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gehabt, die nicht weniger schauerlich zu nennen wäre:

      Denn damals existierte das Scharfgericht, und wie schon das obige Schicksal des durch Gerichtsbeschluss eingemauerten Ratsherren zeigt, war man mit derlei Urteilen damals nicht gerade zimperlich oder zurückhaltend.

      Da kam es dann schon das eine oder andere Mal vor, dass die Richter sich in ihrem Urteilsspruch irrten.

      Nun denke keinesfalls, lieber mitfühlender Leser, dass dieser Irrtum allen miteinander nicht ganz besonders leid getan hätte; für eine Begnadigung war es dann halt ein für allemal zu spät. Denn der Betroffene hing unschuldig am Strick, er ward unschuldig einen Kopf kürzer gemacht oder unschuldig eingemauert. (Unser verräterischer Ratsherr, der hat sozusagen noch Glück gehabt, denn er musste wenigstens verdientermaßen den Tod erleiden!)

      Musste aber ein ganz und gar Unschuldiger dran glauben, dann war zwar sein Gewissen heil (solange er noch lebte), und sein ewiges Leben war ebenfalls zum Guten hin gerettet. Für sein irdisches Dasein jedoch war dies ein sogenannter irreversibler Schaden.

      Immer aber, wenn solcher Justizirrtum passierte, zeigte sich das ganze Grauen des Geschehens in folgender Szene:

      Denn dann erglomm in der darauffolgenden Nacht das Fausttürmlein in blutrotem Lichte, und zugleich tat es drei schwere gewaltige Schläge, von dumpfer todbringender Wucht, die das entsetzliche Niedersausen des Schwertes auf dem Richtblock wiedergaben. Dies dreimalige Pochen geschah an der Tür des Scharfrichterhauses, das früher innerhalb der Stadtmauer auf einem kleinen Platz, der sich unter dem gruseligen Turmbauwerk öffnete, lag.

      Der Scharfrichter, also von Gespensterhand aus dem Bette geholt, eilte gleich zur Türe, um diese tüchtig abzusperren, wusste er doch seit Urgroßvaters Zeiten nur zu genau, was der ernste Spuk zu bedeuten habe!

      Zugleich fragte der Henker durch die geschlossene Türe nach draußen, wer denn da klopfe?

      Dann kniete er nieder und betete mit lauter Stimme ein Vaterunser und ein Ave Maria ums andere, so lange, bis es ein Uhr von der inneren Stadt herüberschlug und die Geisterstunde, wie das so üblich ist, endlich beendet schien. Das alles mag an dunkle Einweihungen erinnern. Vielleicht ist es auch so?

      Mit dem Vorüberziehen der Geisterstunde war auch das rote Licht verschwunden, der Scharfrichter versuchte nun zu schlafen, was ihm natürlich nach dem zuvor Erlebten nicht gelang.

      Gleich am Morgen eilte er nun zum Rat der Stadt, zeigte an, was geschehen, und sogleich begab sich die Münchner Bevölkerung in Kirchen und Kapellen und betete inständig für die ungerecht hingerichtete arme Seele.

      Denn nichts anderes hatte der Spuk zu bedeuten, als dass ein Unschuldiger von Henkershand vom Leben zum Tode befördert worden.

      Das kam leider immer wieder vor.

      Einmal erwischte es den Goldschmied vom Schönen Turm (Man findet die Sage auch in dieser Sammlung), ein andermal musste eine bildhübsche junge Dienstmagd, die ihr Stüblein »zuhöchst« in einem Hause unweit der Dienergasse hatte, unschuldig dran glauben.

      In diesen beiden Fällen waren eine Dohle und ein Rabe »die Schuldigen«, denn diese schwarzen Galgenvögel hatten glitzernden Schmuck »von oben«, also aus der Luft und durch offene Fenster, fort genommen.

      Als man dies merkte, da konnte man die enthaupteten Opfer aber auch nicht wieder zum Leben erwecken. Was mit den »wahrhaft Schuldigen«, den beiden Vögeln geschah, das weiß keiner. Wahrscheinlich sind sie eines ganz natürlichen Todes gestorben, und nicht einmal das Gewissen hat die gefiederten Freunde sonderlich geplagt.

      Wie auch?

       Die Isar-Nixe war ein hochmütiges Fräulein von der Burg Grünwald! Oder: Das Isar-Ufer hatte schon immer etwas Magisches an sich.

