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      Bei der Festlegung von Tourismusformen wurde bereits auf den Begriff der FreizeitFreizeit als zentrales Motiv für viele Tourismusformen Bezug genommen. Dies geschah im Bewusstsein, dass es sich auch bei diesem Begriff um einen alltagssprachlich verwendeten Ausdruck handelt, dessen genauere inhaltliche Fassung für die wissenschaftliche Verwendung ebenfalls nicht einfach ist. Alltagssprachlich wird „Freizeit“ als zumeist positiv besetzter Begriff verwendet. Als Realdefinition kann Freizeit umschrieben werden als „Zeit für Etwas“ (zum Faulenzen, Spielen, Basteln, Bummeln, Kochen, Beschäftigung mit Kindern, Ausschlafen). Dabei kann dieser subjektiv ganz unterschiedlich gefasst werden. Für den Einen kann Kochen eine gerne und freiwillig ausgeübte Freizeitbeschäftigung sein, während für jemand anderen Kochen eine unangenehme Pflicht darstellt.

      FASTENMEIER, GSTALTER und LEHNIG (2001) haben bei einer bundesweiten Befragung zum subjektiven FreizeitbegriffFreizeitbegriff, subjektiver unter anderem geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung dessen, was als Freizeitbeschäftigung angesehen wird, festgestellt. Zu mehreren Tätigkeiten sollten die Probanden auf einer Skala von 0 (= kein Freizeitcharakter) bis 10 (= hoher Freizeitcharakter) angeben, welchen Grad des Freizeitbezugs die entsprechenden Tätigkeiten besitzen. Die sich dabei ergebenden Mediane sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tätigkeiten Median weiblich Median männlich
Töpfern Friseurbesuch Einkauf im Baumarkt Fahrzeug reparieren Schaufensterbummel Textilien kaufen 8 6 1 1 8 5 5 3 3 4 6 3
Skala: 0 = kein Freizeitcharakter bis 10 = hoher Freizeitcharakter

      Tab. 2:

      Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Einschätzung des Freizeitbezugs von Tätigkeiten (Quelle: Fastenmeier, Gstalter & Lehnig 2001, S. 27)

      Plausibel und nachvollziehbar – und sicherlich auch manche klischeehaften Vorstellungen und Stereotype bedienend – ergab sich bei dieser Untersuchung, dass z. B. ein Friseurbesuch oder ein Schaufensterbummel für weibliche Befragte einen höheren Freizeitbezug aufweist, während männliche Befragte einer Fahrzeugreparatur oder dem Baumarktbesuch einen höheren Freizeitbezug zusprechen.

      In der wissenschaftlichen Fassung des Begriffes wurde lange Zeit ein sog. „negativer FreizeitbegriffFreizeitbegriff, negativer“ verwendet. Dies bedeutet, dass Freizeit als „Restgröße“ angesehen wurde, die sich ergibt, wenn von den 168 Stunden einer Woche die Arbeitszeit und täglich etwa 11 Stunden für die physiologische Regeneration (Schlafen, Körperhygiene) und hauswirtschaftliche Tätigkeiten (Kochen, Putzen und alltägliche Einkäufe) abgezogen werden. Hintergrund dieser Herangehensweise war, dass die Zunahme der „freien Zeit“ als Folge der Reduzierung von tariflich festgelegten Wochenarbeitszeiten quantitativ gefasst werden konnte.

      Inzwischen wird in der Freizeit- und Tourismuswissenschaft weitgehend ein „positiver FreizeitbegriffFreizeitbegriff, positiver“ verwendet, der versucht, die Freizeit entsprechend dem lebensweltlichen Verständnis als frei verfügbare Zeit zu verstehen. Dieses Verständnis geht zurück auf OPASCHOWSKI (1990). Es vermeidet einerseits die allein auf die Arbeitszeit bezogene Sichtweise als „Restkategorie“. Andererseits wird darauf verzichtet, Freizeit intersubjektiv einheitlich festlegen zu wollen. Es wird anerkannt, dass das Freizeitverständnis von jedem Individuum subjektiv unterschiedlich verstanden werden kann.

