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und formuliert wurde«. Und so viel stimmt ja auch: Viele bekommen bei »Es begab sich aber zu der Zeit …« immer noch eine Gänsehaut.

      Die Vorgeschichte

      Lukas fand in seinen Vorlagen nichts bzw. kaum etwas für die Geburtsgeschichte Verwertbares. Von Markus hat er sie nicht, denn der beginnt sein Evangelium mit dem Heuschreckenesser Johannes, der Jesus »von Nazaret« tauft, worauf dieser in die Wüste geht und unter »wilden Tieren« lebt, bis sein Wirken in Galiläa einsetzt. Matthäus, der ausführlichste aller Evangelisten, hat die Weihnachtsgeschichte auch nicht oder jedenfalls nur in Teilen. Denn Matthäus berichtet zwar von der Geburt in Betlehem, fokussiert aber den Auftritt der Weisen aus dem Morgenland, der den Kindermord durch Herodes auslöst. Und Johannes springt wieder sogleich zur Taufe, als wäre ihm, der ohnehin das intellektuellste Evangelium abliefert (»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott …«), die allzu »realistisch« ausgemalte Geburt peinlich. Lukas geht also deutlich über das von ihm Vorgefundene – eigentlich nur die beiden Städte Nazaret und Betlehem – hinaus, erfindet eigenständig. Und er fällt dabei nicht mit der Tür ins Haus. Er erzählt nämlich nach der Ankündigung der Geburt durch den Engel Gabriel nicht gleich die erfolgte Geburt Jesu (Lk 1,26–38), sondern wendet sich ausführlich Johannes dem Täufer zu.

      Bei dieser Szene verkennt man das mythologische Arrangement vielleicht leichter, weil die Umstände ausgesprochen realistisch ausgeführt sind (und dann doch nicht wirklich »stimmen«). Es gibt also einen Priester namens Zacharias und dessen Ehefrau Elisabet, beide besonders gottesfürchtig, aber trotz inständiger Gebete kinderlos und in einem Alter, in dem eine Empfängnis ausgeschlossen scheint. Da geschieht ein Wunder. Während Zacharias im Tempel mit einem kultischen Opfer beschäftigt ist, erscheint der Engel Gabriel und kündigt ihm an, dass seine Frau einen Sohn gebären werde, den er, bitteschön, Johannes nennen möge. Dieser Sohn werde »groß sein vor dem Herrn«, keinen »Wein und berauschende Getränke« trinken – eine im Alten Testament häufige Bemerkung in Bezug auf herausgehobene Persönlichkeiten. Zacharias hat Nachfragen wegen der Unwahrscheinlichkeit, wird von Gabriel dafür zur Strafe mit Stummheit belegt. Das führt später zur großen Überraschung, weil Elisabet den Sohn vor dem Volk auftragsgemäß Johannes nennt, obwohl kein Verwandter dieses Namens existiert, und der stumme Ehemann dies auf einem Schreibtäfelchen sofort bestätigt. Daran schließt sich ein Lobgesang an, das Benedictus (›Gepriesen sei der Herr‹), das schon deshalb aus der Tradition stammen dürfte, weil es zur Situation schlecht passt, spricht Zacharias doch in düstersten Tönen von all dem Unheil, aus dem Jahwe das Volk Israel erlösen musste.

      Sagen wir zuletzt noch, dass Geburtsankündigungen in der antiken Literatur geradezu eine eigene literarische Gattung bilden. Sie kommen in Homers Odyssee (11,248 f.) ebenso vor wie in Euripides’ Iphigenie in Aulis (V. 1962 ff.), im Alten Testament sowieso – etwa angesichts der Geburt von Ismael (Gen 16,11 f.), Isaak (Gen 17,15 ff.) oder Simson (Ri 13,3 ff.). Weshalb aber erzählt Lukas diese Geschichte, und was stimmt in ihr nicht? Jeder Kenner des Alten Testaments sieht sofort den Wiederholungscharakter. Ein altes Ehepaar bekommt noch ein Kind – wie der Stammvater Abraham mit 100 Jahren und Sara mit über 90 ihren Sohn Isaak (Gen 21,1 ff.). Eine unfruchtbare Frau wird schwanger – wie Isaaks Frau Rebekka mit den Zwillingen Esau und Jakob (Gen 25,21). Jakobs Frau Rahel ist ebenfalls lange kinderlos, ehe Gott »ihren Mutterschoß« öffnete (Gen 29,31). Und auch Hanna bekommt ihren Samuel erst nach göttlichem Eingreifen. Schließlich folgt der Kommentar der Elisabet auf die Überraschung fast wortgleich dem von Rahel, der die unverhoffte Geburt von Josef (den später seine Brüder verkauften) angekündigt wird (Gen 30,23).

