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Verbrechen ist, das er nahezu sicher überhaupt nicht begangen hat.

      Herodes war in seinem Todesjahr 4 v. Chr., das letztlich das wahrscheinlichste Jahr von Christi Geburt darstellt, 70 Jahre alt. Er müsste also damals den Mord organisiert haben, was schon aufgrund seiner schweren Krankheit unwahrscheinlich erscheint. Er war zuletzt schlicht »wahnsinnig« und wird keine Magier empfangen haben, die etwas über einen Stern faselten. Aber man erinnerte sich im Osten sehr gut an die Karriere dieses Despoten, der es zum nach Kaiser Augustus reichsten Mann der damaligen Welt gebracht hatte – ihm gehörte mehr als die Hälfte des Landes, daneben betrieb er auch noch höchst einträgliche Kupferminen. Augustus bezeichnete Herodes als seinen zweitbesten Freund, direkt nach seinem persönlichen Berater. All dies war Herodes nicht in die Wiege gelegt, er hat die Position in einem zähen, bluttriefenden Kampf errungen, der ihn immer wieder mit Rom in Verbindung brachte, zunächst auf Seiten des heftigsten Gegners des späteren Augustus. Diese Verbindung mit Rom aber ist wichtig, weil wir hier zum ersten Mal auf den Stern stoßen.

      Zunächst also ein Schritt zurück. Palästina war unter den Nachfolgern von Alexander dem Großen im 3. Jahrhundert an die Seleukiden gegangen. Da brach der Aufstand der Makkabäer aus, die zeitweise Jerusalem für sich gewannen und Könige wurden. 64 v. Chr. machte Pompeius dem ein Ende, ließ Jerusalem stürmen, massenhaft seine Verteidiger töten und schaffte anschließend das Königtum ab. Darauf wurde Pompeius im Bürgerkrieg von Caesar besiegt, der einen Erben der Makkabäer, den Hasmonäer Antipater zum Prokurator, also obersten Verwalter, von Judäa machte, zusammen mit seinen Söhnen, von denen einer Galiläa erhielt – Herodes. Der damals Fünfundzwanzigjährige ließ als Erstes alle irgendwie verdächtigen Juden töten, musste deshalb einen Prozess überstehen, bei dem ihn die Römer retteten. Bei den Juden war er deshalb von Anfang an verhasst, zumal Herodes, der sich jüdisch »gab« und zum Beispiel die jüdischen Speisegebote befolgte, als Idumäer, also Spross eines heidnischen Volkes in Palästina und Sohn einer arabischen Mutter, eher zum Schein zum Judentum konvertiert war. Flavius Josephus, der jüdische Historiker der Epoche und Region, der die Fronten wechselte und mitten im jüdisch-römischen Krieg zu den Römern übertrat, betrachtete ihn als einen hoffnungslosen Fall, unter anderem als sexuell unersättlich.

      In der weltgeschichtlichen Auseinandersetzung zwischen Oktavian und Marcus Antonius schlug sich Herodes auf die Seite des Antonius, der ihn in Palästina als König einsetzte. Herodes machte sich anschließend bei seinem jüdischen Volk lieb Kind durch die Heirat mit Mariamne, einer Makkabäerprinzessin, einer Vorzeigejüdin also. Überhaupt setzte er sich immer wieder für sein Volk ein, erließ etwa in Notzeiten Steuerbefreiung. Aber dann wurde es turbulent. Die ewigen Gegner Roms im Osten, die Parther, drangen vor, der letzte (im Verborgenen lebende) Makkabäerfürst Antigonos verbündete sich mit ihnen, erhielt für 1000 Talente (also sehr viel Geld) und einen Harem mit 500 Frauen die Stadt Jerusalem. Jerusalem erhob sich prompt gegen Herodes, der mit seinen Konkubinen in die Wüste Judäas floh, aber von dort etwas tat, was seine Karriere erheblich beschleunigen sollte: Er reiste nach Rom, wo ihn Antonius (der damals noch mit Oktavian als dem späteren Augustus kooperierte) zum König von Judäa ernannte. Das war im Jahr 40 v. Chr., einer sehr bewegten Zeit.

      Machen wir an dieser Stelle einen Schnitt und wenden uns den Ereignissen in Rom zu. Genau um diese Zeit, als noch nicht klar war, wer aus dem großen Ringen als Sieger hervorgehen würde, Antonius oder Oktavian (der spätere Augustus), glaubte man in Rom, dass ein Stern eine hohe Geburt ankündige. Die astronomisch-astrologischen Verhältnisse waren gerade dramatisch: Saturn trat vom Zeichen der Fische in das des Widders ein – am Frühlingspunkt also, der immer als Anfangstermin der Welterschaffung gegolten hatte. Vergil, der mit seiner Aeneis das römische Staatsepos schaffen sollte, arbeitete die Ankündigung der Geburt dieses Kindes (eines Abkömmlings Jupiters) in eines seiner Hirtengedichte ein, die Bucolica, als die vierte Ekloge. Mit diesem Kind namens Aion kehre das Goldene Zeitalter zurück. Man kann sich vorstellen, auf wen dies bezogen wurde, als Oktavian dann endlich siegreich aus den fürchterlichen Bürgerkriegen nach Caesars Ermordung hervorgegangen war – natürlich auf ihn, den nunmehrigen Augustus. Zwar hatte Vergil selbst die Ankündigung auf das Haus des Konsuls Pollio gemünzt, dem die Ekloge gewidmet ist, aber in der Rezeption trat sehr schnell der Kaiser an diese Stelle, zumal man auch in seinem Hause eine Geburt erwartete. Und dann dichtete man ihm (nach der Biographie Suetons im frühen 2. Jahrhundert) indirekt auch noch einen Kindermord an, sofern der Senat jeden neugeborenen Knaben zu töten beschlossen hätte, um zur Republik zurückkehren zu können.

