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war nicht von ungefähr auf die Idee mit der Kaffeeplantage gekommen. Als er die Hacienda kaufte, war in einer Terrassenecke ein zwar geringer, dennoch nicht unbedeutender Anteil bereits mit Arabica-Kaffeebäumen bepflanzt. Da diese fast ständig in Blüte waren, konnte man über das ganze Jahr hinweg die roten Kirschen ernten. Deren geschälte Bohnen, die eigentlich Kerne waren, ergaben nach Trocknung und Röstung einen sehr aromatischen Aufguss.

      Vater Schloß hatte schon vorweg auf einem abgezäunten Feld und angeleitet durch einen brasilianischen Kaffeespezialisten mit der Aussaat neuer Pflanzen begonnen. Nach dem Keimen hatten sie die Aufzucht neuer Setzlinge erfolgreich vorangetrieben. Ademir Pereira dos Santos hatte eine noble deutsche Schule in São Paulo besucht und dort sein Abitur gemacht, bevor sein Vater, ein reicher Kaffeebaron, ihn zu sich in die eigene Plantage holte. Ademir, ein sympathischer junger Mann, hatte sich irgendwann wegen einer sich anbahnenden Beziehung zu einer einfachen Pflückerin mit seinem Vater gestritten und war kurzerhand von zu Hause abgehauen. Er wanderte zunächst in Brasilien umher, dann überschritt er die Grenze nach Bolivien. Eines Tages kam er nach La Paz und lungerte des Öfteren bei einem Landsmann herum, der eine bescheidene Kaffeerösterei betrieb. Dort lernte er zufällig Josef Rembowski kennen, der bei diesem und anderen potenziellen Kunden wichtige Informationen für seine zukünftige Plantage einholte. Schließlich engagierte ihn Josef für jene Zeit, die Ademir benötigen würde, um die Guayrapata Kaffeeplantage in Gange zu bringen. Vater Schloß war jedenfalls ungemein stolz auf seinen „Kaffeekindergarten“ und beäugte misstrauisch jeden fremden pflanzlichen oder tierischen Eindringling, der seinen Schützlingen irgendeinen Schaden würde zufügen können.

       * * *

      Schon kurze Zeit nach Josefs Ankündigung beginnen die Peones mit der Rodung der Cocasträucher, die auf den lang gezogenen Terrassenanlagen wachsen. Man hat ihnen vorab eine Woche Freizeit gewährt, damit sie samt ihren Familien die Blätter von den Pflanzen abernten. Sie dürfen diese letztmalig auf dem Schieferplattenhof vor der Casa Vieja ausbreiten. Drei Mal täglich kommen ihre Frauen, um die trocknenden Blätter mit Reisigbesen zu wenden. Nach etwa einer Woche sind die Blätter trocken und werden in Jutesäcke gepresst.

      Nachdem die Stufen eines Terrassensegmentes von den Cocapflanzen befreit sind, wird unter Ademirs Leitung zunächst die restlos ausgelaugte Erde mit gemischtem Muli- und Rinderstalldung gedüngt und mit reichlich frischem Wasser begossen. Erst eine Woche später werden die Beete mit neuer Muttererde, die man aus dem oben gelegenen Wald geholt hat, vermischt und untergegraben. Nach einer weiteren Woche werden die Kaffeesetzlinge eingepflanzt. Dank der optimalen Klima- und Umgebungsbedingungen werden sie in etwa drei Jahren eine üppige Blütenpracht entfalten und eine reiche Kaffeeernte liefern.

      Wie von Geisterhand verschwinden indessen sämtliche während des Tages entfernten Cocapflanzen. Nach dem Arbeitsende der Peones befördern allabendlich Ademir, Urs Brunner und Josef Schloß unauffällig das unheilbringende Krautzeug auf Schubkarren davon. Später brennt lichterloh, hinter dem Hühnerstall verborgen, ein großer Scheiterhaufen. Seltsam geformte Rauschschwaden, die oft ungeheuren Tieren oder übernatürlichen Geschöpfen ähneln, winden sich hinauf und verlieren sich schließlich am Himmel.

       5. Hacienda Guayrapata

      Die Sommer-Schulferien haben also begonnen. Ehepaar Kahn war vorab schon einmal in den Yungas. Sie fahren nun mit ihren beiden Kindern Thea und Alfred sowie mit Moses Kovacs in der ersten Ferienwoche voraus.

      Dann kann es auch für die anderen endlich losgehen! Heiko, Josef und Frauke bringen zunächst Clarissa und die beiden Kinder zur Calle Caiconi, jene Straße, von der aus sämtliche Fahrzeuge in die Yungas-Region abfahren. Clarissa, Oliver und Lissy besteigen den Colectivo, einen Kleinbus, der zufälligerweise heute eine Sonderfahrt mit Sommergästen für das in den Südyungas gelegene Hotel Chulumani durchführt und noch ein paar Plätze frei hat. Josef bezahlt die Fahrt und instruiert den Fahrer, er möge bitte die drei Passagiere bis zum Ort Puente Villa bringen und sie dort an der Casa Blanca – dem weißen Haus – absetzen. Clarissa hat von Josef erfahren, dass sie dort ein gewisser Herr Adler erwartet, der ihnen weiterhelfen wird. Für Josef, Frauke und Heiko, die ebenfalls mitreisen sollen, ist in dem Colectivo kein Platz mehr, also werden sie mit der nächsten Fahrgelegenheit folgen.

