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      Die West-Berliner Schüler strecken ihre Ärmchen jubelnd den »Rosinenbombern« entgegen, und ihr besonderer Liebling wird der Leutnant Carl S. Halverson, der Schokoladentafeln an selbstgebastelten kleinen Fallschirmen zur Erde schweben lässt. In der »Aktion Storch« werden bedürftige Kinder in den Westen ausgeflogen und vorübergehend bei Gasteltern untergebracht.

       Einer der rund 213 000 »Rosinenbomber« der Luftbrücke, 1948

      Es war eine harte Zeit für die West-Berliner. »Sie murrten nicht«, so Curt Riess, »aber sie schimpften, und zwar auf die Russen. Es war erstaunlich, wie offen sie das taten, zum Beispiel in der Untergrundbahn oder der Stadtbahn, und sie hörten auch nicht auf, wenn sie in den sowjetischen Sektor kamen. Besonders aber schimpften sie auf die Ostzeitungen, die Blätter, die von Deutschen im Dienste der Russen gemacht wurden. – Die Ostpresse wurde damals k. o. geschlagen (…).«

      Der West-Berliner sitzt im Dunkeln, kocht sein Süppchen nachts um ein Uhr, wenn sein Bezirk mal keine Stromsperre hat, isst grausam schmeckende Trockenkartoffeln und friert (»Ick kann jar nich so ville zittern, wie ick friere!«), aber er denkt nicht daran aufzugeben. Was ihm hilft, sind der schwarze Markt und der Schmuggel aus der Ostzone. Die Stimmung ist einmalig: »Unwahrscheinlich, gespenstisch, gelebter Surrealismus.«. (Curt Riess)

      Natürlich hätte Stalin jeden Tag den Befehl geben können, die »Rosinenbomber« abzuschießen, doch er gibt ihn nicht, denn in Moskau weiß man, dass das mit einiger Wahrscheinlichkeit den Dritten Weltkrieg auslösen würde. Schließlich wird man müde und sieht ein, dass man den West-Berliner und die Westmächte mit einer Blockade nicht in die Knie zwingen kann. Am 5. Mai 1949 vereinbaren die vier Großmächte das Ende der Blockade und legen den offiziellen Termin fest auf den 11. Mai 1949, 24 Uhr. Es wird eine Sternstunde West-Berlins. »(…) das war in Berlin wie bei einer großen Premiere. Jeder, der etwas war oder etwas sein wollte, fuhr hinaus zur amerikanisch-britischen Kontrolle der Autobahn (…). Es war ein wenig so, wie es am 14. Juli auf den Pariser Straßen ist. Jawohl, es wurde auf der Autobahn getanzt (…). Berlin schien die glücklichste Stadt der Welt. Es war alles wie im Märchen.«. (Curt Riess) Es gibt plötzlich wieder alles zu essen und Strom und Gas zu jeder Tageszeit. Und Straßen- und U-Bahnen fahren auch noch nach 18 Uhr.

      Welch glanzvoller Sieg! Und wir können es in einem Satz zusammenfassen: Mit der Blockade und ihrer Überwindung wird der West-Berliner geboren.

      Für Curt Riess ist es aber auch eine Wiedergeburt: »(…) wenn ich mir überlege, wie ruhig die Berliner in diesen Tagen blieben, in denen so Unerhörtes über sie verhängt wurde, dann tauchte langsam ein Bild vor mir auf, das schon ein wenig alt und vergilbt war und dessen Existenz ich schon vergessen hatte: das Bild des Berliners aus den guten Vor-Hitler-Zeiten. Ja, so war er: Vieles war ihm schnuppe, er war ein bisschen skeptisch und gleichgültig, kess, mit einem gewissen trockenen Humor begabt, äußerlich rau, aber dennoch immer hilfsbereit, und von einer Kameradschaft, wie der Asphalt übervölkerter Städte sie schafft, vor allem aber: Er war schnell und hell in seinen Reaktionen. Ja, so war der Berliner einmal gewesen, und so hatten wir ihn in hundertfacher Ausführung kennen gelernt (…). Und nun war er, sozusagen über Nacht, wieder geboren. Er war wieder da, der alte Berliner. Und vielleicht, so dachte ich jetzt, war er nie wirklich fort gewesen. Vielleicht hatte er auch unter den Nazis weitergelebt, und vielleicht war das der Grund dafür, dass die Nazis Berlin nie richtig erobert hatten. (…) Ja, vielleicht könnte man sagen, dass Berlin auch unter den Nazis eine Art belagerte Stadt gewesen war, so dass die Erfahrungen, die die Berliner jetzt durchmachten, ihnen nicht ganz neu waren. Das mochte ihre Ruhe erklären, als nun die Flugzeuge der ›Operation Vittles‹ mit wenigen Sekunden Abstand über ihren Häuptern dahinbrausten. Denn diese Ruhe wurde für jeden unvergesslich, der die Blockade von Berlin miterlebte.«

      Riess spricht hier nicht vom Ost- und West-Berliner, sondern nur vom Berliner generell, denn auch der Ost-Berliner war ja von der Blockade betroffen: »Berlin war keine viergeteilte Stadt mehr. Berlin – das waren jetzt zwei Städte, die, wenn sie an den entgegengesetzten Enden der Welt gestanden hätten, nicht weiter voneinander hätten entfernt sein können.« Nehmen wir das Ergebnis der letzten freien Wahlen, dann können wir sagen, dass vielleicht ein Fünftel der Ost-Berliner mit heißem Herzen und/​oder kühler Berechnung auf den Sozialismus und den »ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden« setzte. Die große Mehrheit der Ost-Berliner war aber sicherlich nicht glücklich über ihr Schicksal und fühlte sich zu vielen Jahren SBZ beziehungsweise DDR verurteilt. Aber dies kann ein West-Berliner nicht recht beurteilen und muss warten, bis das Buch »Der Ost-Berliner als solcher« erscheint.

      Wir hier können uns nur mit dem West-Berliner als solchem beschäftigen. War er mit der Blockade geboren worden, so wuchs er in den Jahren bis zur Mauer heran, um mit ihrem Bau und in der Zeit bis zur Wende so richtig zu reifen. Was ihm dabei half, waren herausragende Persönlichkeiten.

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