      OPASCHOWSKI differenziert die Lebenszeit in drei Bereiche, die sich durch den Grad an Wahl‑, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit unterscheiden (vgl. Abb. 3):

      1 „der frei verfügbaren, einteilbaren und selbstbestimmbaren DispositionszeitDispositionszeit (= ‚freie Zeit‘ – Hauptkennzeichen: Selbstbestimmung);

      2 der verpflichtenden, bindenden und verbindlichen ObligationszeitObligationszeit (= ‚gebundene Zeit‘ – Hauptkennzeichen: Zweckbestimmung);

      3 der festgelegten, fremdbestimmten und abhängigen DeterminationszeitDeterminationszeit (= ‚abhängige Zeit‘ – Hauptkennzeichen: Fremdbestimmung)“ (OPASCHOWSKI 1990, S. 86).

      Abb. 3:

      Unterschiedliche Freiheitsgrade bei Dispositions-, Obligations- und Determinationszeit (Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an OPASCHOWSKI 1990, S. 86)

      Ähnlich wie bei den touristischen Motiven ist es damit das Individuum mit seiner subjektiven Perzeption, das für sich entscheidet, welchen Grad an freier Entscheidung es wahrnimmt. Damit wird auch hier in der Tourismuswissenschaft ein intersubjektiv nicht eindeutig festlegbares Begriffsverständnis akzeptiert.

      1.2 Historische Entwicklungslinien und theoretische Konzepte

      Nicht nur die konkreten Ausprägungen des Phänomens Tourismus haben sich vor allem im 20. Jahrhundert grundlegend verändert, sondern auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Dementsprechend werden im Folgenden ausgewählte Entwicklungslinien und Konzepte vorgestellt.

      1.2.1 Historische Entwicklungslinien

      Ziel dieses Abschnitts kann es nicht sein, eine Geschichte des Tourismus zu ersetzen. Hierzu sei der Leser z. B. auf das Grundlagenwerk von SPODE aus dem Jahr 1987 verwiesen. Anhand einiger weniger ausgewählter Blitzlichter sollen einerseits Grundprinzipien der Entwicklung dieses Phänomens beleuchtet und andererseits gleichzeitig ein Verständnis für das Nachwirken von historischen Grundlagen in heutigen Entwicklungen geweckt werden.

      Freie, selbstbestimmte DispositionszeitDispositionszeit setzt voraus, dass das Individuum nicht nur mit der eigenen Subsistenz, d. h. der Sicherung des Lebensunterhaltes beschäftigt ist. Damit ist die Verfügbarkeit von freier Zeit auch mit der Entwicklung einer arbeitsteiligen, ausdifferenzierten Gesellschaft verbunden, bei der nicht wie auf der Entwicklungsstufe der Jäger und Sammler oder einer reinen Agrargesellschaft durch ein wirtschaftliches Produktionssystem Überschüsse erwirtschaftet werden, die es einem Teil der Gesellschaft ermöglichen, anderen Tätigkeiten nachzugehen. Damit wird der Beginn des Tourismus oftmals auf die (städtischen) Hochkulturen der griechischen und römischen Antike datiert, bei denen Reisen aus religiösen oder spirituellen Gründen und Motiven (z. B. Orakel von Delphi), aber auch zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit (z. B. Bäderkuren) dokumentiert sind. Bereits hier zeigt sich das enge Wechselspiel zwischen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung mit dem Phänomen Tourismus.

      Im Mittelalter sind es wiederum gesellschaftliche Rahmenbedingungen und auch bereits biographische Gegebenheiten, bei der die sog. VagantenVaganten das Bild des Tourismus prägten. Zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert führte die Überproduktion von Theologen dazu, dass diese nicht alle sofort in Pfarrstellen unterkommen konnten. Demensprechend wurde das Studium – oder wie wir heute sagen würden, eine verlängerte Postadoleszenz – dazu genutzt, Studium und Wanderleben im mittelalterlichen Hochschulwesen zu verbinden. Bereits damals entstand der Nexus von Bildung und Reisen, aber auch die auf den persönlichen Genuss ausgerichtete – und bis heute wirksame – Konnotation von Tourismus.

       Box 3 | Zeit der fahrenden Schüler Zeit der fahrenden Schüler

      „Das subjektive Reiseerlebnissubjektives Reiseerlebnis wird zu einem Kennzeichen der beginnenden Neuzeit. Auf Reisen erlebt das eigene Ich seine Befreiung. Sesshaftigkeit und Stillstand werden verachtet, die Reiselust wird Teil einer neu erwachenden Lebenslust, die die sozialen und geistigen Fesseln des Mittelalters für immer sprengt“ (OPASCHOWSKI 2002, S. 31).

      In der beginnenden Zeit der Renaissance,

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