      Die abenteuerliche Fahrt im Colectivo beginnt in einer Höhe von 3.652 Metern in La Paz. Beim Erreichen der Stadtgrenze passieren sie einen Kontrollposten der Verkehrspolizei. Wegen der großen Gefährlichkeit des Camino de los Yungas gilt für diese Straße ein strenges Nachtfahrverbot. Die Zufahrt ist deshalb mit einem Schlagbaum versehen, der um drei Uhr nachmittags niedergeht und bis zum Sonnenaufgang am nächsten Morgen kein Fahrzeug mehr durchlässt. An einem neben der Straße gelegenen Parkstreifen halten bis über die genehmigte Höhe voll beladene Lastwagen, um den Schalldämpfer vom Auspuff zu trennen. Diese Maßnahme vermindert den Rückstau der Auspuffgase und verhilft so dem Fahrzeug zu etwas mehr „Puste“ beim bevorstehenden, sehr strapaziösen Aufstieg.

      In lang gezogenen Serpentinen windet sich die steile, einspurige und kurvenreiche, mit losem Schotter bepflasterte Autostraße den Hang hinauf. Mühevoll kriecht der Kleinbus die fünfundzwanzig endlos scheinenden Kilometer bis zur Cumbre hinauf, dem auf etwa 4.200 Metern Höhe gelegenen Pass. Fühlbare Kälte dringt in den unbeheizten Fahrgastraum des Colectivos, abgestrahlt von den mächtigen, mit ewigem Schnee bedeckten Fünf- und Sechstausendern. Der Beifahrer, ein Indiojüngling, verteilt Pappbecher an die Reisenden, die er daraufhin mit Mate de Coca aus Thermosflaschen befüllt. Wie ihnen bereits von der Bahnfahrt von Arica nach La Paz bekannt ist, ist der heiße Aufguss nicht nur ein probates Mittel gegen das Unwohlsein in dieser Höhe, sondern er wärmt zugleich die frierenden Hände. Oliver und Lissy bekommen zusammen einen Becher, aber Lissy verweigert den bitteren Trunk. Dennoch achtet Clarissa darauf, dass Oliver nicht mehr als die Hälfte des Bechers leer trinkt.

      Im weiteren Streckenverlauf schlängelt sich die Autostraße im Angesicht der imposanten Anden in ebenso engen Haarnadelkurven sechzig Kilometer bis auf 1.200 Meter über Meereshöhe steil hinab in jene feuchte und subtropische Gegend, in der die Malaria als unbesiegte Herrscherin thront. Treffen hier zwei entgegenkommende Camiones – Lkws – aufeinander, muss der talwärts Fahrende bis zur nächsten Ausweichstelle rückwärts kriechen.

      Nach einer weiteren Fahrstunde befinden sie sich etwa 800 Meter tiefer und der Fahrer des Colectivos macht zur Mittagspause Halt in der kleinen Ortschaft Unduavi. Hier befindet sich ein weiterer polizeilicher Kontrollpunkt und hier ist die Aduana de la Coca ansässig, die amtliche Zollstelle, an der für die aus den Yungas heraustransportierten Cocablätter der entsprechende Impuesto – Tribut – zu leisten ist.

      Während der Pause knabbert Oliver genüsslich an einer mit pikanter Ajísauce gewürzten Hühnerkeule; Clarissa und Lissy hingegen verzichten auf das scharfe Essen und begnügen sich mit den mitgebrachten Butterbroten und den hart gekochten Eiern.

      An diesem Ort gabelt sich die Straße in die beiden Routen zu dem Nord- und dem Südyungas, welchem unser Colectivo nun folgt. Weiter geht die Reise durch eine beeindruckende Szenerie in immer tiefer gelegene und zunehmend bewaldete Regionen. Hier und dort stürzen aus den weiter oben gelegenen Felsen anmutende Wasserfälle wie silberne Pfeile. Diese münden in die einige Hundert Meter tiefer in engen Tälern gelegenen wild rauschenden Flüsse.

      Dann, plötzlich – eine abrupte Vollbremsung in unmittelbarer Nähe des Kühlers eines entgegenkommenden Lastwagens. Der junge Beifahrer springt aus dem Fahrzeug und weist dem Busfahrer die sicherste Spur bis zur nächsten Ausweichstelle, zu der sie im Schritttempo rückwärtsfahren. Erschreckt blickt Clarissa aus dem Fenster in den direkt neben dem Colectivo beginnenden, endlos tief erscheinenden Abgrund. Im Zeitlupentempo schleicht der entgegenkommende Lastwagen vorbei, bis die Gefahr gebannt ist.

      Schon fast sieben Stunden lang dauert die Fahrt und die Kinder werden immer ungeduldiger. „Wann sind wir endlich da, Mami?“, fragt Lissy alle paar Minuten.

      Zunehmend

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