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von Bewusstheit, mit jedem Gewahrsein und Zulassen dessen, »was geschieht«, löst sich unsere eingeengte Identität weiter auf, und wir entspannen uns mehr in unsere natürliche Ganzheit hinein.

      In jener Nacht an meinem Altar fiel ein altes Selbstbild von mir ab. Aber wer war ich dann? In jenen Augenblicken spürte ich, dass sich die Wahrheit dessen, was ich war, nicht in einer Idee oder einem Bild meiner selbst erfassen ließ. Sie lag vielmehr in dem Zustand der Präsenz selbst – in der Stille, der wachen Offenheit –, die sich wie Heimat anfühlte. Mich durchflutete ein Gefühl der Dankbarkeit und Ehrfurcht, das mich seitdem nie wieder ganz verlassen hat.

      Seitdem habe ich von vielen Wegen des Erwachens erfahren, und zu den meisten von ihnen gehört ein formelles oder informelles Aufmerksamkeitstraining. Eine Freundin von mir lernte in einem Malkurs, jenseits aller Ideen von »Bäumen« oder »Wolken« in eine geheimnisvolle Welt sich ständig wandelnder Formen, Schattierungen und Essenzen zu schauen. Sie erklärte: »Statt als Beobachterin eine bestimmte Art von Baum zu sehen, war da einfach diese subjektive Innigkeit lebendiger Strukturen, Farben … Ich war Teil eines Tanzes der Lebendigkeit.« Eine Mutter berichtete, wie sich ihr Gewahrsein nach einem Kurs zum Dialog mit Jugendlichen veränderte. Während sie ihrer Tochter zuhörte, löste sie sich bewusst von ihren Vorstellungen darüber, wie ihre Tochter sein sollte, und ließ einfach den Klang ihrer Stimme und den Blick aus ihren Augen auf sich wirken und spürte nach, was das Herz ihrer Tochter wohl mitteilen wollte. Dieses wertfreie Zuhören erweiterte auch ihr eigenes Selbstgefühl: »Ich war nicht mehr in der Rolle der kritischen Mutter gefangen – endlich ein frischer Wind!«

      Eine regelmäßige Meditationspraxis ist der zuverlässigste Weg, unsere Aufmerksamkeit darin zu schulen, die Trance zu bemerken – das Auftauchen der vertrauten, tiefsitzenden Geschichten von Schuld und Versagen, von alten Ängsten, Ärger oder Depression. In den folgenden Kapiteln zeige ich, wie wir uns darin üben können, immer wieder zur Präsenz zurückzukehren, und wie die Erkenntnis dessen, wer wir sind, uns immer bewusster werden lässt. Im Laufe der Zeit werden wir immer schneller erkennen, wann wir uns in der Trance verloren haben, und wir werden wissen, dass die Anschuldigung unserer selbst oder anderer oder der Welt oder das Streben nach Kontrolle oder Perfektion kein Ausweg sind. Das Leiden der Trance wird uns vielmehr daran erinnern, in den gegenwärtigen Moment heimzukehren und uns mit der umfassenderen Wahrheit dessen, was wir sind, zu verbinden.

      Die Erfahrung, zu unserem wahren Selbst zu erwachen, ist schwer zu beschreiben. Der indische Lehrer Sri Nisargadatta sagt dazu: »… in der Erkenntnis fühlen Sie sich vollständig, erfüllt, frei … und doch nicht immer fähig, zu erklären, was passiert ist … Sie können es nur in negativen Begriffen ausdrücken: ›Mit mir ist nichts mehr verkehrt.‹« Wenn sich die Schleier der Trance lüften, erleben wir immer noch, wie die Freuden und Nöte, die Hoffnungen und Ängste unseres kleinen Raumanzug-Selbst kommen und gehen, aber wir definieren uns nicht mehr über sie. Wir nehmen die Dinge nicht mehr so persönlich, wir meinen nicht mehr, dass »mit uns etwas nicht stimmt«. Stattdessen fangen wir an, der Unbefangenheit und Güte jenes Wesens zu trauen, das unsere Trance uns nicht erkennen ließ. Wir erleben dies als eine enorme Erleichterung und einen Geschmack von Freiheit.

