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Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit. Marta Fata
Читать онлайн.Название Mobilität und Migration in der Frühen Neuzeit
Год выпуска 0
isbn 9783846354148
Автор произведения Marta Fata
Жанр Документальная литература
Серия Einführungen in die Geschichtswissenschaft. Frühe Neuzeit
Издательство Bookwire
7.3Die Ansiedlung in Brandenburg-Preußen und in Ungarn
7.4Die Auswanderer und ihre Motive
7.5Rückschläge und Rückwanderungen
8Die Erwerbsmigration
8.1Erwerb und Migration
8.2Wanderarbeiter
8.3Wanderhändler
8.4Transnationale Aspekte der Erwerbsmigration
8.5Migranten zwischen Erwerb und Horizonterweiterung
9Die Subsistenzmigration
9.1Armut, Arbeit und Nichtsesshaftigkeit
9.2Regionale und individuelle Ursachen des Vagierens
9.3Die subsistenzorientierte Ökonomie des Überlebens
9.4Das Heimatrecht der Vaganten
9.5Zigeuner: ewig heimatlose Wanderer?
10Spielarten der Peregrination
10.1Wissenserwerb und Wissensvermittlung
10.2Sprachkenntnis als Voraussetzung
10.3Die peregrinatio apostolica
10.4Die peregrinatio academica
10.5Die Kavalierstour
10.6Die Gelehrtenmigration
11Dimensionen der Integration
11.1Kulturelle, soziale und strukturelle Integrationsprozesse
11.2Der Umgang mit dem Fremden
11.3Der Gruppenbildungsprozess der Einwanderer
IVFazit und Forschungsperspektiven
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Ortsregister
Personenregister
I. Einführung
Zwei Abbildungen – eine Aufnahme des ungarischen Pressefotografen Zsolt Reviczky im Sommer 2015 (vgl. Abb. 1) und ein Kupferstich des Augsburger Künstlers Elias Bäck (vgl. Abb. 2), erschienen 1733 – stellen Migranten in verblüffend ähnlicher Art und Weise dar. Ein langer Zug von Menschen mit wenigen Habseligkeiten auf dem Rücken oder in der Hand bewegt sich auf einer Landstraße irgendwo in Europa.
Das Pressefoto hielt fest, womit ganz Europa seit 2015 elementar konfrontiert ist: die weltweite Fluchtbewegung, verursacht durch Krieg, Verfolgung, Klimakatastrophen und Armut. Umfasste die Gruppe der Asylbewerber in der Europäischen Union 2014 noch rund 627.000 Personen, so verdoppelte sich deren Zahl 2015 auf über 1,3 Millionen. Die hohe Zahl von Migranten löste in der Staatengemeinschaft eine bis heute andauernde und kontrovers geführte Debatte aus. Eine der Ursachen dafür ist das lückenhafte Völkerrecht. So definiert etwa die Genfer Flüchtlingskonvention diejenige Person als Flüchtling, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt […].“[1] Die Erklärung bezieht sich allerdings nicht eindeutig auf Menschen, die vor kriegerischen Auseinandersetzungen oder Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure wie Rebellen oder Milizen fliehen, und lässt somit Interpretationsspielräume zu. Deren negative Folgen müssen Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak erfahren, die nicht generell unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, und deren Anträge auf Asyl deshalb einzeln geprüft werden müssen.
Abb. 1 Zsolt Reviczky, Flüchtlinge in Ungarn im Sommer 2015.
Abb. 2 Elias Bäck, Einzug der Salzburger Emigranten in Memmingen 1731.