      All das kann nur gewollt sein. Der Leser soll denken, dass er sich immer noch im Alten Testament befindet, dass dieses Alte Testament nur fortgesetzt wird – womöglich mit dem Nebengedanken, wie schrecklich doch angesichts von so viel Gemeinsamkeit die Trennung von Juden und Christen ist. Und was stimmt an der Geschichte nicht? Lukas kennt offenbar die Abläufe im Tempel nicht genau, lässt Zacharias ins Innere, hinter den Vorhang, gehen, was nur dem Hohepriester, und zwar einmal im Jahr am Laubhüttenfest, zukam, aber auf Zacharias deshalb nicht zutrifft, weil er mit dem Opfer »an der Reihe« war. Er versah also den normalen Priesterdienst – vor dem Vorhang, so dass die Szenerie mit dem Engel gar nicht möglich gewesen wäre. Wer glaubt, die »Parallele« mit dem Alten Testament sei im Falle von Maria unvollkommen, weil Maria keine alte und deshalb unfruchtbare Frau war, übersieht, dass diese Unvollkommenheit das Geschehen nur steigert. Denn diesmal handelt es sich um eine noch viel unwahrscheinlichere Geburt, weil kein menschlicher Erzeuger nötig ist, sondern das Kind vom Heiligen Geist stammt und von einer Jungfrau geboren werden soll. Der ausdrückliche Hinweis darauf, dass schon Elisabet gegen jede Wahrscheinlichkeit schwanger wurde, zeigt deutlich, dass es um eine Art Überbietung geht.

      Und dann toppt Lukas auch dies noch. Maria besucht nämlich Elisabet in der Zeit, als beide schwanger sind, und Elisabet, überrascht davon, dass die »Mutter meines Herrn« kommt, berichtet, dass das Kind in ihrem Leibe vor Freude »hüpfte«, also nach Embryoart strampelte. Worauf Maria jenen Lobgesang anstimmt, der in der späteren Kirche zu einem der wichtigsten überhaupt wurde: dem Magnificat (ich lasse einmal beiseite, dass nach der handschriftlichen Überlieferung unklar ist, ob wirklich Maria und nicht Elisabet singt, was übrigens vom Vatikan 1912 ausdrücklich mit einem Diskussionsverbot belegt wurde). Darin ist nicht nur von der »Niedrigkeit seiner Magd« die Rede, sondern auch von den Mächtigen, die vom Thron gestürzt, von den »Niedrigen«, die »erhöht«, von den »Hungernden«, die »beschenkt« werden, während die »Reichen leer ausgehen« – wieder einmal das ausgesprochene Lieblingsthema von Lukas. Allerdings ähnelt dieser Lobgesang insgesamt einem Vorgänger: nämlich dem Lobgesang der Hanna (1 Sam 2,1 ff.). Abgesehen davon lässt sich diese Umkehrung von Arm und Reich als ein verbreitetes Motiv in der weltlichen Literatur identifizieren, sofern dies ebenso bei Homer in der Ilias (20,242 f.) und der Odyssee (16,211 f.) wie in den Oden Pindars oder in den Troerinnen des Euripides (612 f.) vorkommt. Wer nun Lukas vielleicht nicht der Lüge, dafür aber des Plagiats bezichtigt, muss wissen, dass es gerade das »Plagiat« ist, das die Geschichte Christi schon vor seiner Geburt mit der Tradition Israels verknüpft. Das vermeintliche Plagiat ist jedenfalls nichts anderes als eine Form der Beglaubigung. Es gibt nicht nur Vorausdeutungen, es gibt auch aussagekräftige Parallelen.

      Veit Stoß: »Englischer Gruß« (Verkündigung an Maria), St. Lorenz, Nürnberg, 1517/18

      Dann wird Johannes geboren, um in die Wüste zu entschwinden, wo er sich auf die Ankündigung des Erlösers vorbereitet. Aber Lukas macht nicht beim erwachsenen Johannes und beim ebenfalls längst erwachsenen Jesus weiter, sondern kehrt noch einmal zurück. Er erzählt dessen Geburt: »Es geschah aber in jenen Tagen …« Man fragt sich, weshalb er dies tat, wo doch jeder erkennen musste, dass es sich um eine Erfindung handelte. Wer sollte davon gewusst und es als Augenzeuge weitergegeben haben? Immerhin gibt sich Lukas Mühe, das Ganze als »wahr« hinzustellen. Dazu gehört ein historischer Bezug. Lukas fand ihn in der Volkszählung bzw. im Eintrag in die Steuerlisten unter Kaiser Augustus, die sein Statthalter Quirinius in Syrien organisierte. Die Frage ist natürlich, ob bzw. wann es diese Volkszählung gegeben hat.

      Die Historiker haben darauf eine klare Antwort, denn Quirinius ist ihnen gut bekannt. Er war von Augustus protegiert worden, kämpfte erfolgreich in Kleinasien und erhielt anschließend die äußerst einträgliche Statthalterschaft über Syrien als eine der wichtigsten Provinzen des Reiches, bildete sie doch den Puffer gegen die ewig rebellischen Parther. Dabei kam es zur Neuordnung der Region und in diesem Zusammenhang zur Volkszählung, die auch ein unabhängiger Zeuge wie der Historiker Flavius Josephus erwähnt und auf 6/7 n. Chr. datiert. Es ging also um einen Provinzialzensus, nicht (wie Lukas durch den Bezug auf Augustus berichtet) um einen Reichszensus. Einen solchen Reichszensus gab es tatsächlich in den Jahren 28 und 8 v. Chr. sowie 14 n. Chr. (Augustus’ Todesjahr), hatte aber in keinem Fall etwas mit Quirinius zu tun. Nimmt man den Bericht von Lukas für bare Münze, müsste man also Christi Geburt mit dem Provinzialzensus verbinden.

      Nur tut sich dann der nächste Widerspruch auf. Dafür ist allerdings nicht Lukas, sondern Matthäus verantwortlich. Denn

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