       Geführte Meditation

      Die Meditation der Herzensgüte (das Pali-Wort Metta bedeutet »Freundschaft, liebevolle Zuwendung« und wird auch oft mit »liebende Güte« übersetzt) ruft uns unsere Verbundenheit mit allem Leben ins Bewusstsein. Sie beginnt in der Regel mit einer fürsorglichen Hinwendung zu uns selbst. Diese einfache Praxis ist ein direkter und kraftvoller Weg, aus der Trance zu erwachen. Indem wir uns selbst mit Freundlichkeit betrachten, fangen wir an, die Identität eines isolierten, mangelhaften Selbst aufzulösen. Dies erzeugt die Grundlage dafür, auch andere mit bedingungslos liebendem Herzen einzubeziehen (siehe auch »Herzensgüte – Hinter die Fassade schauen« am Ende von Kapitel 12).

       Setzen Sie sich bequem an einen ruhigen Ort und entspannen Sie die Bereiche Ihres Körpers, die sich angespannt anfühlen. Nehmen Sie sich etwas Zeit, um im Herzen den Atem zu spüren: Einatmend spüren Sie, wie Sie Wärme und Energie empfangen, ausatmend spüren Sie, wie Sie sich in eine Offenheit hinein entspannen.

       Beginnen Sie, sich selbst flüsternd oder in Stille Gebete der Herzensgüte zu widmen. Wählen Sie zu Anfang Ihrer Praxis vier oder fünf Sätze, die Ihnen etwas bedeuten. Die folgenden Sätze sind Anregungen dazu:

       • Möge ich mit Herzensgüte erfüllt sein; möge ich von Herzensgüte umfangen sein.

       • Möge ich sicher und unbeschwert sein.

       • Möge ich vor inneren und äußeren Gefahren geschützt sein.

       • Möge ich glücklich sein.

       • Möge ich mich so annehmen, wie ich bin.

       • Möge ich tiefen, natürlichen Frieden erfahren.

       • Möge ich die natürliche Freude des Lebendigseins erfahren.

       • Möge ich in meinem eigenen Sein wahre Zuflucht finden.

       • Mögen mein Herz und mein Geist erwachen; möge ich frei sein.

       Öffnen Sie sich, während Sie die einzelnen Sätze wiederholen, für die Bilder oder Gefühle, die die Worte hervorrufen. Gehen Sie diese Meditation als Experiment an, spüren Sie, welche Worte und Bilder Ihr Herz am wirksamsten erweichen und öffnen. Probieren Sie, ob es Ihre Erfahrung der liebevollen Zuwendung zu Ihnen selbst vertieft, wenn Sie sanft eine Hand auf Ihr Herz legen.

       Nehmen Sie sich dafür so viel Zeit, wie Sie mögen. Bieten Sie sich selbst diese Sätze an und lassen Sie sie in sich nachklingen. Bleiben Sie zum Ende der Meditation eine Weile ruhig sitzen und achten Sie auf die Gefühle in Ihrem Körper und in Ihrem Herzen. Ist da ein neues Empfinden von Raum und Feinfühligkeit oder Zartgefühl? Fühlen Sie sich mehr in sich selbst zu Hause?

       Im Laufe des Tages:

       Je mehr Sie sich daran erinnern, sich selbst mit Freundlichkeit zu betrachten, desto leichter werden Sie Verbindung und Freiheit von der Trance erfahren. Sie können das überall üben. Beim Gehen, beim Autofahren, bei jeder alltäglichen Tätigkeit können Sie sich selbst Sätze liebender Güte zukommen lassen.

       Wenn Sie beunruhigt oder aufgeregt sind:

       Die Gebete der Herzensgüte können sich unpassend und künstlich anfühlen, wenn wir in die Fänge der Angst, Scham oder Verwirrung geraten sind. Manchmal scheint durch sie noch prägnanter zu werden, wie schlecht und minderwertig wir uns fühlen. Beziehen Sie diese Reaktionen ohne Beurteilung in Ihre Meditation mit ein: »Möge auch dies von liebevoller Güte umfangen sein.« Fahren Sie dann einfach mit Ihrer Meditation fort und akzeptieren Sie alle Gedanken oder Gefühle, die sich zeigen.

       Wenn die Worte mechanisch scheinen:

      Sorgen Sie sich nicht, wenn Sie merken, dass Sie die Worte einfach nur hersagen. Das Herz öffnet und schließt sich nach eigenen, natürlichen Rhythmen. Entscheidend ist Ihre Absicht, Herzensgüte zu erwecken.

       3

       Meditation – Der Weg zur Präsenz

      Kann ich irgendetwas tun, um Erleuchtung zu erlangen?

      So wenig, wie du dafür tun kannst,

      dass die Sonne morgens aufgeht.

      Was nützen dann die spirituellen Übungen, die ihr empfehlt?

      Sie sorgen dafür, dass du nicht schläfst,

      wenn der Sonnenaufgang

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