      Die folgende Geschichte soll den Leser, zu einem Spaziergange an der Isar verführen. (»Verführen« ist hier genau das richtige Wort, wie man bald sehen wird!) Zwischen Harlaching und Thalkirchen mag das sein, am besten beginnt man an der Marienklause nahe dem Tierpark Hellabrunn, denn hier waren, noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts, verschiedene Marterl aufgestellt, die an den Tod zahlreicher Flößer in den Stromschnellen der Isar erinnerten.

      Und schuld war stets eine Nixe, die mit ihrem lockenden Ruf die Vernunft und den Orientierungssinn der Männer in jeder Hinsicht aus dem Lot gebracht hat.

      Also, das war so:

      Dereinst, da lebte auf der Burg Grünwald – es war just die Zeit, als noch die »Geister von densölben / Nachts in den Gewölben…« spukten – ein ganz wunderschönes Burgfräulein.

      Allerdings sollte man sich nicht allzu schnell in die hier geschilderte Person verlieben. Denn leider ist es nicht immer so, dass äußerliche Schönheit auch einer inneren Schönheit und Feinheit des Charakters entsprechen muss.

      Dagegen mag man zwar einwenden: »Halt! Ist es nicht die moderne Psychologie unserer Tage und gar die Esoterik, die uns da lehren mögen, dass der Körper und damit ›das Äußerliche‹ die Vermittlerfunktion der ›Innenwelt‹ zur ›Außenwelt‹ darstellen und also das äußere Erscheinungsbild eben genau dem ›inneren Zustand‹ zu entsprechen habe?

      Und ist nicht gerade in den Sagen des Mittelalters ›Schönheit‹ mit ›schön im Geiste‹ gleichzusetzen?«

      Wir wissen es nicht. Vielleicht war dieses Burgfräulein gar nicht so schön, wie wir wohl annehmen sollen.

      Für einen jungen, hübschen Spielmann aber, von dem wir gleich hören werden, war sie die Schönste der Welt. Diese Absolutsetzung einer leichten Verwirrung des Geschmacks und das, dadurch ausgelöste, von allen Sinnen verlassene Gebaren im Minnedienst sollten für ihn tödlich enden.

      So hört:

      Vor über 500 Jahren, es war um das Datum 1487 herum, da vermählte sich der Bayernherzog Albrecht IV. mit Kunigunde, der Schwester des späteren Kaisers Maximilian I.

      War das eine mittelalterliche Prunkhochzeit! Wer etwas galt im Lande, der ward geladen und kam auch prompt angereist, all die Großen und Mächtigen erschienen in München (wie heute doch auch, wenn man gesehen wird) zum großen Hoffest.

      Fast alle Künstler, Spielleute, fahrenden Sänger, die einen Namen hatten zur damaligen Zeit, waren da. Und des Fressens, Saufens, Grölens war schier kein Ende. Daneben gab es natürlich die vornehmen und höfischen Darbietungen und Wettbewerbe, wie etwa das Lanzenstechen.

      So befand sich unter der Gästeschar auch ein junger Edelmann, der war als Musikant angereist gekommen (er besaß eine ausgesprochen musische Ader, war aber träumerisch und nicht besonders den Finessen des Lebens gewachsen), der verstand es wirklich vortrefflich, den Dudelsack zu pfeifen und fremde Vogelstimmen nachzuahmen.

      Als dieser Schöngeist das stolze Burgfräulein von Grünwald sah, da war es, als hätte ihm eine fremde Macht jeden Verstand aus dem Schädel gerissen.

      Nur noch ein einziges Ziel hatte er: Sie.

      Die merkte das bald. Kein Wunder. Denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit stammelte er ihr von seiner Minne.

      Wir sehen ja gerne ein, dass die Macht der Liebe besonders stark daherkommen mag, das steht dieser Macht zu, allein schon der Gedichte und Gesänge wegen, die daraus entstehen. Geht es bei diesem Spiel doch immerhin um den Fortbestand der Menschheit! Aber muss das Manöver denn gleich Todesopfer verlangen!

      Nun also. Der junge Spiel- und Edelmann gestand seine Liebe. Immer und immer wieder tat er das, gerade überall, wo er das stolze Fräulein erwischen konnte.

      Das schmeichelte dem Ding, selber empfand sie aber keinerlei Gefühle für ihn. Da war sie in ihrer Auffassung ganz modern: Kühler Blick nach vorn und warten auf den Märchenprinzen.

      So begann sie, geschmeichelt, aber doch ärgerlich, weil sie ihren Verehrer als zu gering für sich erachtete, mit ihm, seinen Gefühlen und, weil der Teufel sie ritt, mit seiner Seele zu spielen:

      »Der Mann, den ich liebe,

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