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aufrichtig sein und darf auch vor heiklen Themen nicht zurückscheuen.

      Hier ist so ein Thema: Viele chinesische Funktionäre sind mit marxistischer Literatur und deren Ablegern vertraut. Derartige Literatur enthält viele abfällige Ansichten über Geschäftsleute. Von Lenin stammt die berühmte Aussage, Geschäftsleute würden für einen Gewinn sogar den Strick verkaufen, mit dem sie später aufgeknüpft werden. Nebenbei bemerkt habe ich das übrigens im echten Leben erlebt: Als ich von 1973 bis 1974 in Kambodscha diente, war die dortige Regierung proamerikanisch eingestellt und wurde vom amerikanischen Militär unterstützt. Das amerikanische Militär ließ für hohe Kosten Artilleriegeschosse einfliegen, die für die Verteidigung der Hauptstadt Phnom Penh vorgesehen waren. Die korrupten Generäle der proamerikanischen Regierung veräußerten diese Geschosse allerdings sofort an Mittelsmänner, die diese weiter an die Roten Khmer verkauften, obwohl diese Artilleriegeschosse dann auf die Stadt abgefeuert wurden und das Leben der Angehörigen dieser proamerikanischen Generäle gefährdeten. Kurzum: Es stimmt, dass viele Geschäftsleute opportunistisch und korrupt sein können.30

      Es wäre ein schwerer Fehler der chinesischen Regierung, eine derart eindimensional leninistische Sicht auf die Geschäftswelt zu haben. Zwingt man Geschäftsleute zu einer Vereinbarung – und sei es auch eine Vereinbarung, die für sie von Vorteil ist –, werden sie im Herzen tiefen Groll gegen die chinesischen Beamten hegen, die sie zu derartigen Verträgen genötigt haben. Das gilt auch dann, wenn alles streng nach Gesetz abläuft. Der ehemalige Weltbank-Ökonom Yukon Huang, der mehrere Jahre in China gearbeitet hat, sagt, dass es gemäß der WTO-Bestimmungen absolut rechtens ist, wenn ein Entwicklungsland wie China als Vorbedingung für Investitionen im eigenen Land um einen Technologietransfer bittet: „Gemäß den WTO-Vereinbarungen zu geistigem Eigentum stehen Industrienationen ‚in der Pflicht‘, ihren Unternehmen Anreize dafür zu liefern, Technologie in weniger hoch entwickelte Nationen zu transferieren.“31

      Aber selbst wenn es zutrifft, dass Chinas Forderungen rechtlich in Ordnung und legitim waren, kann es dennoch sein, dass sich ausländische Unternehmen unfair unter Druck gesetzt fühlten. Hätten sie sich geweigert, Vereinbarungen zum Technologietransfer zu unterzeichnen, wäre ihnen der Zugang zum großen chinesischen Markt versperrt geblieben. Weil sie sich diesen Zugang aber bewahren wollten, hatten die Geschäftsleute das Gefühl, keine andere Wahl zu haben – sie mussten einem Technologietransfer zustimmen. Für einige ranghohe chinesische Funktionäre mag es tatsächlich eine Überraschung sein, zu hören, dass in der westlichen Geschäftswelt Unzufriedenheit herrscht. Wann immer China ein hochkarätig besetztes Forum organisiert und die CEOs großer westlicher Geschäftswelten einlädt, kommen sie jedes Mal. Ich habe selbst an einigen dieser Treffen teilgenommen. Im März 2019 kam eine erstaunlich einflussreiche Gruppe westlicher CEOs sowie westlicher Ökonomen und Journalisten zum China Development Forum nach Peking. Zu den Teilnehmern zählten bekannte Namen wie Ray Dalio, der einen der größten Hedgefonds Amerikas leitet, Steve Schwarzman, CEO und Chairman der Blackstone Group, der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Financial Times-Kolumnist Martin Wolf.

      Glücklicherweise waren mit Bob Rubin und Larry Summers auch zwei bekannte ehemalige amerikanische Finanzminister eingeladen. Sie beide sprachen offen über die Herausforderungen, denen sich amerikanische Geschäftsleute beim Umgang mit China stellen müssen.

      Summers sagte, es gebe „beträchtliche Missverständnisse zwischen den Vereinigten Staaten und China“. Diese Missverständnisse seien „möglicherweise die Folge politischer Schritte und diese Missverständnisse bergen sehr substanzielle Risiken“. Er fügte hinzu: „Die Vereinigten Staaten haben berechtigte Bedenken, was Chinas Handelsgebaren in einer Reihe von Bereichen anbelangt – von geistigem Eigentum bis hin zu Joint-Venture-Bestimmungen und deren Folgen für das Teilen von Informationstechnologie.“ Er räumte allerdings auch ein: „Es gibt keine verlässliche Berechnung, wonach das BIP der USA selbst dann mehr als ein Prozent größer wäre, hätte China in wirtschaftlicher Hinsicht sämtlichen Wünschen Amerikas nachgegeben.“

