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Hat China schon gewonnen?. Kishore Mahbubani
Читать онлайн.Название Hat China schon gewonnen?
Год выпуска 0
isbn 9783864707742
Автор произведения Kishore Mahbubani
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Издательство Bookwire
Am negativsten wird der Bericht, wenn es darum geht, wie viele ausländische Unternehmen (eingeschlossen die amerikanischen) sich beim Geschäftemachen in China schikaniert fühlen. Es heißt dort:
„Die jüngsten Spannungen im amerikanisch-chinesischen Handel warfen ein Schlaglicht auf viele Schieflagen in der Handelsbeziehung, unter anderem den Mangel an Gegenseitigkeit bei grenzüberschreitenden Investitionen, Chinas Umgang mit staatlich finanzierter Industriepolitik und den Druck zum Technologietransfer als Preis für die Teilnahme am chinesischen Markt. Wenige Unternehmen werden öffentlich einräumen, unter diesem Druck zu stehen, aber in unserer Umfrage gaben 21 Prozent der Unternehmen an, derartigen Druck verspürt zu haben, insbesondere in Industriezweigen, die China als strategisch wichtig erachtet – Luftfahrt (44 Prozent) und Chemie (41 Prozent) sahen sich beträchtlichem Druck ausgesetzt, was die Besorgnis der aktuellen US-Regierung über diese ‚Pay to Play‘-Taktik in technologielastigen Branchen bestätigt.“16
Dass ein derart lauter Chor amerikanischer Stimmen Trumps Anschuldigungen gegen China unterstützt, kann als eindrucksvolle Bestätigung dafür gewertet werden, dass China einen schweren strategischen Fehler begangen hat. Was also ist da schiefgelaufen? Hat die chinesische Regierung auf oberster Ebene beschlossen, die amerikanische Geschäftswelt zu ignorieren? Oder haben eine Unzahl von Entscheidungen vor Ort dazu geführt? Mindestens drei Faktoren haben zentral zu dieser Entfremdung beigetragen: die vergleichsweise große politische Autonomie der Provinz- und Stadtverwaltungen, der Hochmut, den China nach der globalen Finanzkrise von 2008/9 verspürte und die vergleichsweise schwache zentrale Führung in den 2000er-Jahren.
Die Nullerjahre waren ein Jahrzehnt außerordentlich raschen Wirtschaftswachstums. Chinas Wirtschaft wuchs im Schnitt um 10,29 Prozent jährlich und viele ausländische Unternehmen verdienten sehr viel Geld.17 Die Unternehmen klagten zwar über unfaire Praktiken, waren aber bereit, dies zu ertragen, weil im Gegenzug außergewöhnliche Gewinne lockten. Die Parteiführung beging in den 2000er-Jahren einen großen Fehler, als sie nicht sorgfältig darauf achtete, wie die Provinzen und Städte mit ausländischen Investoren umgingen. Andererseits: Selbst wenn Peking das hätte tun wollen, stößt das Zentrum doch auch an Grenzen, wenn es darum geht, wie stark es den Alltag kontrollieren kann. Ein bekanntes chinesisches Sprichwort besagt: „Die Berge sind hoch und der Kaiser ist weit.“ (shān gāo, huáng di yuăn,
Der CEO eines großen europäischen Unternehmens erzählte mir, seine Firma sei mit einem chinesischen Unternehmen eine feste Vereinbarung eingegangen, wonach man nach Ablauf von fünf Jahren das chinesische Unternehmen zu einem festgesetzten Preis würde kaufen können. Die Frist lief ab und das europäische Unternehmen wollte wie vereinbart das chinesische aufkaufen, aber die Chinesen weigerten sich. Das europäische Unternehmen erhob Klage vor Ort und wandte sich an die Provinzbehörden, aber alles vergebens. Da der europäische CEO in Peking gut vernetzt war, versuchte er, in der Hauptstadt Unterstützung zu finden. All seine Bemühungen blieben ohne Erfolg, stattdessen ermutigte man ihn, dem chinesischen Unternehmen, obwohl es doch einen vermeintlich bindenden Vertrag gab, zur „Schlichtung“ einen höheren Kaufpreis anzubieten.
Von europäischen Handelskammern, die in China aktiv sind, hört man ähnliche Beschwerden wie von ihren amerikanischen Kollegen. In seinem Buch „Red Flags“ aus dem Jahr 2018 beschreibt George Magnus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am China Centre der Universität Oxford, wie China einen gewaltigen politischen Fehler beging, als es ignorierte, wie überzeugt führende Persönlichkeiten in Amerika davon waren, dass China in weiten Teilen seiner Wirtschaftspolitik unfair agiert – indem es beispielsweise Technologietransfer einfordert, geistiges Eigentum stiehlt und nichttarifliche Handelshemmnisse aufwirft.