      Was aber in Rom kaum jemand mitbekam: Es gab einen dritten Anwärter auf das göttliche »Aionskind«, nämlich keinen anderen als Herodes, seit seinem Romaufenthalt ein enger Freund dieses Pollio. Der schon damals Größenwahnsinnige bezog die Geburt auf sein eigenes Haus, zumal seine Frau Mariamne als »Stern der Hasmonäer« galt. Das alles spielte sich also in den Jahren nach 40 v. Chr. ab, also weit vor der Geburt Jesu und dem Auftreten der sternsuchenden Magier. Aber der Stern war nun einmal in der Welt, man wusste um die Vision des Goldenen Zeitalters dank dieses Sterns, wie sie Vergil auf klassische Weise formuliert hatte. Matthäus könnte die Story auch vier Generationen später noch gekannt und genutzt haben.

      Was Matthäus auf jeden Fall nutzte, ist dann die Brutalität des Herodes, die sein Wirken durchweg prägte und wohl lange im Gedächtnis geblieben war. Denn Herodes kehrte in die alte Heimat Jerusalem zurück, um sich sein Reich zurückzuholen, wobei er zunächst Antonius in schwieriger Situation im Osten gegen die Parther half, ihn in bedrängter Lage buchstäblich rettete. Der Dank waren 30 000 Fußsoldaten und 6000 Reiter, mit denen Jerusalem zurückerobert wurde, wobei die Metzelei so furchtbar ausfiel, dass selbst Herodes die Römer bestach, damit sie aufhörten. Herodes ließ anschließend Antigonos als letzten Makkabäerfürsten stilvoll enthaupten, weiter von 71 Angehörigen des Hohen Rats (des »Sanhedrin«) 45 brutal hinrichten. Nur gab es noch einen Spross der Makkabäer, der auf Rache sinnen konnte – seine Ehefrau Mariamne in seinem eigenen Schlafzimmer.

      Simon Sebag Montefiore hat die unglaublichen Einzelheiten in seinem Jerusalem-Buch eindrücklich geschildert, wozu eine Verschwörung von Mariamne mit Antonius’ Frau Kleopatra gehört, um Herodes zu vernichten. Die Morde in der eigenen Familie reihten sich im damaligen Jerusalem aneinander. Herodes’ Schwester Salome (die später das Haupt des Johannes forderte, worüber Matthäus ja berichtet) ruhte nicht, bis Mariamne hingerichtet war. Er selbst war trotz seiner Krankheit noch handlungsfähig genug, um das Morden unter seinen eigenen Söhnen fortzusetzen, bis er im Jahr 4 v. Chr. zusammenbrach. Und dieser Herodes soll das Jesuskind verfolgt haben, wo er konkurrierende Kronprätendenten nicht aus den Sternen lesen musste, sondern genügend in seinem eigenen Hause vorfand?

      Matthäus griff also auf sehr vage Kenntnisse über diesen Unglücksherrscher zurück, der sich in Jerusalem mit einem prächtigen Tempelneubau, einem wahren Weltwunder, und seinem Palast auf eine Weise verewigt hatte, deren Grundmauern noch heute sichtbar sind. Natürlich konnte Matthäus ihm angesichts dieser Biographie den Kindermord in die Schuhe schieben – aber zu einer Zeit, als die Erinnerung an die wirkliche Grausamkeit schon verblasst war.

      Der Stern

      Ein Stern – nehmen wir den Faden wieder auf – fungiert als Ankündiger eines großen Ereignisses (Mt 2,1–12). Matthäus sagt darüber nichts Genaues, eher Verwirrendes, wenn dieser Stern nach seinem Erscheinen zunächst wieder verschwindet, so dass die Magier in Jerusalem nach dem Ort fragen müssen, und dann plötzlich »zu ihrer großen Freude« wiederkehrt, um sie zur Krippe zu führen. Das »Führen« ist also eigenartig unbestimmt gelassen, obwohl es ein durchaus prägnantes Vorbild gab. Denn Vergil hat nicht nur in seiner Ekloge einen Stern als Zeichen für eine bedeutende Geburt bemüht, sondern in seinem berühmteren Werk, nämlich der Aeneis, einen Stern als dauerhaften Führer geboten, nämlich von Aeneas und seinem Vater, als sie aus dem brennenden Troja fliehen – übrigens ist es ein Komet mit einem Schweif (stella facem ducens, ein ›Stern, der eine Fackel mit sich führte‹), der dann auf den Stern der drei Könige übertragen wurde und bis heute in kaum einer Krippendarstellung fehlt. Ausdrücklich ist in diesem Zusammenhang von einem »Wunder« die Rede.

      Literarisch sind Sterne, speziell Großes ankündigende, also nichts Besonderes. Wo man auch hinsieht, tauchen sie gerade bei der Geburt von wichtigen Persönlichkeiten

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