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       INHALT

      THEMA

       Recht und Realität. Warum sie nicht mit- und nicht ohneeinander auskommen

      Von Judith Hahn

       Einige pastoraltheologische Probleme des Kirchenrechts

      Von Rainer Bucher

       Pastoral vs. Kirchenrecht – benötigen wir wirklich eine Neuauflage des Tragödienklassikers?

       Die Replik von Judith Hahn auf Rainer Bucher

       Noch ziemlich rücksichtsvoll

       Die Replik von Rainer Bucher auf Judith Hahn

       Was sich mit dem Kirchenrecht buchstäblich anfangen lässt

      Von Sabine Demel

      PROJEKT

       Im Umbruch

      Neuerungen im Arbeitsrecht der katholischen Kirche Von Stefan Ihli

      INTERVIEW

       „Inzwischen bin ich skeptischer geworden…“

       Ein Gespräch mit Johannes zu Eltz

      PRAXIS

       „Scherze des Heiligen Geistes“

      Papst Franziskus, das Kirchenrecht und die Kurie Von Rafael M. Rieger OFM

       „Recht in der Kirche verstehen und lieben lernen“

      Wozu nützt das kirchliche Recht? Von Severin J. Lederhilger

       Leitung

      Zur theologischen Neubestimmung eines rechtsdogmatisch belasteten Begriffs Von Michael Böhnke

       Getrennte Welten

      Kirchenrecht und Menschenrechte Von Adrian Loretan

       Das kirchliche Eheverfahren zwischen prozessrechtlichen Vorgaben und pastoralem Anspruch

      Ein Dilemma Von Georg Bier

      FORUM

       Unterwegs zu Brave Digital Worlds oder: Steht uns ein anderes Ende der Geschichte ins Haus?

      Von Klaus Müller

      POPKULTURBEUTEL

       Stille Konzerte

      Von Bernhard Spielberg

      NACHLESE

       Glosse: Urbi et orbi

      Von Annette Schavan

       Buchbesprechungen

       Impressum

      EDITORIAL

      Bernhard Spielberg Mitglied der Schriftleitung

      Liebe Leserin, lieber Leser,

      die Sonne steht tief über dem pastoralen Raum. Kaum eine Menschenseele ist noch draußen unterwegs. Die Leute haben sich vor der staubigen Hitze des Abends in die Saloons zurückgezogen. Nur auf dem Platz vor dem kleinen, verbeulten Kirchlein stehen sich zwei harte Kerle gegenüber. Auge in Auge. Die Hüte tief in die Stirn gezogen. Die Finger am Abzug. Sheriff Codex, der unbeugsame Hüter des Gesetzes. Ein unbarmherziger Ordnungshüter, der keine Kompromisse kennt. Und der Typ, den sie hier alle nur „Der Pastor“ nennen. Ein gesetzloser Macher mit sonnengegerbter Haut, der „Recht“ nur für das Wort „zurechtbiegen“ braucht. Wer zieht schneller? Klingt nach Klischee. Ist es auch. Allerdings eines, das in der Branche ziemlich tief sitzt. Der scheinbare Antagonismus von „Pastoral“ auf der einen und „Kirchenrecht“ auf der anderen Seite findet sich auf allen Ebenen der Kirche: in der Frage nach der evangelischen Patin im Taufgespräch bis zur Debatte um die Relevanz päpstlicher Fußnoten für die authentische Interpretation des CIC.

      Wir nehmen uns in diesem Heft jenes Knistern zwischen Kirchenrecht und Pastoral vor, das für die einen fruchtbar und produktiv, für andere furchtbar und utopisch ist. Judith Hahn und Rainer Bucher diskutieren engagiert, was man mit dem Kirchenrecht buchstäblich anfangen kann. Sabine Demel beschreibt – ausgehend von berechtigten Anfragen – das Kirchenrecht als pastorales Werkzeug.

      Die Felder, auf denen Recht in der Kirche gerade von eminenter praktischer Bedeutung ist, werden im Praxisteil beleuchtet: Unter anderem problematisiert Michael Böhnke, dass das Leitungsverständnis des CIC nach dem Zweiten Vatikanum keinem aggiornamento unterzogen wurde. Stefan Ihli dokumentiert die wesentlichen Entwicklungen im kirchlichen Arbeitsrecht. Und Georg Bier stellt die Frage nach dem Dilemma kirchlicher Eheverfahren: Darf man pastorale Grundsätze verletzen, um pastoral zu helfen?

      In unserem Duell drückt am Ende keiner der beiden hartgesottenen Kerle ab. Sie stecken ihre Schießeisen ein und gehen erstmal zusammen in den Saloon. Denn dort gibt es für Sheriff Codex und „Den Pastor“ so einiges zum Anpacken.

      Ich wünsche Ihnen eine recht erhellende Lektüre,

      Ihr

      JProf. Dr. Bernhard Spielberg

      Recht und Realität. Warum sie nicht mit- und nicht ohneeinander auskommen

      Wenn Seelsorge stattfindet, bleibt Kirchenrecht häufig außen vor. Es wird von vielen Kirchengliedern eher als behindernd, weniger als ermöglichend erfahren. Auf über 3000 Metern über dem Meeresspiegel habe Kirchenrecht erst gar keine Geltung, zitierte Sandra Lassak, Dozentin an der Asociación educativa teológica evangélica in Lima, jüngst einen Priester aus den peruanischen Anden. Wer im Andenhochland Seelsorge treibe, könne mit eurozentrischen Rechtsnormen wenig anfangen. Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger im deutschen Flachland empfinden kaum anders. Sie fühlen sich vom Kirchenrecht nicht gestützt, sondern eingeschränkt. Judith Hahn

      Dabei soll Recht doch Ordnung erzeugen, Strukturen stärken, soziales Miteinander erleichtern und Konflikte bewältigen helfen. Das tut es auch häufig, aber nicht immer. In meinem Beitrag will ich der Frage nachgehen, woran es liegt, wenn sich soziale Praxis und Recht voneinander lösen. Hieran schließen Überlegungen an, wie sich Recht und Realität in der Kirche aufeinander beziehen lassen.

      Wenn Pastoral und Kirchenrecht in einem Satz erwähnt werden, geschehen merkwürdige Dinge. Es folgt dann häufig entweder ein dramatisch inszenierter Antagonismus oder ein realitätsklitternder Harmonisierungsversuch – beides ist in der Regel peinlich. Das Plädoyer für eine Kirche, in der „Pastoral vor Kirchenrecht“ zu gelten habe, spielt seltsam treuherzig mit der Vermutung, dass Rechtsfreiheit die Qualität von Pastoral erhöhe. Mindestens ebenso fragwürdig sind Strategien, dem geltenden Kirchenrecht als gelungener Grundlage aktueller Pastoral zu huldigen. Zwischen den Straßengräben der Unterbewertung des Rechts in seiner Bedeutung für Sozialstrukturen und der Überbewertung des realen Kirchenrechts scheint kaum ein Weg zu verlaufen.

      Kanonistinnen und Kanonisten werden in Folge entweder mit der Erwartung konfrontiert, endlich einzugestehen, dass das Recht für die Kirche im Grunde gar nicht so wichtig sei. Oder sie werden aufgefordert, am Narrativ mitzuschreiben, dass das geltende Kirchenrecht von pastoralen Erwägungen durchdrungen sei; immerhin habe der Gesetzgeber in den c. 1752 des gesamtkirchlichen Gesetzbuchs hineingeschrieben, dass das Heil der Seelen für

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