„Die USA haben gegen China (in diesem Bereich) sehr starke Argumente“, schreibt Magnus.18 Er schildert, wie China 2006 einen Technologie-Entwicklungsplan aufstellte, der dafür sorgen sollte, dass „China bis 2020 zur Technologiemacht wird und bis 2050 eine globale Führungsrolle einnimmt“. Zu diesem Zweck sollte die „einheimische Innovation“ gefördert werden, „doch im Laufe der Zeit wurde, insbesondere für ausländische Unternehmen, einheimische Innovation gleichbedeutend mit unterschiedlichen Formen von Protektionismus und Günstlingswirtschaft für einheimische Unternehmen und mit unfairen Handelsbräuchen. Chinas technischer Fortschritt wurde bei dieser Betrachtung auf dem Rücken importierter Technologie erzielt, entweder durch Zukäufe im Ausland oder durch ausländische Firmen, die in China aktiv waren. In einem Bericht der amerikanischen Handelskammer heißt es, viele ausländische Technologiefirmen würden ‚einheimische Innovation‘ als ‚Blaupause für Technologie-Diebstahl in einem Ausmaß, wie es die Welt noch nie zuvor gesehen hat‘, ansehen.“19
Elizabeth Economy vom Council on Foreign Relations schreibt: „Viele amerikanische und europäische Unternehmen beklagen, dass chinesische Unternehmen geistiges Eigentum stehlen. Bei jedem Jahresbericht der Außenhandelskammer steht dieser Punkt ganz oben in der Liste, wenn es um die Schwierigkeiten beim Geschäftemachen in China geht.“20
Der zweite Faktor, der dazu beigetragen haben könnte, dass sich die amerikanische Geschäftswelt derart von China entfremdete, war die Überheblichkeit, die chinesische Vertreter unmittelbar im Anschluss an die globale Finanzkrise von 2008/2009 an den Tag legten. Mehrere ausländische Beobachter haben dies ausführlich beschrieben. In seinem Buch „The Party“ schildert Richard McGregor, was 2008 beim Boao Forum geschah, dem chinesischen Gegenstück zum jährlich in Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforum. Bei früheren Gelegenheiten sagten die Chinesen höflich: „Sie tun dieses, wir tun jenes.“ Beim Treffen von 2008 habe jedoch ein anderer Ton geherrscht, so McGregor. Dieses Mal lautete die Botschaft: „Sie gehen Ihren eigenen Weg. Wir gehen unseren eigenen Weg. Und unser Weg ist der richtige!“ McGregor beschreibt sodann den Ton auf dem Treffen:
Auf dem Boao Forum zogen die chinesischen Spitzenfunktionäre nacheinander ihre Glacéhandschuhe aus, die sie bei vergangenen Konferenzen angelegt hatten, und machten den Besuchern klar, dass sich das Blatt gewendet hatte. Zuerst kritisierte ein Beamter der Aufsichtsbehörde ein Treffen weltweit agierender Wirtschafts- und Finanzgrößen als „Lippenbekenntnis“. Ein anderer ließ kein gutes Haar an der Rolle der internationalen Ratingagenturen in der Finanzkrise. Ein pensioniertes Politbüromitglied forderte mit drohendem Unterton, die USA müssten „die Interessen der asiatischen Länder schützen“, wenn sie wollten, dass China weiterhin ihre Anleihen kaufte.“21
Gideon Rachman von der Financial Times beschreibt in seinem Buch „Easternization“ sehr gut, welche Stimmung nach der globalen Finanzkrise in Peking herrschte:22
In den Jahren nach dem Crash stellten westliche Diplomaten, insbesondere solche aus Europa, im Umgang mit den Chinesen einen neuen Ton fest. Ein britischer Diplomat, der kurz zuvor von einer Reise nach China zurückgekehrt war, erzählte mir 2011 mit einem Lachen, China sei das einzige Land gewesen, in dem man ihm erklärt habe: „Sie dürfen eines nicht vergessen: Sie kommen aus einer schwachen und im Zerfall begriffenen Nation.“ Ein weiterer sehr ranghoher britischer Diplomat sagte, der Umgang mit den Chinesen werde „zusehends unangenehm und schwierig“. Auf meinen Einwand, dass einige seiner Kollegen in Washington weiterhin sehr lobend über die chinesischen Spitzenfunktionäre sprachen, mit denen sie zu tun hatten, erwiderte der britische Offizielle: „Es gibt einen besonderen Tonfall, den die Chinesen inzwischen ausschließlich für die Amerikaner vorgesehen haben.“ Obwohl China weiterhin beteuerte, dass man weiterhin ein Entwicklungsland sei, trat die Regierung in Peking mehr und mehr wie eine werdende Supermacht auf – und das einzige Land, das man offenbar noch als tatsächlich ebenbürtig erachtete, waren die Vereinigten Staaten.
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