      Einige Äußerungen, die Summers in Peking traf, mögen für seine chinesischen Gastgeber sehr unbequem gewesen sein, aber er vermittelte Peking ein klares Signal: Nur weil die VIPs der Weltwirtschaft ungebrochen bereit sind, an hochkarätig besetzten Foren in China teilzunehmen, sollten die Chinesen das nicht dahingehend werten, dass zwischen China und den westlichen Geschäftswelten alles in bester Ordnung sei. Form und Inhalt sollten nicht verwechselt werden. Dieselben CEOs, die an hochkarätigen Treffen in China teilnehmen, haben es in ihren Unternehmen möglicherweise mit verstimmten Kollegen zu tun, die dauerhaft unglücklich über die Geschäftsbedingungen in China sind. Aus diesem Grund wäre es für China klug, auf hoher Ebene eine politische Entscheidung zu treffen und große Anstrengungen zu unternehmen, das Vertrauen und das Wohlwollen der westlichen Geschäftswelt zurückzugewinnen, natürlich auch der amerikanischen Geschäftswelt.

      China ist ein gewaltiges Land. Chinas Kommunistische Partei ist stark und herrscht effektiv, dennoch wird es China nicht leichtfallen, über Nacht Gewohnheiten und Gepflogenheiten von über 100 Millionen Beamten zu verändern, die auf die eine oder andere Weise mit ausländischen Unternehmen zu tun hatten. Viele Systeme und Prozesse, Gewohnheiten und kulturellen Aspekte sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil des gewaltigen Regierungssystems des Landes. Es wäre völlig unrealistisch zu glauben, man könne all diese etablierten Abläufe und Sitten auf einen Schlag ändern.

      Damit das gewaltige chinesische System eine Kehrtwende einlegen kann, müssen die Chinesen zunächst eine weitreichende philosophische Entscheidung treffen, gefolgt von einigen innovativen praktischen Schritten. China muss sich einigen harten Fragen stellen: Was führte dazu, dass ein großes Land wie China durch kleinere westliche Mächte ein Jahrhundert der Erniedrigung erlitt? Vom Jahr 1 bis zum Jahr 1820 lag die chinesische Wirtschaft auf Augenhöhe mit dem Rest der Welt. Wie konnte sie dann derart zurückfallen? Warum haben die klugen Köpfe am Hofe des chinesischen Kaisers nicht erkannt, dass sich die Welt dramatisch gewandelt hatte?

      Hauptursache für die gewaltige Blindheit der chinesischen Staatsdiener im 19. Jahrhundert war die enorme philosophische These, China als großes, sich selbst genügendes Reich der Mitte müsse sich nicht auf die Welt einlassen. China habe alles, was es benötige, beschied Chinas Kaiser Qianlong dem britischen Gesandten Lord Macartney. Den Rest der Welt benötige es nicht.

      Das schmerzhafte Jahrhundert der Erniedrigung brachte China schließlich dazu, sich zu öffnen. Deng traf diese Entscheidung aus pragmatischen Gründen heraus und die Öffnung funktionierte: Chinas Wirtschaft boomte. Dennoch stellt sich die Frage: Erachten die Chinesen diese Öffnung als vorübergehende Maßnahme für den Zeitraum, bis China wieder stark ist? Hegen sie den Wunsch, eines Tages zu ihrer „Reich der Mitte“-Mentalität zurückzukehren und Handel mit der Welt zu betreiben, sich kulturell dabei aber abzukapseln?

      Als China Mauern errichtete und nicht mehr mit dem Rest der Welt kommunizierte, fiel es zurück. Als China sich der Welt öffnete, blühte es auf. Um seinen Erfolg auch langfristig zu garantieren, sollte China seine 2.000 Jahre alte „Wir sind das Reich der Mitte“-Mentalität komplett abstreifen und beschließen, beim wirtschaftlichen Austausch mit dem Rest der Welt zur offensten aller Gesellschaften zu werden. Nur ein derartiges großes Umdenken würde es den chinesischen Staatsdienern ermöglichen, ausländischen Unternehmen, auch jenen aus Amerika, den roten Teppich auszurollen.

      Mehrere führende amerikanische Politiker, darunter der ehemalige Präsidentschaftskandidat Marco Rubio, haben einen Gesetzentwurf angeschoben, der chinesische Investitionen in Amerika und den Transfer amerikanischer Technologie nach China beschneiden soll. Rubio hat sich zudem wiederholt hetzerisch über China geäußert:

      China hat die Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu dem Glauben verleitet, es werde die auf Regeln basierende internationale Ordnung annehmen und ein verantwortungsbewusster Akteur werden. […] Jetzt versucht China erneut, die Welt hinters Licht zu führen, indem es ausländische Regierungen dazu verlockt, sich der „Belt & Road“-Initiative anzuschließen. Dazu werden ihnen üppige Versprechungen im Hinblick auf chinesische Investitionen in ihre Infrastrukturprojekte gemacht.32

      Es wäre absolut natürlich, wenn chinesische Entscheider auf derart provokante Äußerungen genauso emotional reagierten. Es wäre

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