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heutigen Münsters, und damit gehört eine direkte Kontinuität ins Reich der liebgewordenen Legenden. Dennoch besteht eine enge Beziehung zwischen Burg und Kirche.

      Die hypothetische Burgkapelle (rot): Eine zeittypische Rekonstruktion von Burg und Siedlung Nydegg, geprägt von der Burgenromantik des 19. Jhs., noch unbelastet von archäologischen Erkenntnissen; nachgewiesen war damals nur das Ländtetor (blau, s. S. 36 ff.). Eduard von Rodt 1919.

      Burg und Siedlung Nydegg lagen an der weit und breit engsten Stelle einer Aareschleife, die sich für einen Übergang geradezu aufdrängte: Der hohe Wasserstand sicherte einen regelmässigen Fährbetrieb; gleichzeitig fanden sich ganz in der Nähe, im Bereich des heutigen Mattequartiers, ideale Landestellen für die Schifffahrt, die lange Zeit mindestens so wichtig wie der Strassenverkehr war.

      Die günstige Flussquerung war für die Stadtgründung wohl mit ausschlaggebend gewesen, hatte aber einen gravierenden Nachteil – der Übergang lag ganz unten in einem tief eingeschnittenen Tal mit steilen Ufern. Somit war der Zugang sowohl von der Land-wie von der Stadtseite her ausgesprochen mühsam, denn die Neugründung wurde auf dem hoch gelegenen, verteidigungstechnisch vorteilhaften Plateau der Aarehalbinsel angelegt. Am Ostende dieser Geländeterrasse vereinigten sich die drei parallelen Gassen der neuen Stadt zu einem einzigen Strassenzug, der zuerst zum deutlich tiefer liegenden Sporn der Stadtburg absank und dann, noch steiler abfallend, in einer markanten Kurve den Burghügel umrundete und schlussendlich zum Aareübergang beim heutigen Läuferplatz führte. Dieser kurze, aber äusserst abschüssige «Stalden» (schweizerdeutsch für ein steiles Wegstück) stellte die einzige Verbindung zwischen der Flussquerung und der rund 30 Meter höher gelegenen Stadt dar und war über Jahrhunderte ein gefürchtetes Verkehrserschwernis.

      Die Gründungsstadt mit ihren drei Parallelgassen auf der Aarehalbinsel; gegen rechts die abfallende Kurve des Nydeggstaldens, an der Stelle der Burg die Quartierkirche; ganz rechts die befestigte Untertorbrücke, vorne das tiefliegende Mattequartier mit der künstlichen Flussschwelle. Kupferstich von J. Plepp/M. Merian, um 1654.

      Schnitt durch die Aarehalbinsel und den Flussübergang, im Verhältnis 1:2 überhöht. Steilste Partie ist der Stalden (rot) direkt hinter dem Burghügel.

       Die Gründung Berns vor dem Hintergrund der hoch- und spätmittelalterlichen Stadtentstehungswelle in Europa

      Die Gründung der Stadt Bern war Teil einer europaweiten Umwälzung, die das Gesicht des Kontinents zwischen 1150 und 1350 nachhaltig veränderte, entstanden doch in dieser Zeit über 4’500 Städte. Gab es um 1150 auf dem Gebiet der heutigen Schweiz erst acht Städte, so waren es um 1350 deren 150! Die meisten Städte waren zwar Neugründungen, da baulich, sozial, wirtschaftlich und rechtlich etwas Neues entstand. Meistens knüpften sie aber an bestehende Burgen, Klöster oder Dörfer an. Bern ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme, auch wenn die Stadt in eine existierende Siedlungskammer mit Köniz, Bümpliz, Bremgarten und Worblaufen platziert wurde. Die Halbinsel, auf der Bern ab 1191 entstand, war aber, das zeigen archäologische Untersuchungen deutlich, zuvor nicht besiedelt. Das gilt auch für die Stadtburg Nydegg. Sie war wie viele Stadtburgen nicht älter als die zugehörige Stadt, sondern entstand zusammen mit dieser als geplantes Element der städtischen Gründungsinfrastruktur.

      Armand Baeriswyl, Archäologischer Dienst des Kantons Bern

      Das älteste Denkmal für den Stadtgründer: ein gewappneter Bär im Turnierschmuck als Brunnenstatue. Erster der Berner Figurenbrunnen, 1535 von Hans Hiltprand.

      Im 12./13. Jahrhundert entstanden in zahlreichen hochmittelalterlichen Städten Burgen als multifunktionale Stützpunkte: Für die jeweiligen Stadtherren waren sie repräsentativer Herrschaftssitz und Verwaltungszentrum, gleichzeitig sicherten und kontrollierten sie die Siedlung. Neben ihrer militärisch-strategischen Aufgabe hatten sie zudem eine wichtige machtsymbolische Bedeutung.

      Die Schleifenlandschaft der Aare. Oben die grosse Engehalbinsel, wo in keltisch-römischer Zeit die Siedlung Brenodor lag; unten die Neugründung des Mittelalters. Plan von R.J. Bollin, 1809.

      So auch in Bern, wo die kurz vor 1200 errichtete Burg ausser der neuen Stadt vor allen Dingen den Aareübergang mit seinem Zoll zu hüten hatte. Die Nydegg – der Name («unteres Eck») ist wohl vom tief gelegenen Burghügel abgeleitet – war allerdings keine grossartige Herrscherresidenz wie Burgdorf, sondern bloss Sitz eines Vertreters der Stadtherrschaft, der Herzöge von Zähringen. Folgerichtig handelte es sich um eine strukturell recht bescheidene Stadtburg, beschränkt auf Turm, Ringmauer und Graben. Bezeichnenderweise fand sie urkundlich kaum Erwähnung. Dennoch wies die Nydegg dank ihres herzoglichen Erbauers zwei Besonderheiten auf.

      Die kleinräumige, aber massive Burganlage über dem Steilabfall zur Mattenenge um 1260; rechts der Stalden, direkt am Fluss das Ländtetor (s. S. 36 ff.). Die hölzerne Aarebrücke auf der Landseite geschützt durch den Turm des Untertors (s. S. 13). Rekonstruktionsversuch von Baeriswyl/Gutscher 2002.

       Eine statusträchtige Bauform

      Zum Ersten besass der Hauptbau der ansonsten nicht sehr grossen Burg durchaus beeindruckende Dimensionen. Der aktuelle Forschungsstand geht von einem rechteckigen Grundriss von etwa 22 auf 16 Metern aus, einer Mauerstärke von viereinhalb Metern im Fundamentbereich und einer Gesamthöhe von 20 bis 25 Metern. Damit entsprach der Bau annähernd den mächtigen, zeitgleichen zähringischen Burgtürmen in Thun, Breisach und Moudon, die Wohn- und Wehrfunktion in monumentaler Weise kombinierten. Dieser hochrepräsentative Bautyp,

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