. nur eine eingeschränkte verfassungsrechtliche Kontrolle der im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde angegriffenen Neugliederung zulässt[16].
b) Aufgabenentzug oder organisatorische Ingerenzen bzgl aller Gemeinden
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Die Gewährleistungen des Art. 28 II 1 GG beziehen sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Grundsatz der Universalität oder Allzuständigkeit des kommunalen Wirkungskreises). Dies wird regelmäßig einfachgesetzlich bekräftigt, indem etwa bestimmt wird, die Gemeinden seien „in ihrem Gebiet die ausschließlichen Träger der gesamten öffentlichen Aufgaben, soweit Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen“ (vgl § 2 II NKomVG; s. auch § 2 GO NRW, Art. 6 I bay.GO).
aa) Entscheidender Anknüpfungspunkt ist dabei die räumliche Komponente: Der Schutz gilt solchen Bedürfnissen und Interessen, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an“[17]. Erfasst sind damit nur die eigenen gemeindlichen Angelegenheiten, nicht aber übertragene, genuin staatliche Aufgaben. Nun ist aber nicht zu verkennen, dass im Zuge zunehmender Forderungen nach Gleichwertigkeit resp. Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse (vgl Art. 72 II, 106 III 4 Nr 2 GG), gesteigerten Umweltbewusstseins, fortschreitender Motorisierung und Mobilität der Einwohner[18] Wanderungsprozesse stattgefunden haben und stattfinden, die das Verständnis dessen, was zu den kommunalen Agenden zu zählen ist, in der zeitlichen Entwicklung durchaus beeinflusst haben. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bilden damit keinen ein für alle Mal feststehenden Aufgabenkreis[19]; können mithin nicht enumerativ für alle Zeit bestimmt werden.
Bei der Einschätzung der örtlichen Bezüge einer Aufgabe und ihres Gewichts kommt dem Gesetzgeber angesichts der konstatierten Vielzahl maßgeblicher Faktoren ein Einschätzungsspielraum zu. Er darf dabei auch typisieren, d.h. „er braucht nicht jeder einzelnen Gemeinde und grundsätzlich auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden Rechnung zu tragen“[20].
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bb) Gleichwohl besteht Anlass zu betonen, dass der örtliche Bezug auch für gesetzgeberische Maßnahmen nach wie vor den dominanten Beurteilungsfaktor darstellt[21], der in der Gegenwart namentlich unter dem Stichwort der gemeindlichen Verbandskompetenz thematisiert wird. Insbesondere bei der Hochzonung von Verwaltungsaufgaben von der Gemeinde- auf die Kreisebene hat der Gesetzgeber „den verfassungsgewollten prinzipiellen Vorrang einer dezentralen, also gemeindlichen, vor einer zentral und damit staatlich determinierten Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen“[22]. Bemerkenswert ist dabei die auf die Entstehungsgeschichte gegründete Bekräftigung seitens des BVerfG im Rastede-Beschluss, dass die gemeindlichen Aufgaben nicht über den herkömmlich gesicherten Bestand hinausgehen[23], eine Einsicht, die namentlich bei der aktuellen Diskussion um die Grenzen der Kommunalwirtschaft nicht aus dem Blickfeld geraten sollte, wenn – notwendige – Dynamisierungen Gefahren nicht nur für traditionelle privatwirtschaftliche Aktionsfelder, sondern auch für die essenzielle Rückbindung an die örtliche Dominanz der Aufgabenstellung heraufbeschwören.
Zwar hat das BVerfG in einer frühen Entscheidung die Aussage getroffen, die Gemeinde sei als hoheitlich handelnde Gebietskörperschaft darauf beschränkt, sich mit Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises zu befassen[24]. Es würde allerdings einen Fehlschluss bedeuten, daraus zu folgern, außerhalb hoheitlich zu bewältigender Agenden, namentlich auf dem Wirtschaftssektor, dürfte eine Gemeinde räumlich unlimitiert agieren[25]. Seinerzeit ging es allein um die Problematik, inwieweit es einer kommunalen Körperschaft gestattet wäre, Stellungnahmen zu verteidigungspolitischen Fragen, deren Lösung in der Kompetenz des Bundes lag und liegt, abzugeben, was unter Verweis auf die Überörtlichkeit der Aufgabe grundsätzlich verneint wurde. Die gemeindliche Verbandskompetenz ist durch Art. 28 II GG, also nicht nur bei hoheitlichen Aufgaben, sondern insgesamt auf das örtliche Wirkungsfeld beschränkt, soweit nicht in befugter Weise überörtliche staatliche Angelegenheiten zur Wahrnehmung vor Ort zugewiesen worden sind[26]. So hat der VerfGH Rh.-Pf. im Zusammenhang mit novellierten Vorschriften des Kommunalwirtschaftsrechts deutlich herausgestellt:
„Aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie ist kommunales Wirtschaftsengagement niemals privatautonomes Handeln, sondern zweckgebundene Verwaltungstätigkeit. Die öffentliche (kommunale) Verwaltung bleibt auch dann Verwaltung, wenn sie wirtschaftet.“[27]
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cc) Soweit es um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft geht, was also jeweils sorgfältiger Prüfung bedarf[28], ist den Gemeinden das Recht zuerkannt, diese „in eigener Verantwortung“