Anders als die vor Krieg Geflüchteten haben die in Massen vor allem vor Not und Chancenlosigkeit aus den afrikanischen Ländern Fliehenden in der Regel keine Aussicht, den Asylantenstatus zu erhalten. Dies hält sie allerdings von der gefahrenreichen Flucht aus ihren Heimatländern nach Europa nicht ab. Bei der Überquerung des Mittelmeeres geraten sie immer wieder in Seenot, und nicht wenige von ihnen finden auf dem Meer den Tod. Ein allgemein gültiges internationales Recht für schiffbrüchige Geflüchtete gibt es jedoch nicht. So gilt in ihrem Fall „lediglich“ die ethisch-moralische Pflicht eines jeden Menschen, seinen Mitmenschen zu helfen und sie vor dem Tod zu retten. Aber gerade dies wird mit der Einstellung der staatlich geförderten Rettungsaktionen in Frage gestellt.
Leidenschaftlich diskutiert wurde in den letzten Jahren nicht nur über die Aufnahme, sondern auch über die Verteilung der Migranten innerhalb der Staatengemeinschaft. Auf dem Höhepunkt der Migration 2015/16 zeigte sich, dass die EU über keine einheitliche und gut funktionierende Migrationspolitik verfügt. Laut dem EU-Vertrag von Dublin ist nämlich immer derjenige Mitgliedsstaat für einen Migranten und seinen Asylantrag zuständig, in den er zuerst eingereist ist. So sind schon seit Langem die Staaten an den Außengrenzen der Union, vor allem Italien und Griechenland, durch die Aufnahme der Migranten belastet. Als 2015 Ungarn die durch Griechenland auf der Balkan-Route in das Land illegal eingereisten Migranten nicht weiterfahren lassen wollte und sich gegen ihre Aufnahme entschied, handelte es nach international geltendem Recht. Die EU-Kommission, die zwischen den Mitgliedsstaaten zu vermitteln versuchte, konnte allerdings auch schon deshalb keinen Erfolg erzielen, weil Ungarn wie auch die dem ungarischen Beispiel folgenden anderen ostmitteleuropäischen Staaten ihre einzelstaatlichen Interessen höher einstuften als die gesamteuropäischen. Ihre Haltung ist deshalb von den meisten Regierungen und der öffentlichen Meinung in den westlichen Mitgliedsstaaten unter europapolitischen und moralischen Gesichtspunkten negativ bewertet worden.
Besonders eklatant traten die Gegensätze zwischen Ungarn und Deutschland zu Tage, in denen zwei der am weitesten auseinanderliegenden Positionen der gesamten Debatte zum Tragen kommen. Ungarn argumentiert auf der Grundlage der nationalstaatlichen Souveränität und setzt dazu Mittel wie die Grenzsicherung durch den Bau von Zäunen ein. Es folgt darüber hinaus einer Zukunftsvorstellung, die den demografischen Rückgang nicht mit Einwanderung, sondern mit einer großzügigen Familienpolitik zu lösen versucht. Die Arbeitswanderung der Ungarn in die westlichen EU-Staaten bei gleichzeitiger Einwanderung von Gastarbeitern nach Ungarn zeigt allerdings, dass diese Politik nicht ausreicht und die Verschleierung von ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen durch Nationalismus kein geeigneter Weg sein kann.
Die Position in Deutschland dagegen basierte noch bis vor kurzem ausschließlich auf der Idee, dass Wohlstand und freie Grenzen für alle einander nicht ausschließende Kriterien seien. Doch allmählich wurde dieser Standpunkt durch die Diskussionen über die Grenzen des Wohlfahrtsstaates und das Erstarken skeptischer und antidemokratischer Haltungen innerhalb der Bevölkerung abgelöst. Während viele in Deutschland und in Europa der Meinung sind, dass mithilfe der weltweiten Migranten dem Fachkräftemangel und der demografischen Alterung der Bevölkerung vorzubeugen ist, betrachten nicht wenige die Zuwanderung als Bedrohung. Sie befürchten durch die Aufnahme von mehrheitlich armen und weniger gut ausgebildeten Migranten mit muslimischer Religionszugehörigkeit ökonomische Belastungen und politische Instabilität sowie eine kulturelle Überfremdung. Sie sehen auch die Gefahren eines staatlichen Kontrollverlustes und einer um wirtschaftliche und soziale Ressourcen geführten Konkurrenz zwischen Einheimischen und Zuwanderern.
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